Es gibt wohl weltweit keine zweite Gruppe im Bereich Rockmusik, bei deren Namensnennung im gleichen Atemzug auch der Titel ihres bekanntesten Songs genannt wird. Die Rede ist natürlich von der im Jahr 1966 gegründeten Psychedelic Rock-Band Iron Butterfly und ihrem Überflieger "In-A-Gadda-Da-Vida". Dieses in der Studioversion siebzehn Minuten lange Stück, das im Jahr 1968 auf dem zweiten Album der Band veröffentlicht wurde, schlug wie eine Bombe unter den Fans ein und entwickelte sich zu einem der größten Diskotheken-Renner rund um den Globus.
Dieser kurzfristige Erfolg hievte die vier Musiker aus San Diego nach ganz oben in der Rockmusik-Liga und brachte ihnen sogar eine Einladung zum legendären Woodstock-Festival ein. Man befand sich direkt auf dem Weg nach ganz oben, doch dann verpassten die Musiker ihren Flieger in Richtung Bethel, und die große Chance beim wichtigsten Open Air der Geschichte aufzutreten, war vertan.
So viel zur turbulenten Frühgeschichte des 'Eisernen Schmetterlings'. Wie man sich vorstellen kann, war ein solcher Erfolg nicht noch einmal zu wiederholen. Immerhin spielte die Band bis 1975 sieben weitere Alben ein, die aber allesamt, mit Ausnahme der Live-Scheibe aus dem Jahr 1971, relativ unbeachtet in den Regalen der Händler stehen blieben und die Gruppe brach auseinander.
Erst im Jahr 1992 reformierte sich Iron Butterfly und tingelte immer wieder durch die amerikanischen Clubs, ohne jedoch erwähnenswerte Erfolge zu erzielen. Als dann der Gitarrist Eric Brann am 25. Juli 2003 an einem Herzinfarkt verstarb, schien das endgültige Ende der Gruppe besiegelt, doch nur ein Jahr später hatten Lee Dorman und Ron Bushy in Charlie Marinkovich einen adäquaten Ersatz gefunden und ließen sich nun auch wieder in der alten Welt blicken. War am Anfang noch Larry Rust an den Keyboards zu hören (u. a. beim Heroes Of Woodstock-Festival in Braunschweig), so ist inzwischen Martin Gerschwitz mit dabei, der vorher mit Eric Burdon und seinen Animals zusammenspielte.
Mit diesem Line-up machte sich Iron Butterfly nun auf ihre Europa-Tournee 2010. Das dachte ich jedenfalls an diesem Dienstagabend in der Bluesgarage, die überraschend gut besucht war. Mit mir tummelten sich schätzungsweise 250 Zuhörer vor der Bühne, wobei diesmal deutlich ältere (?) Leute das Bild bestimmten. Aus zahlreichen Wortfetzen war herauszuhören, dass viele Besucher fast nur den 'einen Superhit' der Band kannten, und auch unsere weibliche Verstärkung im RockTimes-Team (der Abend hat mir sehr viel Spaß gemacht, Sigrid. Das können wir gerne wiederholen!) war ganz wild auf "In-A-Gadda-Da-Vida". Unglaublich, was ein Song, der fast drei Jahre in den Charts platziert war (davon 81 Wochen unter den Top Ten) auch nach über vierzig Jahren immer noch für eine Anziehungskraft ausübt.
Kurz nach 20.00 Uhr betrat Iron Butterfly die Bühne und eröffnete den Gig mit einem Instrumentalstück, bei dem der typische schwere Keyboardsound gleich mal zeigte, wohin die musikalische Reise diesmal gehen sollte. Lee Dorman, der übrigens nicht besonders gut zu Fuß war und teilweise auf einem Barhocker sitzend spielte, streute seine Bass-Licks ein, während Charlie Marinkovich die ersten Gitarrenakkorde zum Einspielen nutzte.
Die ersten Songs hatten den erwarteten fetten Klang, den man von Iron Butterfly gewohnt war, Gerschwitz konnte mit seinen Leadvocals durchaus überzeugen und war ein gleichwertiger Ersatz für den Original-Keyboarder Doug Ingle. Alles sah gut aus, doch dann der Schock. Bei der relativ frühen Bandvorstellung musste ich zur Kenntnis nehmen, dass Ur- Butterfly Ron Bushy überraschend ins Krankenhaus gebracht worden war. An der Schießbude saß dafür der langjährige Wishbone Ash-Drummer Ray Weston. Konnte das gut gehen? Immerhin ist das Schlagzeug-Solo einer der wichtigsten Parts von "In-A-Gadda-Da-Vida"!
Doch meine Sorgen erwiesen sich als unbegründet. Weston ist ja auch ein sehr guter Drummer und es fiel ihm anscheinend nicht schwer, sich perfekt ins Bandgefüge einzupassen. Trotzdem ist und bleibt es mir ein völliges Rätsel, wie schnell sich versierte Musiker auf solche Herausforderungen einstellen können, ohne dass das Zusammenspiel der Band hörbar gestört ist. Diesem Konzert konnte der Personalwechsel jedenfalls absolut nichts anhaben.
Die einzelnen Songs kamen routiniert aber auch druckvoll aus den Boxen, und bei etlichen Titeln wurde im Publikum festgestellt, dass es durchaus noch einige relativ bekannte Stücke von Iron Butterfly gibt...
Da ist natürlich "Easy Rider" zu nennen, das allein schon durch den Kultfilm mit Dennis Hopper und Peter Fonda bekannt wurde und mit seinem leicht zu merkenden Refrain und der kräftigen Gitarrenarbeit das Publikum zum ersten Mal in Wallung brachte.
Auch der zweite große Song von Iron Butterfly fand die Zustimmung des Publikums. "Butterfly Bleu" wurde nicht mehr ganz so vertrackt gespielt, wie noch vor vierzig Jahren (z. B. im Bremer Beat Club). Es fehlte die Voice-Box, sodass der ganze Titel irgendwie gradliniger rüber kam. Diese 12-Minuten Version war schon sehr stark gemacht.
"Are You Happy", diesmal als Zugabe gebracht, war ein gut gewählter Konzertausklang und machte den Zuhörern noch einmal ordentlich Beine. Auch hier gefiel mir die Gitarre von Marinkovich richtig gut, obwohl sie für meine Begriffe während des gesamten Konzertes ruhig noch etwas mehr Power vertragen konnte.
Doch das war dem Publikum zu diesem Zeitpunkt völlig egal, denn es hatte soeben die 2010-Version des 'Superhits' von Iron Butterfly hinter sich. Und wie! 28 Minuten lang, das Schlagzeugsolo im Mittelteil allein schon zehn Minuten. So weit die zeitlichen Fakten.
Auch vom musikalischen Ablauf war alles dabei. Das klassische Orgel-Vorspiel ging nach ca. fünf Minuten in die eigentliche Einleitung über, bei der sich sofort diese hypnotische Stimmung breit machte. Langsam setzte der pulsierende Bass ein, und als schließlich die gesamte Band einstieg, sah man nur noch verzückte Gesichter im Publikum.
Im Improvisationsteil holte Ray Weston alles aus sich heraus, hielt sich aber trotzdem ziemlich nah ans Original, vergaß also auch die ruhigen Teile nicht und konnte die fast magischen Klänge perfekt nachvollziehen, die schon immer den Charakter dieses Solos ausmachten, sodass das Fehlen von Ron Bushy (die RockTimes-Redaktion wünscht natürlich eine schnelle Genesung!) gar nicht weiter auffiel.
Als dann ganz leise die Orgel wieder einsetzte und den Schlussteil des Songs ankündigte, war die Spannung im Saal fast mit den Händen zu greifen. Sekundenlang herrschte eine ganz ungewohnte Stille. Nach und nach steigerte sich Gerschwitz' Keyboard-Sound und schließlich entlud sich ein letztes Mal das bekannte Inferno, das den Schlusspunkt des Songs bildete. "In-A-Gadda-Da-Vida" hatte mal wieder seine Magie auf ein Publikum übertragen.
Nach dem Ende dieses Soundgewitters musste erstmal so richtig durchgeatmet werden, bevor die Zuhörer eigentlich begriffen hatten, was da gerade vor ihnen abgegangen war. Soeben hatte man einen der größten Titel der Rockgeschichte live erlebt und war dabei weit in die guten alten Zeiten zurück versetzt worden. Die Veteranen des Psychedelic Rock hatten die Bluesgarage im Sturm erobert!
Line-up:
Charlie Marinkovich (guitar, vocals)
Martin Gerschwitz (keyboards, vocals)
Lee Dorman (bass, vocals)
Ray Weston (drums)
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