Streng genommen handelt es sich ja nicht um eine echte Pro und Contra-Besprechung, wie man an den Stellungen der Daumen sieht, aber da dieses Album in der Musikwelt da draußen ohne Zweifel so diskutiert wird, haben wir die Gelegenheit genutzt und beleuchten "Mighty High" aus der Sicht zweier Redakteure. Hilfreich war dabei auch die Tatsache, dass uns die ATO- und die Blue Rose-Ausgabe zur Verfügung standen. Inhaltlich sind die beiden CDs jedoch völlig identisch.
Mike fängt an:
»Ich für meinen Teil bin schon gespannt, was die Band sich noch alles traut.«
So endete meine Review zu dem Album Mule On Easy Street. Bei der nun vorliegenden Platte "Mighty High" wissen wir es. Reggae, in so genannten Dub-Versionen, bei denen bekannte Songs überarbeitet, verfremdet und neu aufgenommen werden, um ihnen einen eigenen, neuen Stil zu verpassen. 13 Stücke haben Gov't Mule so bearbeitet und auf das neue Album gepackt. Behilflich waren Gastmusiker wie Michael Franti oder Willi Williams, die im Reggae sicher keine Unbekannten sein dürften.
Die Scheibe startet mit "I'm A Ram" von Al Green im Original. Die Version rockt, zumindest bei den Soli, noch ordentlich, auch wenn sie stark am Reggae orientiert ist. "Unring The Bell" ist der nächste Track, der hier "Rebel With The Cause" heißt und ordentlich 'gedubt' wurde. Unterstützung fand die Band bei Willi Williams, der Warren Haynes gesanglich aushalf. Ein weiterer Bekannter auf dieser Platte ist "Horseflies", der auf "High & Mighty" "Like Flies" heißt. Danny Louis, der ansonsten für die Keyboards zuständig ist, bläst hier auch mal die Trompete. Irgendwie wirkt dieser Song teilweise recht psychedelisch, ohne die Reggaerhythmen aus den Ohren zu verlieren. Kein einfacher Tobak.
Ein weiteres, sehr interessantes Cover auf diesem Album ist "Play With Fire", im Original von den Rolling Stones. Das Stück wurde so umgefrickelt, das man es nur mit Mühe erkennt. Als Gast hören wir Michael Franti, der diesen Song mit seiner Stimme veredelt. Etwas eingängiger wird es bei "Hard To Handle". Tolle Reggaerhythmen, die schon fast zum Tanzen einladen. Auch hier haben sich Gov't Mule einen Gast ins Boot geholt: Toots Hibbert.
"Hard To Dubya" ist ein Mix aus "Unring The Bell" und etwas düsterem Reggae, meist instrumental und für mich eines der Stücke, mit denen ich am schwierigsten zurecht komme. Das ist mir dann doch zu abgedreht.
Und so geht es Song für Song weiter. Versionen, die unter neuem Titel mal mehr und mal weniger umgearbeitet wurden, um dem Konzept des Albums gerecht zu werden. Einige Stücke sind dabei recht eingängig geworden, andere wiederum absolut schwierig nachzuvollziehen, was sich allerdings nach mehreren Durchläufen im Player ändern kann, wenn man nicht versucht, die Platte nur nebenbei zu hören.
Alles in allem wird dieses Album wohl einen Keil in die Gov't Mule-Fangemeinde treiben. Ich befürchte sogar, dass mehr Leute das Album ablehnen werden als es zu lieben.
'Rastafari' Ulli sieht das Ganze wie folgt:
Ich könnte mich kringeln, wenn ich mir vorstelle, wie die Gemeinde kopfschüttelnd vor der Anlage sitzt und der Blick ungläubig zwischen Lautsprechern und Booklet hin und her wandert.
Ja, Ihr Lieben, da läuft wirklich das, was auf dem Papier steht: Gov't Mule. Dass das in den panafrikanischen Nationalfarben gehaltene Cover irgendwie nach Jamaika aussieht, ist ja bereits ein mehr als dezenter Hinweis auf die Musik, denn rot, gelb und grün sind auch die Farben der Rastafari.
Ich gestehe aber gerne, dass jeder, der Gov't Mule nur von offiziellen Platten kennt, seine Probleme haben wird. Zwar haben High & Mighty und "Mule On Easy Street" bereits 'vorgewarnt', aber dass es so geballt kommt war nicht abzusehen. Dabei sind auf Mule-Shows schon immer Reggae-Ausbrüche vorgekommen und wenn man, wie ich, diese Rhythmen mag, ist die Scheibe Ohrenschmaus und Bewegungsstimulator. Die Truppe um Warren Haynes ist auch äußerst clever vorgegangen und hat die eigenen Tracks so umbenannt, dass zwar leichte Namensparallelen erkennbar sind, aber nur, wenn man mit ihrem Gesamtwerk vertraut ist. Clever deshalb, weil wenn der Mule-Rocker A seinem Freund B sagt: »Hör dir mal "Like Flies" an« und der dann die Version von diesem Album erwischen würde, wäre die Freundschaft wohl dahin. So heißt das Teil hier "Horseflies" und eine Verwechslung ist ausgeschlossen.
Nun bin ich nicht der Reggae-Kenner, sondern liebe diesen Stil des Grooves wegen und sicher hat jeder anständige Rocksammlung-Besitzer auch den ein oder anderen Verteter dieser Gattung im Regal stehen. Eine weitere 'Liebe' ist die zu Blasinstrumenten wie Posaune und Trompete. Normalerweise mag ich das bei Funk und Jazz, aber auch einige Rockklassiker bedienen sich ja dieser Blasmachinen. Auf "Mighty High" gibt es Reggae plus eine angenehme Portion Blech. Vom Grundtenor her zwar anders, aber mir fallen spontan ein paar Miles Davis-Tunes ein, wenn Danny Louis und Pam Fleming die Mundstücke befeuern. Ab und an denke ich auch (schwach) an die Scheibe "Conjure: Music For The Texts Of Ishmael Reed".
Sicher, echten Rastas wird es vielleicht gehörig die Dreadlocks waschen, wenn sie diese Mule-Jams hören, denn trotz aller Offbeats und Toastings kracht schon mal die echte Haynes-Gitarre ins Geschehen - so als ob man versucht, den Rockern doch etwas Bekanntes zu bieten. Dubs mögen nicht jedermanns Sache sein und auch die Freestyle-Einlagen von Michael Franti sind ungwohnt, aber im Gesamtkontext passt das hervorragend. Freestyle Vocals und "Play With Fire" ... ich mag die Stones und den Track, den Franti gleich zu Beginn mit seinem Stimmbandausbruch veredelt. Dazu die schreiende Wah Wah-Gitarre zum rhytmusbestimmenden Bass und auch die Hammond zeigt, wie sie klingen muss. Keith, roll another one - das hier ist meine ultimative Version. Warren röhrt mit seinem gewaltigen Organ und die beiden Caswell-Damen sind ja so süß.
Weitere Coverversionen sind auf dem Album und alle sind gut interpretiert und ins Gefüge integriert. Zumindest bis auf "Hard To Handle". Kennt man den Song von Otis Redding, ist es ok. Aber wer auf die Black Crowes-Version abfährt, wird pikiert drein schauen. Toots' Stimme will nicht so recht passen. Auch die Bläsersection wirkt trotz leckerem Hall vielleicht etwas deplaziert. Meister Warrens gewaltiges vokales und instrumentale Vorgehen kann da nur ein wenig beruhigen. Aber das tut meinen positiven Gesamteindruck des Albums nicht trüben, zumal ich mich nach etlichen Hörduchgängen langsam an diese Version gewöhne und so bleibt der Daumen unverrückbar nach oben gerichtet.
Nach oben deshalb, weil ich Gov't Mule mag, weil ich Jams mag, weil ich Reggae mag, weil ich Blasen, ähm ... , weil Stücke wie "Hard To Dubya" (laut gehört) so geil sind und liebe Freunde, die ihr (nur) auf "Soulshine"-Mule steht: Mein aufgerichteter Daumen ist kein Stinkefinger, sondern ehrliches Verbeugen vor einer Band, die auf einengende 'Regeln' scheißt und "So Ram, So Rong" dermaßen heiß und Reggae-psychedelisch aus den Boxen drückt, dass ich fast Erscheinungen kriege.
Irre, wie in "Reblow Your Mind" der Bass die Spur zieht, wie das Keyboard monoton in diesen wabernden Psycho-Reggae hämmert und die Gitarre ihre Licks addiert. Das zieht mir die Schuhe aus. Macht 'nen Captain Morgan auf, setzt die Strickmütze auf und tanzt den Ragga. Irre Mischung!
»Sekt oder Selters« bzw. »Weder Fisch noch Fleisch« trifft auf diese CD nicht zu. Zu gutem Wein braucht es eine Karaffe Wasser und Fisch und Fleisch sind sich wohlgesonnene Nachbarn in der Menüreihenfolge und so macht sich "Mighty High" sowohl neben der edlen Collector's Edition "Live With A Little Help From Our Friends", als auch neben meinen wenigen Reggae-Scheiben, von denen ich jetzt eine auflege, um diese Rhythmen weiter zu genießen und zwar Inner Circle mit "Mary Mary": »Smokin' smokin' smokin' is good for your brain ...«.
Da der Rezensent, wie üblich, keine Garantie für Fehlkäufe übernimmt, sei es jedem Mule-Freund und auch anderen nahe gelegt, sich das Teil vor einem Kauf anzuhören. Für mich ist diese, von Gordie Johnson aus Studio- und Liveaufnahmen gemixte Platte ein ernstzunehmender Kandidat für das Album des Jahres 2007.
Line-up:
Warren Haynes (guitar, vocals)
Matt Abts (drums & percussion)
Danny Louis (keyboards, trumpet - #4,8, guitar - #3
Andy Hess (bass)
with:
Michael Franti (freestyle vocals -#5,9)
Willi Williamson (additional lead vocals -#2)
Toots Hibbert (additional lead vocals -#6)
Machan and Elaine Caswell (background vocals -#5,6)
Pam Fleming (trumpet -#5,6,7)
Jenny Hill (saxophone -#5,6,7)
Buford O'Sullivan (trombone -#5,6,7)
Gordie Johnson (rhythm guitar -#5,6,7)
Tracklist |
01:I'm A Ram
02:Rebel With A Cause
03:Horseflies
04:The Shape I'm In
05:Play With Fire
06:Hard To Handle
07:Hard To Dubya
08:Unblow Your Horn
09:Unthrow That Spear
10:So Ram, So Rong
11:Outta Shape
12:Reblow Your Mind
13:Plasticine Era
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