Zwei Grateful Dead-Alben bestehend aus vier CDs in einer Besprechung. Der Schreiber dieser Zeilen ist nicht faul geworden und packt der Einfachheit halber alles in eine Review; der Grund besteht darin, dass die beiden Scheiben einfach zusammengehören, weil die Musik darauf aus den gleichen Shows stammt. Und was
die Ur-Jamband den Heads damals servierte, soll und will der Redakteur nicht trennen.
Damals - das heißt 'Warfield Theatre' (San Francisco, 25.09.1980 bis 14.10.1980) und 'Radio City Music Hall' (New York, 22.10.1980 bis 31.10.1980). In Deutschland tummelte sich zu dieser Zeit "Santa Maria" von Roland Kaiser in den Charts, international immerhin Blondie ("Call Me") oder auch Pink Floyd (Another Brick In The Wall). Ganz andere Kost gibt es da auf "Reckoning" zu hören. Die Dead eröffneten ihre oben erwähnten Shows mit einem Akustik-Set und aus diesen Sets stammt die Musik auf "Reckoning".
Auf der "Live Dead" gibt es dann Elektrisches.
Ursprünglich war "Reckoning" eine Doppel-LP und als das Material später auf CD gebannt wurde, ließ man, des Platzes wegen, "Oh, Babe It Ain't No Lie" einfach weg. Gottlob, die Nummer kam wieder dazu.
Gerade die akustischen Dead haben es mir schon immer angetan. Aus ihren beiden Referenzwerken "Workingman's Dead" und "American Beauty" gibt es allerdings nur zwei Tracks auf der offiziellen Scheibe des Doppelpacks: "Dire Wolf" als Opener und "Ripple" als Rausschmeißer. Folkige Traditionals sowie eigene Nummern, lassen einem nichts anderes übrig, als begeistert mitzusingen. Was für ein CD-Start, wenn man sofort mit dem "Please don't murder me" Mörder-Refrain beginnen kann. Oder "It Must Have Been The Roses". Und es hört nicht auf: Ein Klassiker reiht sich an den Nächsten.
Der Bill Browning-Standard "Dark Hollow" etwa:
So blow your whistle freight train
Take me far on down the track
I'm going away, I'm leaving today
I'm going but I ain't coming back"
Ein eigentlich trauriger Song, der es aber per Melodie und Rhythmus schafft, den Rezensenten immer wieder fröhlich zappelnd nach seinem Hopfenblütentee greifen zu lassen.
Wie Perlen reiht sich ein Kleinod an das nächste: das elegische "China Doll", "Been All Around This World", "Monkey And The Engineer", "Jack-A-Roe", mit diesem wahnsinnigen Drive, das flinke und gekonnte Gitarrenspiel von Jerry und Bob. Man hört gerade bei den akustischen Sachen, wo die Wurzeln der Band liegen.
Der "Deep Elem Blues" geht ganz weit zurück. 1962 spielte Garcia diesen Track zum ersten Mal. Für Freunde akustischer Gitarren ein Leckerbissen. Nichts, wenn man gerade trübe Gedanken haben sollte: "To Lay Me Down". Das ist für die Insel. Wie auch der "Bird Song", mit diesem etwas vertrackten Rhythmus und dem 'Gänsehaut-"La da da da"'.
Auf "Beyond Description (1973-1990)" sind "Reckoning" und "Dead Set" ebenfalls included. Auch mit den Bonus-Tracks und remastert, aber die HDCD-Version hat natürlich klanglich die Nase vorn. Jeder Saitenanschlag kommt mit einer enormen Präzision aus den Lautsprechern. Ach, es herrscht einfach überschwengliche Freude im Hause Heiser, ob dieser Rundlinge.
Auch das Bonusmaterial ist mehr als gelungen. Zum Teil sind es alternative Aufnahmen der Shows, eine herrliche Version von "To Lay Me Down" (Studio-Probe), Live-Material, welches auf der 'offiziellen' CD keinen Platz fand und Live-Tracks aus Chicago vom 17. November 1978.
Die fünf Tracks aus den 80er Konzerten starten mit "Iko Iko", einer schunkelnden Party-Nummer. Gefolgt von dem jazzigen "Heaven Help The Fool" (was 'ne Bandbreite!) - "El Paso" ist Country pur. Das instrumentale "Sage & Spirit" schrieb Bob, als er seine beiden Töchter (Sage und Spirit) beim Herumtollen beobachtete und er ihren Bewegungen quasi ein musikalisches Gewand verpasste. Den Abschluss bildet das folkige "Little Sadie".
Schön zu hören, der leichte klangliche Qualitätsabfall bei den beiden letzten Songs ("Tom Dooley", "Deep Elem Blues") aus 1978.
Nun zur 'Strom-CD' "Dead Set".
Eröffnet wird mit "Samson and Delilah", gefolgt von einem schön relaxten "Friend Of The Devil" von "American Beauty". Flott und groovend dagegen der "New Minglewood Blues" und "Deal". Und dann kommt er: Der "Candy Man". Das war der Grund, mich vor vielen Jahren Grateful Dead zuzuwenden. Mein Einstieg sozusagen. An dieser Stelle eine absolute Kaufempfehlung für "American Beauty", denn neben anderen Highlights ist dieser Track dort auch vorhanden.
Es ist einfach unglaublich, wie diese balladeske Nummer von einem Höhepunkt zum andern steuert. Melodie, Refrain, Rhyhtmus, Spannungswendungen.... Genial!
Dem powervollen Willie Dixon-Blues "Little Red Rooster" schließt sich das relaxte "Loser" an. Eine melodische Songstruktur führt mit 'Handgelenk-Gitarre' zum Gipfel: dem "Candy Man" mindestens ebenbürtig.
"Passenger" rockt (im Gegensatz zu der Terrapin Station-Version, wie das berühmte 'Kotelett-Tier'.
Live auch um Welten besser als auf Go To Heaven, das funkige "Feel Like A Stranger". "Franklin's Tower" mit dem unaufhaltsamen, nach vorne treibenden Groove und dem schönen Mitsing-Refrain ist noch einmal eine leckere 'Abfeier-Nummer', bevor die als Rhythm Devils bekannten Bill Kreutzmann und Mickey Hart ihr gleichnamiges Schießbudenfest veranstalten, welches nahtlos übergeht in (Nomen est Omen) "Space".
Typisch, das 'Befreien' aus "Space" mit "Fire On The Mountain". Alle Attribute, die ich "Franklin's Tower" zugesprochen haben, passen auch hier - mindestens, denn "Fire On The Mountain" ist eine der Dead-Nummern überhaupt. Rock 'n' Roll 'n' Jam hören wir in Form von "Greatest Story Ever Told".
Oft als Zugabe gespielt, das mehr als traurige "Brokedown Palace", welches sich (natürlich) auch auf "American Beauty" findet.
Oh Mann, was für ein Track, was für Lyrics zu Harmonien, die den Text fast schon schmerzhaft verstärken. Wehe denjenigen, die "Brokedown Palace" hören 'müssen', wenn es einmal 'so weit ist':
...
Going home, going home
By the waterside I will rest my bones
Listen to the river sing sweet songs
To rock my soul
...
Fare you well, fare you well
I love you more than words can tell
Listen to the river sing sweet songs
To rock my soul
Die Bonusstücke haben zum Teil deutlich längere Spielzeiten, als CD 1. Ist aber auch gar nicht so easy, Livetracks dieser Band auf nur einem Silberling zu präsentieren.
Eine Perle ist der 28-minütige Block "Sugaree", "C.C. Rider" und "Row Jimmy". Abdriften und genießen ist angesagt. "High Time" sowie "Jack Straw" taugen ebenfalls zum Aufreihen auf die musikalische Perlenkette. Live klappt es auch mit "Shakedown Street". Zumindest im Vergleich mit der Studio-Version vom gleichnamigen Album. Aber auch live ist das eher weniger meine Musik.
Gut dagegen kommt der Rausschmeißer "Not Fade Away ".
"Reckonig" und "Dead Set" sind ein starkes Doppelpack. Man 'muss' beide Alben haben, denn es macht wenig Sinn, sich nur für eins davon zu entscheiden. Wie von 'Rhino' gewohnt, sind die Liner-Notes (Gary Lambert und Steve Silberman) von der informativen Art.
Songs, Aufmachung und Klang lassen nur einen Schluss zu: Kaufen!
Line-up:
Jerry Garcia (g,v)
Bob Weir (g,v)
Brent Mydland (key, v)
Phil Lesh (b)
Bill Kreutzmann (d)
Mickey Hart (d)
Spielzeit Reckoning: 77:04 (CD 1), 79:54 (CD 2), Medium: Do-CD, Rhino, 2006 (1981, 2004)
Spielzeit Dead Set: 77:31 (CD 1), 76:43 (CD 2), Medium: Do-CD, Rhino, 2006 (1981)
Reckoning
CD 1:
1:Dire Wolf 2:The Race Is On 3:Oh, Babe It Ain't No Lie 4:It Must Have Been The Roses 5:Dark Hollow 6:China Doll 7:Been All Around This World 8:Monkey And The Engineer 9:Jack-A-Roe 10:Deep Elem Blues 11:Cassidy 12:To Lay Me Down 13:Rosa Lee McFall 14:On The Road Again 15:Bird Song 16:Ripple
CD 2 - Bonustracks:
1:To Lay Me Down (Studio rehearsal, 9/14/80) 2:Iko Iko (Live, 10/7/80) 3:Heaven Help The Fool (Live, 10/25/80) 4:El Paso (Live, 10/13/80) 5:Sage & Spirit (Live, 10/31/80) 6:Little Sadie (Live, 10/31/80) 7:It Must Have Been The Roses (Alt. live version, 10/23/80) 8:Dark Hollow (Alt. live version, 10/23/80) 9:Jack-A-Roe (Alt. live version, 10/23/80) 10:Cassidy (Alt live version, 10/23/80) 11:China Doll (Alt. live version, 10/23/80) 12:Monkey And The Engineer (Alt. live version, 10/23/80) 13:Oh Babe It Ain't No Lie (Alt. live version, 10/23/80) 14:Ripple (Alt live version, 10/23/80) 15:Tom Dooley (Live, Chicago, 11/17/78) 16:Deep Elem Blues (Live, Chicago, 11/17/78)
Dead Set
CD 1
1:Samson and Delilah 2:Friend Of The Devil 3:New Minglewood Blues 4:Deal 5:Candyman 6:Little Red Rooster 7:Loser 8:Passenger 9:Feel Like A Stranger 10:Franklin's Tower 11:Rhythm Devils 12:Space 13:Fire On The Mountain 14:Greatest Story Ever Told 15:Brokedown Palace
CD 2 - Bonustracks:
1:Let It Grow (Live, 10/26/80) 2:Sugaree (Live, 10/26/80) 3:C.C. Rider (Live, 10/13/80) 4:Row Jimmy (Live, 10/13/80) 5:Lazy Lightnin' (10/13/80) 6:Supplication (Live, 10/13/80) 7:High Time (Live, 10/10/80) 8:Jack Straw (Live, 10/10/80) 9:Shakedown Street (Live, 10/7/80) 10:Not Fade Away (Live, 10/4/80)
Ulli Heiser, 31.05.2006
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