Mit dem viel zu frühen Tod von Rick Danko am 10. Dezember 1999 war The Band endgültig Geschichte. Aber es kam noch schlimmer, wurde von den Ärzten nämlich Kehlkopf-Krebs bei Levon Helm festgestellt. Nach langer Behandlung und vielen schwarzen Stunden kam unser Protagonist jedoch tatsächlich wieder auf die Beine, besiegte den Krebs und legte im Herbst 2007 mit dem Grammy-Gewinner "Dirt Farmer" ein neues Album vor. Levon ging hier zurück zu seinen Wurzeln, seiner Kindheit und veröffentlichte eine lupenreine Bluegrass-Scheibe.
Ende Juni dieses Jahres erschien nun der Nachfolger, "Electric Dirt". Im Prinzip eine logische Weiterführung, inklusive der gleichen Band und des gleichen Produzenten (Larry Campbell) des Vorgänger-Albums, nur halt nicht mehr rein akustisch gehalten, sondern mit elektrischen Instrumenten und Bläsern versehen. Levon ist aller bestens bei Stimme und es ist fast nicht zu glauben, dass es mal eine Zeit gab, in der statt diesen Gänsehaut fabrizierenden Melodien und kraftvollen Refrains nur heiße Luft aus Levons Mund kam. Aber das gehört zum Glück der Vergangenheit an und wir dürfen uns über ein weiteres Album des Mannes aus Arkansas freuen.
Selbst (co-) komponiert hat Levon hier zwar nur einen einzigen Track ("Growin' Trade"), aber dafür hat er eine vorzügliche Song-Auswahl getroffen, die keine Wünsche offen lässt. Die Grateful Dead-Nummer "Tennessee Jed" (wie so viele geschrieben von Jerry Garcia/ Robert Hunter) macht den Auftakt dieser dreiviertel Stunde reinen Hörvergnügens. Helms unverwechselbares und grooviges Drumming wird erstklassig von Larry Campbell, Byron Issacs und den weiteren Musikern unterstützt, während einen die Vocals sogar in selige The Band-Tage zurückversetzen. Auch Bläser sind hier am Start, die den Track optimal und unaufdringlich unterstützen.
Aufgenommen wurde übrigens in den eigenen, der Name sagt es bereits, Levon Helm-Studios, einer bestens als Aufnahme-Studio eingerichteten Scheune, die direkt neben Levons Wohnsitz steht und in der auch Black Crowes ihr neues, im September erscheinendes Album "Before The Frost…" aufgenommen haben.
"Move Along Train" kommt bluesig/soulig, schleppend und bereits hier hat dieses Album den Hörer fest um den Finger gewickelt. Großartige Background Vocals von Teresa Williams und ( Levons Tochter) Amy Helm toppen "Growin' Trade" und "Golden Bird" (von Happy Traum, dem Bruder von Artie Traum), die den Vorgänger-Songs in nichts nachstehen, sondern ganz einfach nur weitere Mosaik-Steinchen zu diesem großartigen Kunstwerk addieren. Das Feeling, das Levon Helm (der sich selbst eigentlich nie als sonderlich guten Sänger sah) bei "Golden Bird" an den Tag legt, ist nicht von dieser Welt.
Sind die Songs "Tennessee Jed" und "Growin' Trade" schon zum Niederknien, dann zieht es mir bei eben diesem "Golden Bird" geradezu die Schuhe aus vor Begeisterung und Gänsehaut. Was Levon hier im Alter von fast 70 Jahren gesanglich abliefert, ist (mal ganz davon abgesehen, das es so überhaupt nicht in seiner 'normalen' Tonlage ist) der absolute Überhammer!!
Der erste von zwei Muddy Waters-Titeln dieser Scheibe ist "Stuff You Gotta Watch", der zuvor bereits auf dem The Band-Reunion-Album Jericho (1993) geehrt wurde. Und wenn wir gerade dabei sind: Waters-Track Nummer zwei ist "You Can't Lose What You Ain't Never Had", das auch The Allman Brothers Band bereits auf ihrem Album "Win, Lose Or Draw" (1975) hatte. Sehr sparsam nur mit Drums, Bass und einer Gitarre gebracht, besticht das Teil durch seinen angenehm warmen Sound und die grandiose wie gefühlvolle Umsetzung.
Mit "Kingfish" wurde einmal mehr ein Stück mit ganz eigenem Charakter ausgewählt. Komponist und Vater der Nummer ist Randy Newman, der hier jedoch vollkommen 'Americana-siert' wird. Levon liebt neben seinen Drums und dem Gesang weiterhin die Mandoline und liefert auch hier feinste Beiträge ab. Zu meiner großen Freude werde ich Ende August die Möglichkeit haben, die Levon Helm Band im Vorprogramm eines Konzertes der Black Crowes sehen zu dürfen. Keine Frage, dass ich über diesen Event dann auch hier in RockTimes berichten werde.
Auf diesem Album ist eigentlich jeder einzelne Song ein Volltreffer, wobei ich aber außer den bereits erwähnten Titeln gerne noch "White Dove" und "When I Go Away" herausheben möchte, da sie einfach durch ihr eindringliches Feeling nochmal aus der Masse der hier vertretenen, vorzüglichen Song-Kollektion herausstechen. Außerdem werde ich wahrscheinlich bald schriftlich festhalten lassen, dass zu meiner (hoffentlich noch weit in der Zukunft liegenden) Beerdigung "When I Go Away" laufen soll. »…when I'm going home…no more troubles…when I'm going home…no more trouuubles…«.
Levon Helm bietet uns auf seinem neuen Album allerfeinste Americana-Kost, die sich die Freunde dieser Mucke, alte und neue The Band-Fans und auch der ganz allgemeine Musik-Liebhaber nicht entgehen lassen sollte. Hier wird nicht nur Qualitäts-Arbeit abgeliefert, sondern auch das Herz und die Seele erwärmt. Das beste The Band-Album, das jemals ohne Richard Manuel, Robbie Robertson, Rick Danko und Garth Hudson aufgenommen wurde. "Electric Dirt" ist neben Steve Earles Townes schon jetzt ein ganz heißer Anwärter auf mein persönliches 'Album des Jahres 2009'!!
Line-up:
Levon Helm (lead vocals, drums, mandolin)
Byron Isaacs (bass, background vocals - #5)
Teresa Williams (harmony vocals)
Larry Campbell (electric & acoustic guitars, mandolin, fiddle, dulcimer, harmony vocals)
Amy Helm (harmony vocals)
Brian Mitchell (piano, organ, harmonium, accordion)
Jimmy Vivino (organ, electric guitar)
Steven Bernstein (alto horn, trumpet)
Jay Collins (tenor saxophone)
Clark Gayton (trombone)
Howard Johnson (tuba)
Erik Lawrence (soprano saxophone)
George Receli (background vocals)
Catherine Russell (guest vocal - #11)
Tracklist |
01:Tennessee Jed
02:Move Along Train
03:Growin' Trade
04:Golden Bird
05:Stuff You Gotta Watch
06:White Dove
07:Kingfish
08:You Can't Lose What You Ain't Never Had
09:When I Go Away
10:Heaven's Pearls
11:I Wish I Knew How It Would Feel To Be Free
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Externe Links:
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