Jedes Mal wundere ich mich aufs Neue, welch eine treue Anhängerschaft dieser Derek William Dick alias Fish hat! Schon zwei Jahre zuvor, bei seinem letzten Besuch im Saarland, kamen hunderte begeisterter Insider in die Merziger Stadthalle gepilgert. Trotz gesalzener Ticketpreise kamen sie alle auch dieses Mal - ebenfalls in die Stadthalle, aber jene zu St. Ingbert. Ein Fish-Konzert ist eben was ganz Besonderes; wer ihn einmal live erlebt hat, der kommt auch wieder!
Dennoch ist es auch erstaunlich, dass es unter seinen Konzertgästen fast gar keinen 'Nachwuchs' gibt. Geschätzte 90 Prozent in der gut gefüllten Halle sind um die 40, plus/minus fünf Jahre - viele, viele Marillion-Jünger, die dem inzwischen runde 50 Lenze zählenden Fish auch während seiner kompletten Solokarriere die Treue gehalten haben und stolz ihre von 100 Waschgängen gezeichneten Marillion-Shirts tragen. Dabei müsste es doch einige junge Hüpfer geben, die einst zu den Klängen von "Kayleigh" gezeugt wurden, oder?
Welche Konzerte diese auch immer bevorzugen mögen - ihre Eltern freuten sich diebisch auf den Star des Abends, seine poetische Musik und seine Geschichten, ebenso wie der verhältnismäßig blutjunge Autor dieser Zeilen! Acht Uhr - und manchmal kriegt man mehr als man erwartet: In diesem Fall ist es die saarländische Supertramp-Covergruppe Dreamer, die als Show-Opener auftritt. Eine dreiviertel Stunde Spielzeit bekommen die Lokalmatadore.
Mit ihren ziemlich originalgetreuen Versionen von Klassikern wie "Bloody Well Right", "Goodbye Stranger", "Cannonball" oder "Breakfast In America" kommen sie beim Publikum gut an und verbreiten Laune. Mit insgesamt acht Leuten auf der Bühne geben sich Dreamer zudem allerhand Mühe um einen originalgetreuen Sound vom Saxofon bis zur Triangel. Und es sei ja ein schöner Zug, wenn etablierte Bands den regionalen Acts eine Chance gäben, erzählt einer der beiden Keyboarder zum Abschluss... deshalb hätten sie es auch dem Fish ermöglicht, nach ihnen spielen zu dürfen! Na da wird er sich freuen...
Schlag neun, es gibt Fish! Der kahlköpfige Hüne aus Glasgow betritt die Bühne, typisch mit einem langen Tuch um den Hals - ein sanfter Riese, durch und durch sympathisch von Beginn an. Fish & Konsorten eröffnen die Show mit dem gut 20 Jahre alten Marillion-Klassiker "Slainte Mhath", dessen melodischer Drive gleich eine ergreifende Magie in den Saal zaubert. Das Eis ist gebrochen für die beiden ersten, hypnotisch und modern rockenden Songs vom neuen Album 13th Star. Es hätte wohl gar keines 'Eisbrechers' bedurft, wenn ich den ergrauten Fish-Fan links neben mir betrachte, dessen Lippen jeden alten und erstaunlicherweise auch jeden neuen Song Wort für Wort per Playback mitmachen.
Und dann geht es auch schon los mit dem ganz großen Kino à la Fish. Er ist ja bekannt für seine schrägen Geschichten - halb
in Deutsch und halb in schottelndem Englisch. Zuerst beneidet er uns Deutsche um unsere gerade mal wieder siegreiche Fußball-Nationalelf ( »Ich wünschte like you I had a Mannschaft, you know...«). Später fragt er nach, was »fairies« denn nochmal auf deutsch seien... »Elfen, yes, Elfen... I hate them« - und erzählt von seiner Ex, die kleine Elfenfiguren sammelte und berichtet, wo er sie im Haus überall ertragen musste. Und spricht mit leuchtenden Augen darüber, wie er eine der verhassten Porzellan-Figuren einst mit Elan durch die Luft feuerte und das Teil George Lucas-reif mit Special-Effects auseinanderplatzte ("F$?§ Elfe!!")... das macht Fish mit Überzeugung und überdies mit großem Körpereinsatz - wir haben fast geheult vor Lachen!
Und vom Hotelzimmer erzählt er und was dort im TV läuft... »porn, f$!°%&' Scheiß...«. Was denken die Hauptdarsteller während des Drehs, philosophiert er vor sich hin und macht sich mit unzweideutigen Körperbewegungen lustig... »Dishwasher, dishwasher, dishwasher...«, ist seine Antwort. Fishs Hotelerfahrungen sind natürlich nur die Einleitung für musikalisch ganz, ganz Großes: "Hotel Hobbies" steht auf dem Spielplan und geht direkt in "Warm Wet Circles" und "That Time Of The Night (The Short Straw)" über. Diese traumhaften und zeitlosen Melodien aus Gitarre und Keyboard jagen mir Schauer über den Rücken. Wenn eben noch Playback angesagt war, dann ist es jetzt Karaoke: wie aus einer Kehle singt die Halle am Schluss mit: »Warm - wet - circles!«...
Klassiker-Zeit ist auch angesagt beim Mithüpfer "Incommunicado" und bei "Cliché", an dessen Anschluss sich Fishs Lead Gitarrist Frank Usher mit einem minutenlangen, ekstatischen Frickel-Solo Szenenapplaus verdient. Und auch die neuen Tracks kommen prima an - nicht nur beim Playback-Freund zu meiner Linken. Beispielsweise "Openwater", das der Chefkomiker mit Geschichten über Piraten ankündigt. Wir Zuhörer müssen auf Kommando piratenmäßig lachen und uns auf den Schenkel klopfen - danach rockt der Song tatsächlich wie ein Piratenschiff!
Besinnlich geht es dagegen zu beim aktuellen Balladen-Pärchen "Zoë 25" und "The Arc Of The Curve" mit traumhaft schönen Melodien, die genau so unter die Haut gehen wie jene, die schon vor Jahrzehnten geschrieben wurden. Namentlich sind dies zum Beispiel die Klassiker "Kayleigh" und "Lavender". Wenn der gute alte Fish manch hohen Ton nicht richtig rausbekommt, verzeiht man das keinem so gern wie diesem Sympatikus. Mittlerweile ist Zugabe-Zeit; und wir alle singen ohnehin sogar lauter als der Hauptdarsteller.
Nach gut zwei Stunden ist alles vorbei, und - so weit ich es überblicken kann - jeder in der Halle glücklich mit dem Dargebotenen. Fish live ist immer wieder was Besonderes - und er bietet viel Abwechslung! Hatte er vor ein paar Jahren noch zum Jubiläum von "Misplaced Childhood" das Album komplett am Stück gespielt, lag dieses Mal ein Fokus auf "Clutching At Straws". Und er ist auch keiner, der die bekanntesten Stücke seiner Solo-Karriere immer und immer wieder abspult. Nein - es fehlten gegenüber meinem letzten Fish-Gig zwei Jahre zuvor in Merzig unter anderem "Big Wedge", "Moving Target", "Brother 52", "A Gentleman's Excuse Me"... dafür gab es gleich sechs brandneue Songs. Das war mutig - und das hat prima geklappt. Fish live ist immer wieder ein Erlebnis, musikalisch und menschlich - der ist so witzig, dass man ihn am liebsten mit nach Hause nehmen würde!
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