Der Engländer Ken Hensley hat Musik-Geschichte geschrieben! Vielleicht weniger mit seinen Soloalben oder den Jahren als Mitglied bei Blackfoot, dafür aber umso imposanter in den knapp elf Jahren mit der Band Uriah Heep. Dort war er Keyboarder, Gitarrist und Hauptsongwriter und trug somit wesentlich zu den größten Erfolgen der Band bei. Über das Album mit der Vertonung seiner Geschichte in Songform haben wir in RockTimes bereits berichtet und auch der Meister selbst erklärte sich dazu bereits in unserem Interview.
Nun liegt mir das Werk auch in Buchform vor. Es handelt sich bei "Blood On The Highway" jedoch nicht um eine Autobiografie im herkömmlichen Sinne, bei der chronologisch durch die Jahre spaziert wird. Vielmehr springt Hensley locker und leicht von der Gegenwart zu seiner Kindheit, dann mitten rein in die siebziger Jahre, macht einen Schlenker in die Achtziger und Neunziger, bevor er auf dem Weg zurück nochmal bei Uriah Heep haltmacht, bis er schließlich wieder bei seiner Kindheit und Jugendzeit landet. Das Ergebnis dieser Stilistik ist ein sehr geschmeidiger Lesefluss, der niemals auch nur den Hauch von Langeweile aufkommen lässt.
Es ist die Geschichte eines Mannes, der sehr arm und mit dem ständigen Verlangen nach 'mehr' aufgewachsen war, am stärksten geprägt und besessen von seiner Liebe zur Musik und seinen allgegenwärtigen Träumen. Gegen Ende des Jahres 1969 landet er schließlich bei der Band Spice, die kurz vor der Einspielung ihres ersten Albums stehen und die sich noch vor dessen Veröffentlichung in Uriah Heep umbenennen sollten. Der Rest ist Geschichte! Zumindest bis zum Jahr 1980, als Hensley aus der Band aussteigt, danach mehr schlecht als recht beschäftigt ist und lange, lange Jahre damit klarzukommen versucht, dass es nicht zwangsläufig mit seiner Karriere, aber definitiv mit seinem Leben als Superstar vorbei ist. Anfang der Neunziger besiegt er schließlich seine Kokain-Sucht und findet zum christlichen Glauben.
Der Untertitel zu diesem Buch heißt "The Ken Hensley Story", weswegen man nicht in den Glauben verfallen sollte, hier die umfassende Insider-Geschichte von Uriah Heep erzählt zu bekommen. Natürlich spielt die Band eine große Rolle in diesem Buch, aber Hensley bezieht sich doch immer auf seine persönliche Situation. Man erfährt bereits ziemlich früh, dass Uriah Heep von Beginn an am ehesten eine Interessensgemeinschaft war, definitiv waren die Mitglieder aber keine Freunde. Denoch überrascht es, wie wenig er (von einigen Ausnahmen abgesehen) über seine Mitstreiter schreibt. Ein Beispiel dafür ist, dass etwa der Name Mick Box nur vielleicht drei oder vier Mal erwähnt wird.
Eine große Freundschaft gab es also wohl tatsächlich nicht. Sehr zugute muss man Hensley aber halten, dass er es grundsätzlich vermeidet, eine Schlammschlacht zu eröffnen, nachzukarten oder generell schmutzige Wäsche bezüglich seiner ehemaligen Kollegen zu waschen. Er geht vielmehr mit sich selbst sehr hart ins Gericht, erzählt von seinen eigenen Fehlern (z.B. der Rauswurf von David Byron) und aus welchem Grund sie gemacht wurden. Wir erfahren auch, dass ihm bereits in den Siebzigern bewusst war, dass Uriah Heep nach dem Ausscheiden (bzw. den Rauswürfen) von Gary Thain und David Byron musikalisch und konzeptionell einfach nicht mehr die Band war, die zum Anfang des Jahrzehnts Berge versetzen konnte.
Wir lesen einiges über sein 'dunkles' Jahrzehnt (die Achtziger) und seine langsame, aber stetige mentale und körperliche Genesung in den Neunzigern. Für den Fall, dass sich das jetzt etwas düster anhören sollte: Ist es nicht. Überhaupt nicht! Das gesamte Buch ist klasse geschrieben und Ken Hensley verfügt über einen köstlichen (typisch englischen) Humor, was zur Folge hatte, dass ich mir des Öfteren einen lauten Lacher nicht verkneifen konnte.
"Blood On The Highway" ist ein sehr interessantes Buch, das ich sowohl Heep- und Hensley-Fans, wie auch dem allgemein an der Rockmusik aller Dekaden Interessierten empfehlen kann. Dicker Tipp für alle, die der englischen Sprache einigermaßen mächtig sind! Für alle anderen bleibt im Moment nur die Hoffnung, dass baldmöglichst auch die deutsche Übersetzung auf den Markt gebracht wird.
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