Ian Hunter / The Artful Dodger
The Artful Dodger Spielzeit: 61:21
Medium: CD
Label: MIG-Music, 2014 (1996)
Stil: Rock

Review vom 16.07.2014


Markus Kerren
Der ehemalige (bzw. sporadisch immer noch) Mott The Hoople-Sänger und -Musiker Ian Hunter hatte von etwa 1969 bis in die frühen achtziger Jahre voll durchgepowert. Zunächst mit der oben genannten Band und ab 1975 solo kam fast jedes Jahr ein neues Album auf den Markt. Erst nach dem 1983 erschienenen "All The Good Ones Are Taken" legte er eine längere Pause ein. 1989 erschien dann das sehr gute Album "Yui Orta!" der Hunter/Ronson Band (mit seinem kongenialen Partner Mick Ronson, (Ex-David Bowie), das vollkommen zu Unrecht floppte. Total abgetörnt von diesem Misserfolg (und nervigen Querelen mit seinem damaligen Label) zog sich der Protagonist nach Norwegen zurück und es war erst mal wieder Sendepause.
Der nächste schwere Schlag kam 1993, als Mick Ronson (der nicht nur Musik-Partner, sondern auch einer von Hunters engsten Freunden war) an Krebs verstarb. Ein schwerer Schlag, der aber auch den Antrieb auslöste, weiter zu machen, wieder los zu legen und wenn es nur für die Trauerbewältigung positive Auswirkungen hatte. 1995 kam (allerdings nicht in allen europäischen Ländern) das rüde Rock-Album "Dirty Laundry" auf den Markt, gefolgt von dem hier zu besprechenden "The Artful Dodger". Um einiges ruhiger als sein Vorgänger war es ausgefallen, selbst wenn der Engländer mit dem Cockney-Akzent immer noch genug Zeit zum Abgehen findet.
Eher uncharakteristisch beginnt die Scheibe mit dem balladenmäßigen und in einigen Facetten deutlich an Bob Dylan erinnernden "Too Much". Und wenn wir schon bei den Referenzen sind, muss auch erwähnt werden, dass mir bei dem rockenden "Something To Believe In" immer wieder der Boss vor dem geistigen Auge rumschwirrt. Wobei sich hier wieder mal die uralte und ewige Frage stellt, wer zuerst da war: Die Henne oder das Ei? Sowohl "Walk On Water" als auch "23A, Swan Hill" benötigen ein paar Durchläufe, bevor sie einen so richtig packen und überzeugen, sich dann aber als Dauerbrenner erweisen.
Irritiert war ich anfangs von "Skeletons (In Your Closet)", dessen Refrain ich zunächst irrtümlich als Kinderlied oder bestenfalls Pub-Mitgröhl-Nummer zu später Stunde einstufte. Aber auch dieser Track entwickelt sich als echte Perle, die einem einfach nicht mehr aus dem Ohr will und darüber hinaus über einen sehr witzigen Refrain verfügt. Die überragenden Songs dieser Scheibe sind "Resurrection Mary" und der Titelsong, bei denen Ian Hunter nochmal all das ausspielt, was die Qualitäten seines Songwritings immer schon ausgemacht hat. "Still The Same" beschließt das Album schließlich als sehr starke Ballade, die vielleicht nicht an vergangene Großtaten wie "Irene Wilde" oder "Ships" ran kommt, aber immer noch wunderschön ist.
Ja, die Hunter-Balladen... Bei Track Nr. 7 stellten sich bei mir umgehend die Nackenhärchen hoch, sobald ich die ersten Zeilen vernommen hatte:
»Once upon a time, not so long ago
people used to stand and stare
at the spider with the platinum hair...«
Mit "Michael Picasso" nimmt Ian Hunter auf ergreifende Weise Abschied von Mick Ronson und man kann deutlich hören, dass er beim Einsingen dieses Stücks nochmal durch sämtliche Gefühlsbäder ging. Und mir läuft selbst nach dem zwanzigsten Anhören dieses Titels immer noch eine Gänsehaut über den gesamten Körper. Auf dieser Wiederauflage des Albums bekommen wir als Bonus zusätzlich die Single-B-Seite "All F%&k Up" obendrauf. Übrigens ebenfalls ein sehr geiler Song, bei dem man nur spekulieren kann, warum er nicht auf dem Album gelandet ist. Vielleicht wegen seinem Titel? Vollkommen müßig, denn hier ist die Nummer ja nun enthalten.
Die folgende Feststellung mag zwar abgedroschen klingen, aber Ian Hunter ist jemand, auf den man sich immer verlassen konnte und kann. Selbst wenn es auch in seinem langen Schaffen mal ein paar wenige Alben gab, die den gesetzten Standard nicht ganz halten konnten, so hatten auch diese immer noch ein paar Killersongs und sehr gute Momente zu bieten. Im Gesamtkatalog des notorischen Sonnenbrillenträgers würde ich "The Artful Dodger" im oberen Mittelfeld einordnen. Wie immer (bzw. allermeistens) jede Menge starke Songs, dekoriert mit ein paar richtigen Ausbrechern nach oben.
Prädikat 'Sehr lohnenswert'!
Line-up:
Ian Hunter (acoustic guitars, harp, percussion, lead & background vocals)
Darrel Bath (acoustic & electric guitars, background vocals)
Robbie Alter (acoustic & electric guitars)
Torstein Flakne (guitars)
Frode Alnaes (guitars)
Kjertil Bjerkestrand (keyboards)
Sven Lindvall (bass)
Pat Kilbride (bass - #3,6, acoustic bass - #10)
Per Lindvall (drums)
Dennis Elliot (drums - #3,6)
Honest John Plain (background vocals - #5,6,9,10)
Mariann Lisland (background vocals - #1,4)
Per Oistein Sörensen (background vocals - #1,4)
Tracklist
01:Too Much
02:Now Is The Time
03:Something To Believe In
04:Resurrection Mary
05:Walk On Water
06:23A, Swan Hill
07:Michael Picasso
08:Open My Eyes
09:The Artful Dodger
10:Skeletons (In Your Closet)
11:Still TheSame
12:All F%&k Up (Bonus Track, Single B-Side)
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