Ja gibt es das? Da leg ich eine CD zum Reviewen ein und nach den ersten Takten vergesse ich das ursprüngliche Ansinnen, lehne mich im Sessel auf der Veranda zurück und genieße, der Musik lauschend, die warme Pfingstsonne. Soll doch schreiben wer will; ich höre jetzt erst mal diesen sehr relaxten Klängen zu und lasse Gott einen lieben Mann sein.
Merrell Fankhauser - ich gestehe, den Mann und seine Musik nicht zu kennen. Klar, haben wir ihn mit
Stolen Guitar Blues und
The Whole Day Ahead Of Us im Index, aber alle von Kollegen besprochene Scheiben zu kennen, ist in einem Leben nicht möglich. Aber, auch ohne je etwas von
Merrell gehört zu haben, kennt man mindestens einen Song von ihm. Zumindest die in Ehren ergrauten
RockTimer kennen ihn bzw. einen Song seiner alten Instrumentaltruppe
The Impacts. Oder sagen wir mal, eine Nummer dieser Truppe. "Wipe Out". Hierzulande war wohl die Version der
Surfaris bekannter; als Radio-Jingle, und jeder Gitarrist einer neuen Schülerband musste sich daran versuchen. Irgendwie war das eine seltsame Sache, denn die
Impacts-Version kam kurz vor der, der
Surfaris. Sehr zur Überraschung der
Impacts, denn die wussten von der (eigenen) Plattenveröffentlichung nicht mal was. Wie auch immer, die Version der
Fankhauser-Band ist anders. Relaxter und bereits in dem Stil, den
Merrell Fankhauser ausmacht.
Man bezeichnet den Protagonisten als einen der großen Innovatoren der Surf Music, was zweifelsohne korrekt ist. Ebenso korrekt ist die Zuordnung zum psychedelischen Folk Rock. 15 Jahre lebte er im Dschungel von Maui und ohne Zweifel ist das in der Musik zu spüren. Eine ungeheure Entspanntheit wohnt seinen Songs inne und da ist weit mehr als Surf, Singer/Songwriter oder Folk zu hören/spüren. Aus einem Fundus von 40 Alben hat
Merrell selbst die Auswahl für diesen Doppeldecker getroffen. Dazu einige bisher unveröffentlichte Sachen und spätestens wenn man im mit 16 Seiten vorbildlich gestalteten Booklet liest, wird klar, dass hier kein Wellenreiter-Soundtrack läuft, sondern ein Musiker mit Reputation und Können am Werke ist. 1983 besuchte niemand Geringeres als
John Cipollina (
Quicksilver Messenger Service)
Fankhauser und im Inselstudio jammten sie eine Weile und heraus kam "Waterfall" mit
John an der Slide. Von dieser Jam-Session gibt es einen weiteren Track (ohne
John), der auf dem 1986er "Doctor Fankhauser"-Album Einzug fand. Hier ist die Nummer auf CD 2 ("Who Can You Call").
Nicht nur audiomäßig ist
Merrell unterwegs, auch im TV war er in einigen Shows der Mann an der Front ("California Music", "Route 66 TV Live", "Tiki Lounge"). Erstaunlich ist neben dem lässigen Groove seiner Musik auch die Vielfalt. Klar, es surft auch schon mal, dann wiederum klingt es nach frühen
Beatles oder rockt gar psychedelisch ("Drivin' Sideways (On A One Way Street)", Girl I Am Waiting For You", "I Am Flyin Home").
Ebenfalls psychedelisch und spirituell angehaucht die beiden Stücke "The Land Of MU" und "Blue Jay Blue".
So könnte ich jetzt zu jedem Track etwas schreiben. Das sehr detaillierte Booklet kann das aber viel besser und diese Compilation sollte/muss man im Regal haben. Fast fünfzig (!) Jahre umfasst diese Zusammenstellung. Und es finden sich immer hervorragende Musiker in
Merrells verschiedenen Bands. Ein paar Namen?
Bill Berg (
Bob Dylan),
Jeff Cotton (
Captain Beefheart),
Peter Noon (
Herman's Hermits),
Louie Ortega,
Nicky Hopkins (da gäbe es nun viele Referenzen zu nennen). Ich kürze ab: im Line-up der Songs auf diesem Album finden sich Beziehungen zu u. a.
Spirit,
Jefferson Starship,
Nitty Gritty Dirt Band,
Randy California.
"On Our Way To Hana" setzt dem Ganzen die Krone auf. Da klingt die Gitarre wie die des
Meisters. Ja, der ganze Song würde sich problemlos perfekt in
Terrapin Station integrieren lassen. Mehr Lob kann ich nun nicht mehr loswerden. Das ist keine hingeschnuddelte "Best Of", um Kohle zu machen. Das Album bietet einen enormen Querschnitt durch
Fankhausers musikalisches Leben. Alles ist von ihm selbst ausgesucht und das Booklet ist ein kleines Lexikon. Nicht d'accord bin ich mit der Schublade Singer/Songwriter. Und von Surf-Musik will ich jetzt, ob des Überblickes seines Schaffens, schon gar nicht reden. Die Bandbeite ist enorm und wie gesagt: Diese Scheibe gehört ins Regal.