Wir schreiben Donnerstag, den 30. Juli 2009: Im norddeutschen Wacken feiert das weltweit größte Metal-Festival seinen 20. Geburtstag. Auch der Schreiber dieser Zeilen ist (ausnahmsweise) angereist, um sich eigentlich die letzte Show seiner absoluten Helden
Running Wild anzusehen. Nach dem Fiasko der grausamen Show und einem völlig überfüllten Platz vor der Bühne beschließt er zutiefst enttäuscht und fast schon hasserfüllt, dem Festivalgelände erst einmal die kalte Schulter zu zeigen, um sich ein paar hopfenhaltige Beruhigungstropfen auf dem Zeltplatz einzuflößen. Etwa 30-35 Minuten vergehen, bis man sich einigermaßen beruhigt hat, doch da fällt einem ja klugerweise ein, dass
Heaven & Hell seit etwa 10 Minuten auf der Bühne stehen müssten.
Also im Sprint zurück in Richtung Festivalgelände, wo sie bereits beim dritten Song "I" angelangt waren. Man platzierte sich (aus Trotz?!) ganz weit hinten und versuchte, den Tag noch zu retten. Es gelang zwar nicht mehr komplett, aber dennoch zauberten mir Songs wie "Falling Off The Edge Of The World", "Die Young" oder das unsterblich schöne "Heaven & Hell" (inklusive ausufernden Mitklatschparts und Soli), bei dessen Anfangsriff einfach jeder Metalhead eine Gänsehaut der intensivsten Sorte bekommen muss, wenigstens ein kleines Lächeln des Trostes und der Versöhnlichkeit auf die Lippen. Was mir damals allerdings noch nicht bewusst war: Es sollte das letzte (zum Glück nicht das erste) Mal sein, bei dem ich
Ronnie James Dio auf der Bühne lebendig mit eigenen Augen sehe, denn dieser Gig war der letzte jemals in Deutschland gespielte und überhaupt aufgezeichnete unseres Metal-Gottes - 9 ½ Monate später
verließ er uns für immer und ewig!
Nun erscheint mit "Neon Knights - Live At Wacken" über das von Witwe
Wendy Dio gegründete Label Niji Productions in Zusammenarbeit mit Eagle Vision eine Live-DVD des besagten Auftritts, übrigens auch als normale Audio-CD erhältlich. Es wird dem Fan der Schwermetall-Erschaffer hier noch einmal mit einer abwechslungsreichen, aber nicht zu hektischen Bildführung, einem fetten, differenzierten Sound und einer tollen Setlist, die das komplette Schaffenswerk von "Heaven & Hell" und "Mob Rules" über
Dehumanzier bis hin zum zuletzt veröffentlichten Album
The Devil You Know bedient, Saustarkes geboten. Und das zeigt, was uns im Mai 2010 für immer genommen wurde. Der selbst hier noch stimmlich außerordentlich gut, nahezu perfekt aufgelegte
Dio wirkt in jeder Sekunde des 90-Minuten-Auftritts quicklebendig und offenbar bestens gelaunt, kommuniziert in seiner gewohnt bodenständigen Art mit Publikum und Kameramann und erfreut sich an den vielen Besuchern (ich tippe mal auf 60.000-80.000 Schaulustige vor der Bühne), die vor Ort anwesend sind. Nichts, wirklich aber auch absolut nichts, ließ zu diesem Zeitpunkt darauf hindeuten, dass es bald vorbei sein würde.
Doch auch
Tony Iommi zeigte an diesem Abend den ganzen pickeligen, 15/16-jährigen Klampfenvergewaltigern, wie man eine Gitarre gekonnt und mit Gespür für pure Magie bedient,
Geezer Butler ist nach wie vor immer noch einer der besten, natürlich klingendsten Bassisten und
Vinnie Appice nach wie vor ein dermaßen begnadeter Drummer (schaut euch nur das Drum-Solo an!).
Als Bonus gibt es ausgiebige Interviews (inklusive Untertitel in mehreren Sprachen) mit allen vier Mitgliedern zum 30-jährigen Jubiläum von "Heaven & Hell" und eine kleine Ecke, in der die drei verbliebenen Bandmember einige persönliche Erinnerungen an ihren langjährigen Freund und Weggefährten erzählen (auch hier gibt es Untertitel).
Grundsätzliches Fazit: Hier gilt natürlich für jeden Wertschätzer des britisch/amerikanischen Originals bedingungslose Kaufpflicht und somit sind
8 von 10 RockTimes-Uhren für dieses Werk vollkommen gerechtfertigt! Aber Achtung: Tränen der Trauer über den Verlust unseres Idols beim Anschauen der DVD nicht ausgeschlossen!