Alle halbe Jahre wieder kommt etwas Neues von Foreigner. Hier wird die Geldmaschinerie nochmals gekonnt in Gang gesetzt. Nachdem im vergangenen Herbst die Live-Doppel-CD Can't Slow Down … When It's Live in Ergänzung des gleichnamigen Studioalbums aus dem selben Jahr veröffentlicht wurde, erscheint nun auf DVD und Blue-Ray der Video-Mitschnitt desselben Konzerts.
Aufgenommen wurde das dokumentierte Konzert am 16.3.2010 im Ryman Auditorium in Nashville, Tennessee. Das Ryman ist ein aus dem 19. Jahrhundert stammendes Gebäude, das seinerzeit als Kirche mit 6.000 Plätzen errichtet worden war, aber schon bald als Veranstaltungsort für Konzerte und Radiosendungen diente. Nachdem das Gebäude etwa 20 Jahre lang leer stand, wurde es im Jahr 1994 nach umfänglichen Renovierungsarbeiten als Konzertsaal mit etwa 2.300 Plätzen, die - entsprechend der historischen Substanz - auf zwei Etagen verteilt sind, wiedereröffnet.
Seitdem gilt das Ryman als Kultstätte der Country-Musik, aber auch zahlreiche Künstler anderer Genres haben den Ort für Konzerte gewählt, von denen etliche sowohl auf CD wie auch auf DVD dokumentiert sind. Auf der Homepage des Ryman sind zahlreiche Künstler zitiert, die den Veranstaltungsort u.a. wegen der hervorragenden Akustik rühmen. Dass Foreigner die vorliegende DVD, deren Hülle das Cover des Live-Albums aufgreift bzw. übernimmt, nicht - was durchaus naheliegend gewesen wäre im Sinne einer Trilogie: Studio-Album, Live-CD, DVD-Mitschnitt - "Can't Slow Down", sondern nur schlicht "Rockin' At The Ryman" benennen, dürfte vor diesem Hintergrund als Reminiszenz an den Veranstaltungsort zu verstehen sein (Auf dem 'Waschzettel' wird die DVD allerdings unter dem Titel der Live-CD "Can't Slow Down … When It's Live" angekündigt; das ist schon merkwürdig!).
Aber: Auf der offiziellen Homepage der Band findet sich nach wie vor keinerlei Hinweis auf die Live-CD wie auch auf die vorliegende DVD, was meine im seinerzeitigen Review geäußerten Zweifel an der Autorisierung auch der jetzigen Veröffentlichung noch nährt. Lediglich auf die Tatsache, dass das Konzert seinerzeit für den US-amerikanischen Fernsehsender HDNet aufgezeichnet und mittlerweile dort gesendet worden ist, wird an - mittlerweile sehr versteckter Stelle - hingewiesen.
Die Set-List der DVD ist praktisch identisch mit der bereits erschienenen Doppel-CD, ergänzt um einige Bonus-Tracks, auf die später noch einzugehen ist. Was gegenüber dem Live-Album konsequenterweise fehlt ist der dortige Bonus Track "Can't Slow Down", da der damals dokumentierte Song von dem Rock of Ages Festival im deutschen Seebronn und eben nicht aus dem Ryman stammt.
Soweit die vorliegende DVD identisch zur CD - auch die Titel-Reihenfolge ist die selbe - das Konzert im Ryman abbildet, habe ich zur Musik alles Notwendige in meinem diesbezüglichen Review geschrieben, so dass ich an dieser Stelle ausschließlich darauf verweisen möchte. Allerdings ist ein 'synoptisches Hören' der Silberlinge nicht möglich, da jedenfalls die Zwischendialoge unterschiedlich ausfallen bzw. auf der CD völlig fehlen. So fällt auch die Begrüßung des Publikums (nach dem zweiten Track "Head Games") auf der CD deutlich knapper aus; insbesondere fehlt dort der Hinweis auf den Ort der Veranstaltung im Ryman sowie die Tatsache, dass Kameras dieses Konzert filmisch dokumentieren; das Publikum war jedenfalls sensibilisiert.
Kelly Hansen hüpft wie ein Derwisch über die Bühne; sein Auftritt erinnert anfangs vom Äußerlichen her an Jim Morrison von den Doors (oder auch dessen zeitweiligen Ersatz bei The Doors Of The 21st Century), die teilweise divenhafte Show ein wenig an Freddie Mercury. Derweil gibt Mick Jones eher den Elder Statesman: Weißes Hemd, dunkle Weste, überlässt er die Show seinem jüngeren Kollegen, ist sich aber seines Könnens und Bedeutung für die Band voll bewusst.
Überraschenderweise folgt auf "Urgent" ein mehr als zehnminütiges "Keyboard/Drum Solo". Überraschenderweise, weil dieses Stück zum einen nicht auf dem CD-Album vertreten ist, weil es zudem auch nicht auf Vorankündigungen der vorliegenden DVD erwähnt war, und insbesondere deshalb, weil selbst das der DVD beigefügte Booklet den Titel nicht erwähnt (wohl aber der Titel im Inlet genannt ist). Das ist schon sehr merkwürdig.
Andererseits: So merkwürdig ist das Ganze auch wieder nicht, sondern offenbar genau geplante Konzert-Choreographie. Liest man den Beitrag des Kollegen Markus Beudert über ein Foreigner-Konzert am 27. Juni 2009 im Kurpark von Bad Brückenau (!), ist dort von einem ebensolchen »ausgedehnten Keyboard- und anschließendem Schlagzeugsolo« die Rede, das an derselben Stelle der auch ansonsten offenbar völlig identischen Set-List des Konzerts dargeboten worden ist.
In meinem ersten Entwurf für dieses Review habe ich an dieser Stelle ausführlich beschrieben, was den Zuschauer hier erwartet. Letztlich habe ich dies gestrichen, um die Spannung zu erhalten, und um meinen persönlichen Eindruck etwas zurückzustellen. Nur so viel: Musikalisch ist das ein absolut starkes Teil. Wie schon an anderer Stelle beschrieben, kann man mir mit derartigen Solo-Nummern regelmäßig große Freude bereiten, geben sie doch den jeweiligen Musikern die Gelegenheit, ihr Können jenseits des Schutzes der gesamten Band unter Beweis zu stellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn es sich - wie vorliegend - um Darbietungen der 'zweiten Garde', namentlich des Keyboarders Michael Bluestein sowie des Drummers Brian Tichy handelt, die zwar einen wichtigen Beitrag für den Sound von Foreigner leisten, ansonsten aber nicht so sehr im Mittelpunkt stehen wie Mick Jones und Kelly Hansen. Und von einer 'Darbietung' im bestverstandenen Sinne - um nicht zu sagen: von einer Show - kann man hier getrost sprechen. Schaut es Euch an!
Zu den weiteren Merkwürdigkeiten der vorliegenden DVD gehört einmal mehr, dass im Booklet bei der Auflistung der Bandmitglieder als Drummer Jason Sutter genannt ist (der aktuell ausweislich der Band-Homepage offenbar nicht mehr Mitglied von Foreigner ist), obwohl das vorliegend hauptsächlich dokumentierte Konzert mit Brian Tichy eingespielt wurde und bei den Bonus-Tracks Jason Bonham die Felle bearbeitete; auf beide wird aber wenigstens im Kleingedruckten hingewiesen. Tichy ist wiederum im 'Waschzettel', der dem Promo-Exemplar der DVD beigefügt war, als (einziger) Drummer genannt; hier fehlt wieder jeglicher Hinweis auf den Keyboarder Michael Bluestein. Das muss man alles nicht verstehen!
Mit "Hot Blooded" endet der offizielle Teil der DVD, und im Nachspann ist doch tatsächlich Brian Tichy als Drummer aufgeführt, das ist mehr als gerecht! Das Publikum gibt Standing Ovations - auch das ist mehr als okay!
Um die nächsten Tracks zu sehen - ein Konzertauftritt, aufgenommen im Rahmen einer nicht näher beschriebenen PBS Concert Series Soundstage (und bereits am 22. Januar 2009 im TV ausgestrahlt) - muss man das Bonus-Material anwählen und zudem die folgenden vier Tracks jeweils einzeln starten, obwohl sie aus einer Veranstaltung stammen.
"Say You Will" kann man durchaus als Unplugged-Version bezeichnen, auch wenn das E-Piano natürlich elektrisch verstärkt ist. Mick Jones spielt Akustik-Klampfe, der Rest der Band lässt akustische Percussions-Instrumente sowie mehrstimmigen Chor-Gesang erklingen. Mit "Too Late" kommt hier erstmals der Titel, der schon vor der Studio-Scheibe "Can't Slow Down" auf dem letzten Greatest Hits Album No End In Sight als Appetizer für nachfolgende Neuveröffentlichungen mit dabei war. Bei "Urgent" kann ich - tut mir Leid - kaum einen Unterschied zur Ryman-Darbietung feststellen, sieht man einmal von dem anderen Drummer ab. Aber selbst die Anfeuerungsrufe des Sängers an das Publikum sowie seine abschließende Würdigung des beide Male phantastisch Saxophon spielenden Tom Gimbel sind jeweils weitgehend identisch.
Es folgen angabegemäß drei Musik-Videos. "When It Comes To Love": Foreigner irgendwo in einer äußerst kargen Landschaft platziert, Playback-singend. "Can't Slow Down": Kein Musik-Video im eigentlichen Sinne, sondern - endlich, weil ja der Titeltrack für die Trilogie - als Dokument eines nicht näher genannten Konzert-Auftritts. "Too Late" wiederum beginnt als Sound-Collage zahlreicher Foreigner-Hits, während filmisch der Bühnen-Aufbau für ein Konzert dokumentiert wird, bevor der Song schließlich ebenso Bild-collagenhaft von offenbar mehreren Open-Air-Auftritten präsentiert wird.
Die nicht näher datierten 'Interviews' (tatsächlich handelt es sich um wiederum collagenhaft zusammengeschnittene Statements von Mick Jones und Kelly Hansen, ohne dass ihnen irgendjemand Fragen stellt) beschreiben die Entstehungsgeschichte des Studio-Albums "Can't Slow Down" sowie - teilweise sich wiederholend - einzelne Songs des Albums.
Was aber macht - außer dem Bonusmaterial, das m.E. eher als unnötiger 'Füllstoff' für die DVD anzusehen ist - den Unterschied zum CD-Album aus? Natürlich der bildliche Eindruck eines grandiosen Konzerts; die Stimmung im Ryman wird gut dokumentiert, auch über die klassische, dennoch bunte Lightshow. Und die Bilder sind - technisch gesehen - wirklich gut (auch ohne Blue-Ray). Die Bildschnitte sind schnell, teilweise hektisch. Wer den vollständigen Konzerteindruck haben will - einschließlich des Kontakts der Musiker zum Publikum - ist mit der DVD eindeutig besser bedient. Wer sich aber nur auf die Musik konzentrieren will, für den ist das CD-Album ausreichend, das Bonusmaterial eigentlich - jedenfalls überwiegend - nur noch Schnick-Schnack.
Line-up:
Mick Jones (lead guitar, keyboards, bass, vocals)
Kelly Hansen (lead vocals)
Jeff Pilson (bass, backing vocals)
Tom Gimbel (guitar, saxophone, vocals)
Michael Bluestein (keyboards)
Brian Tichy (drums)
Tracklist |
01:Double Vision
02:Head Games
03:Cold As Ice
04:In Pieces
05:Blue Morning, Blue Day
06:Waiting For A Girl Like You
07:When It Comes To Love
08:Dirty White Boy
09:Starrider
10:Feels Like The First Time
11:Urgent
12:Keyboard/Drum Solos
13:Juke Box Hero
14:Long, Long Way From Home
15:I Want To Know What Love Is
16:Hot Blooded
Bonues Features:
17:Night Life
18:Say You Will
19:Too Late
20:Urgent
21:When It Comes To Love (Video)
22:Can't Slow Down (Video)
23:Too Late (Video)
24:Interviews mit Mick Jones und Kelly Hansen
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