Unter welchen Kriterien stellt man sich sein persönliches Konzertjahr sinnvoll zusammen? Ganz klar, die Musikrichtung und die Band müssen zum Musikgeschmack passen, aber das ist ja selbstverständlich. Des Weiteren geben Neuveröffentlichungen von CDs und DVDs den wohl wichtigsten Anreiz eine Show zu besuchen. Ein Riesen-Vorteil, wenn man als Musik-Redakteur quasi mit der Nase auf die aktuellen Alben gestoßen wird. Mit etwas Glück ist es dann fast immer möglich, die Künstler irgendwann auf der Bühne zu erleben und sich sein eigenes Urteil über ihr Schaffen zu bilden. Meistens war es das dann aber auch; gesehen - beurteilt - abgehakt - wo ist der Nächste?
Doch es gibt auch Ausnahmen! Manchmal stimmt die Chemie einfach vom ersten Ton an und der Konzertgänger beschließt spontan, sich den Act ein weiteres Mal rein zu tun. Doch dazu bedarf es natürlich etwas Besonderem, was den Auftritt von den vielen anderen unterscheidet. Seien es nun die künstlerischen Fähigkeiten, das Engagement die Musik gut rüber zu bringen oder die sichtbare Spielfreude; alles das trägt dazu bei, die Zuhörer wieder in die Hallen zu locken. Schließlich ist ein Konzertbesuch heutzutage auch ein nicht geringer Kostenfaktor für jeden Musik-Fan.
Ich selbst habe inzwischen schon etliche Bands auf dem Plan, die ich mir, wenn möglich, mindestens einmal pro Jahr reinziehen möchte. So gibt es bereits seit sieben Jahren regelmäßig einen Gig von Wishbone Ash in meinem Kalender und auch ein Rob Tognoni ist schon wieder fest für das kommende Jahr eingeplant. Und nun habe ich einen weiteren Namen notiert, den ich zukünftig unter ständiger Beobachtung halten werde. Henrik Freischlader hatte mich schon im letzten Jahr mit allen oben beschriebenen Attributen überzeugt und dabei so ziemlich vom Hocker gehauen. Und anscheinend nicht nur mich, denn immerhin gehört er inzwischen zu den meist gesehenden 'Opfern' der RockTimes-Redaktion.
So war das heutige Konzert ein Pflichttermin für mich, zumal ja inzwischen auch das zweite Studio-Album Get Closer auf dem Markt ist und ich natürlich sehr gespannt darauf war, wie sich die neuen Songs in den Live-Versionen anhören würden. Des Weiteren bot sich heute die Gelegenheit, die Band in Trio-Besetzung zu sehen, denn Birth Control-Keyboarder Sascha Kühn war diesmal nicht mit dabei. Zudem saß Dirk Sengotta wieder auf dem Drum-Hocker, der im letzten Jahr noch durch Micky Neher ersetzt werden musste. Andere Setlist, anderes Line-up, also die idealen Voraussetzungen für einen interessanten Konzertabend.
Gleich bei unserem Eintreffen in Ilten fühlte ich mich in die guten alten siebziger Jahre zurückversetzt, denn, wie damals üblich, fand ich die Band in geselliger Runde mitten zwischen den Fans beim Smalltalk vor. Eine Tatsache, die heutzutage nicht mehr als normal zu bezeichnen ist, doch für Henrik & Co. durchaus selbstverständlich schien. Klasse, dass dieser Mann so auf dem Teppich geblieben ist. Da war es natürlich gar keine Frage, dass auch wir uns kurz mit ihm unterhielten und ein gutes Konzert wünschten. Wenn ein Abend schon so losgeht, dann kann ja eigentlich nichts mehr schief gehen.
Nachdem sich der Saal so langsam füllte, konnte ich feststellen, dass ein großer Teil des Publikums die Henrik Freischlader Band zum ersten Mal live erleben sollte und deshalb ziemlich gespannt auf die Show war. Genau das passende Gelände für die Jungs, um neue Freunde zu finden und die Zahl ihrer Fans weiter zu erhöhen. Schade nur, dass sich die 'Besucherströme' doch etwas in Grenzen hielten. Ich hatte eigentlich gehofft der gute Ruf dieses Wahnsinns-Gitarristen hätte sich schon stärker im Einzugsgebiet des Soundchecks herum gesprochen und mehr Besucher angelockt. Aber was soll's; diejenigen, die gekommen waren, werden diesen Abend sicherlich nicht so schnell vergessen, denn die Henrik Freischlader Band war bereit für einen starken Auftritt!
Fast pünktlich um 21.00 Uhr betraten die Drei, sichtlich gut aufgelegt, die Bühne, und die zweistündige Show konnte beginnen. Das Erstaunlichste an Henrik Freischlader ist für mich, wie er von einer Sekunde auf die andere in seiner Musik versinken und sich in die Gitarrenarbeit vertiefen kann. Vom ersten Ton an verfällt er fast in Trance und schaltet nach Beendigung jedes Songs sofort wieder zurück und bedankt sich artig und entspannt für den Applaus. Der Mann muss ein wahres Wunder an Konzentrationsfähigkeit sein, anders ist das nicht zu erklären. Henrik Freischlader lebt seine Musik mit Haut und Haar und reißt allein schon durch seine Körpersprache alle Zuhörer sofort mit.
Seine Begleiter fügen sich nahtlos in das Geschehen auf der Bühne ein und sind inzwischen ein wahrhaft eingespieltes Team. Dabei verzichten sie fast völlig auf jegliche Show-Effekte. Das haben sie auch gar nicht nötig, denn musikalisch können sie hundertprozentig überzeugen. So ist es nicht verwunderlich, dass Beide auch genügend Freiraum für Soloeinlagen erhalten. Wieder eine Parallele zu den Siebzigern. Höhepunkt dabei das siebenminütige Schlagzeugsolo, das bezeichnenderweise mit Klobürsten begonnen wurde. Das war natürlich genau das Richtige für den Rezensenten. So muss gute Rockmusik klingen und dargeboten werden!
Neben diesen besonderen Schmankerln sind nach wie vor die Slow Blues-Stücke das Nonplusultra, denn hier kann Henrik besonders tief in die Gefilde des Gitarrenspiels hinabsteigen. In keinem anderen Stil kann man intensivere Töne an den sechs Saiten produzieren und sich dabei immer noch weiter hinein steigern. Und das ist nun mal die absolute Stärke von Henrik Freischlader. Dabei gibt es nichts Schöneres, als ihn aus allernächster Nähe zu beobachten. Unglaublich mit welcher Leichtigkeit diese Tonfolgen aus den Boxen gefeuert werden. Es sieht so einfach aus, wenn Henrik seine Klampfe aufheulen lässt, oder die kraftvollsten Riffs durch die Anlage jagt. Für einen Nicht-Musiker wie mich ist so etwas einfach nicht zu begreifen.
Doch es geht auch noch wesentlich schneller. Oft befindet sich der Axeman auf direkten Spuren vom ehemaligen Ten Years After-Flitzefinger Alvin Lee oder seinem Nachfolger Joe Gooch, (komisch, dass mir diese Vergleiche bei Henrik immer wieder in den Kopf kommen!) hinter denen er sich in Sachen Tempo wahrlich nicht verstecken muss. Und auch bei diesen Parts merkt man ihm die Mühe kaum an. Dabei sägt er sich mit einer kaum vorstellbaren Präzision durch die Songs.
Hier sind drei Könner ihres Fachs am Werk, deren erklärtes Ziel es ist, die eigene Mucke richtig heiß darzubieten und dabei den Zuhörern ein akustisches Event der Sonderklasse zu bieten.
So lief die Show, die inzwischen fast ausschließlich aus Eigenkompositionen besteht, (nur die Keb Mo-Nummer "Dirty, Low Down And Bad" und Peter Greens "I Loved Another Woman" wurden gecovert) in beeindruckender Weise ab, und im Nu war nach neunzig Minuten das Ende des Gigs erreicht. Nanu, nur 1,5 Stunden? Das konnte es ja wohl noch nicht gewesen sein. Die Henrik Freischlader Band macht 'Dienst nach Vorschrift' - Unmöglich!
Und ich sollte Recht behalten, denn nun begann der Zugabenteil, der heute mal wieder ganz im Zeichen von Jimi Hendrix stand. Nach kurzem Intro mit "Fire", kam es zu dem Highlight des Abends. Ich habe in meinem langen Leben sicherlich schon so einige Konzerte erlebt, aber so etwas wie diese über 30 (!) Minuten lange Version von "Voodoo Chile" war selbst mir neu. Ich glaube nicht mal Henrik selbst hat so eine Fassung jemals von sich gegeben. Jetzt erreichte die Band schon fast psychedelische Regionen und Henrik Freischlader traktierte die Gitarre mit immer neuen Griffkombinationen. Da blieb mir der Mund vor Erstaunen offen stehen, und einige Zuhörer tickten nun völlig aus. Woodstock-Feeling in Ilten (na ja, ist vielleicht etwas übertrieben, beschreibt aber die Stimmung vor der Bühne recht gut)!
Als die letzten Töne des Soundgewitters verklungen waren, bedeutete das auch das definitive Ende dieser Wahnsinns-Show. Das konnte nun wirklich nicht mehr getoppt werden. Erschöpft und positiv geschafft feierte das Publikum die Band begeistert ab.
Und die Hauptperson des Abends? - Kaum fünf Minuten nachdem er den Geist von Jimi so hervorragend beschworen und ein Sound-Inferno erster Güte entfacht hatte, baute Henrik Freischlader in aller Seelenruhe seine Amps ab, lächelte verschmitzt und unterhielt sich locker mit seinen Fans. - Ganz so, als wäre in den letzten zwei Stunden absolut nichts geschehen.
Line-up:
Henrik Freischlader (guitar, vocals)
Oliver Schmellenkamp (bass)
Dirk Sengotta (drums)
Setlist |
01:The Blues
02:Disappointed Women
03:Too Cool For Me
04:Keep Playing
05:Nothing To Lose (Basssolo)
06:Dirty, Low Down And Bad
07:She's Back (For Another Try)
08:I Loved Another Woman
09:Drum Solo
10:She Ain't Got The Blues
11:Let The Good Times Roll
12:Fire
13:Voodoo Chile
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