Mit Achim ist alles möglich. Wir können auch ne Klospülung aufnehmen oder Hamburger-Geräusche...
Mischa Mang
Als Musical-Darsteller ist Ivanhoe-Sänger Mischa Mang ständig auf Achse. Vor der letzten Vorstellung von "Der Ring" in Saarbrücken haben wir uns mit dem stimmgewaltigen und sympathisch-durchgeknallten Multitalent in der Kantine des Saarländischen Staatstheaters getroffen. Heraus kam ein Interview über Metal und Musical, über kreative Kleinkriege im Tonstudio, geprägt von krassen Abschweifungen und spontanen Schauspiel-Einlagen.

Fotos: ©Julia Becker



Interview vom 20.11.2008


Boris Theobald
RockTimes: Mischa, gestern Abend auf der Bühne, heute Abend schon wieder - also erstmal vielen Dank, dass du dir zwischendurch Zeit für das RockTimes-Interview nimmst!
Mischa Mang: Gern.
Mischa Mang RockTimes: Du bist Sänger bei Ivanhoe und Dreamscape und sozusagen hauptberuflich Musical-Darsteller - wie viele Klone und Doppelgänger braucht man denn, um das alles zu packen?
Mischa Mang: Also, man ist schon sehr viel unterwegs, und die Zeit mit Lifeline war extrem hart, weil ich das quasi parallel gemacht habe. Die Produktion von "Lifeline" hatte so viel Zeit in Anspruch genommen und hat sich auch immer länger gestreckt - die sollte ja eigentlich im April rauskommen. Aber da haben wir mit unserem Gitarristen Achim einen zu perfektionistischen Produzenten - was auch gut ist, weil's ja zu diesem Ergebnis führt. Aber der gibt nix raus, bevor es nicht... also der is halt... der is genial! Den kann man theoretisch nicht bezahlen. Der legt sich so rein, wenn man den nicht bremst, könnte der drei Monate an 'nem Hi-Hat-Becken rumschrauben. Es gibt ein paar First Takes, aber die sind sehr rar gesät! Dadurch, dass wir ne Studioband sind, entwickeln wir die Songs quasi während der Aufnahme im Studio. So, jetzt bin ich wieder abgedriftet... jedenfalls haben wir so lange gebraucht, dass am Ende die ganzen Sachen immer mehr parallel zueinander liefen: Ivanhoe, Dreamscape...
RockTimes: Tja, und Du verdienst Dein Geld ja eigentlich hauptsächlich mit Musical!
Mischa Mang: Ja genau, es gab Zeiten, da waren "Jekyll & Hyde" und "We Rock", eine aus dem Musical "Queen - We Will Rock You" entstandene Nachspiel-Band mit der kompletten Band-Besetzung aus dem Musical - ganz gut gebucht... alles gleichzeitig. Also zu der Zeit war ich wirklich durch, komplett durch! Immer wieder hin und "We Rock" gemacht, dann bin ich wieder zurückgeflogen. Und dann noch das Vanden Plas-Musical ChristO in München, alles zusammen! Und jetzt erfährst du hier eine Neuigkeit - ich bin nicht mehr bei Dreamscape, Du bist der erste, der's erfährt...
Mischa Mang RockTimes: Oh Schreck, was mach ich denn jetzt mit meinen Fragen zu Dreamscape? Warum bist du denn nicht mehr in der Band?
Mischa Mang: [lacht] Naja, wie gerade schon angedeutet - es war zu viel! Wir haben uns entschlossen, uns zu trennen - das hatte aber auch mit unterschiedlichen Vorstellungen zu tun, was die Musik angeht. Wir sind künstlerisch nicht mehr zusammengekommen.
RockTimes: Im Frühjahr soll ja schon das neue Dreamscape-Album erscheinen - bist du darauf noch wie geplant zu hören?
Mischa Mang: Nein, meine Texte und Gesangslines hatte ich schon geschrieben, aber da wars mir wichtig, dass die eliminiert werden. Das müssen die jetzt neu schreiben, außer bei einem Song, da stammen die Line und der Text von David, dem Keyboarder. Der Song ist auch ziemlich gut.
RockTimes: Also volle Konzentration auf Ivanhoe... das neue Album "Lifeline" hat mich ja dazu genötigt, volle 10 von 10 RockTimes-Uhren zu vergeben... habt ihr eigentlich beim Schreiben schon gemerkt, was für ein Riesenteil ihr da in der Mache habt?
Mischa Mang: Wir haben uns zumindest wohl gefühlt. Wir sind auch immer zwischendurch mal ausgerastet... bei Achim und mir ist es wirklich so, wenn wir im Studio zum Teil bis aufs Blut kämpfen und uns miteinander anlegen, dann schrei ich danach schon Mal ins Mikrofon, bis es platzt [Mischa macht es vor und flucht cholerisch in unverständlichen Worten in der Theaterkantine rum]... und dann einigen wir uns wieder auf eine Linie. Und dann sag ich wieder nein, ich mach es ganz anders. "Mach doch, mach doch!" [Mischa mit einer Art aggressivem Gekeife]. So ein Streit muss immer sein. Das war bei "Walk In Mindfields" intensiver - bei "Lifeline" war's dann schon etabliert. Wir wussten beide, auf was wir uns einlassen. Und dann hieß es schon Mal: »Okay, wir streiten uns jetzt!«
Mischa Mang RockTimes: Kein böser Streit?
Mischa Mang: Ja genau, kein böser Streit! Achim schweift zwar zwischendurch mal ab, zum Beispiel wenn wir was essen wollten: »Ich bin nicht Sklave meiner Fettzellen! Wir müssen hier weiter machen!«. Und ich sag »Ich hab jetzt Hunger, verfluchte Scheiße! Ich lass mich doch nicht...«. [Mischa steht auf und fuchtelt wütend mit geballten Fäusten in der Luft rum]... und er sagt »Weißt Du, was Fettzellen machen mit dem Körper?! Die signalisieren dem Gehirn, 'ich will fett sein!' Und ich werde mich nicht von meinen Fettzellen versklaven lassen!« So was muss ich mir dann über Kopfhörer anhören, wenn ich am Einsingen bin; und ich hör ihn da rumschreien... Der Achim, der ist zwar unerträglich manchmal - aber ich weiß einfach, der ist genial! Da weiß ich, mit dem was er sagt muss ich mich auseinandersetzen. Obwohl manchmal jeder in der Band denkt, der hat einen an der Waffel - schreit alle zusammen, hat irgendwelche Anfälle, die auch völlig unbegründet sind und du denkst nur: 'Ey, wenn du nicht so genial wärst, dann würd ich jetzt nach Hause gehen'.
Er ist als Künstler halt so gut - wir haben dieses Auseinandersetzen, da kommt aber letztlich irgendwas bei raus. Wir haben aber auch ganz spezielle Rituale, die zur Entspannung beitragen. Ich zieh mir oft die Hose runter und steh dann nackt neben ihm, und er kriegt's nicht mit, weil er am Computer rumspinnt, irgendwelche Sachen... und dann zieh ich so die Hose runter und sag »Ja ja..« und er dann »Och, Du Idiot!«, und dann müssen wir wieder lachen. Und ich weiß genau, es trägt zur Entspannung bei. Ich pinkele im Studio immer in Volvic-Flaschen, das ist voll nervig, weil es keine Klos gibt. Und komischerweise kommt Achim immer rein, wenn ich meinen Halm da rein halte. Ausgrechnet dann! Und dann hab ich mir gedacht: Naja, wenn er ihn eh schon immer sieht, dann kann ich auch nackt neben ihm stehen. Andere Leute können sich das nicht ankucken, wenn wir mal Besuch von ner Band kriegen... das kannst du ruhig so schreiben!
Mischa und Boris RockTimes: Das werd ich tun! [allgemeines Gelächter...] Moment mal, es ging jetzt aber darum, ob ihr beim Aufnehmen schon gemerkt habt, wie gut das Album wird...
Mischa Mang: [nimmt reuevoll Platz, wie ein Schüler, der vom Lehrer zurechtgewiesen wurde...] Ach so, 'tschuldigung! Jedenfalls... Achim rennt dann immer so rum [steht wieder auf, reißt die Augen auf wie ein Verrückter, rennt ein paar Mal im Kreis]... »Jaaa, jaaa, jaaa, nochmal!« Letzlich laufen wir dann beide voll albern rum. [Mischa holt tief Luft, lacht sich eins, setzt sich wieder, und schnauft, etwas außer Atem...] Und dann ist wieder gut, dann gehen wir ans nächste...
RockTimes: Na großartig, da kann ein Album ja nur gut werden! Ist eigentlich Achim für die Musik und du für die Texte zuständig?
Mischa Mang: Das kann man so nicht sagen. Also, "Angels Hologram"... [Mischa setzt ein schelmisches Grinsen auf und reibt sich die Hände] ...das sage ich nicht ohne ein wenig Stolz... [wieder 'normal'] das hab ich 2005 angefangen in Köln zu schreiben. Es geht darin um eine wahre Begebenheit - meine große Liebe ist gestorben. Es geht in dem Song darum, dass ich mir sie quasi 'herbeilüge', also ihr Bild dann vor mir sehe. Es geht darum, was sie in bestimmten Situationen zu mir sagen würde. Es ist wie so 'ne Liebe, die nicht aufhören will, die gar nicht mehr da ist. Sie war im Grunde... so'n weiblicher Achim [lacht] und ich hab sie auch im Grunde so ähnlich geliebt wie Achim, aber eben... noch mit anderen Sachen dazu [lacht wieder, dieses Mal Mischa Mang mit leicht unanständigem Unterton]. Ich hab noch ganz oft Sachen gehört, die sie einmal zu mir gesagt hat. Und die sind mir nie aus dem Kopf gegangen - die Sätze hör ich auch immer noch manchmal. Es geht in dem Song um das Auflebenlassen eines alten Bildes, was dazu führt, dass man sich immer weiter an der Vergangenheit festhält - die Parallelität der verstorbenen Person zu meinem Leben, ihr Schmerz und mein Schmerz und wie sich das zusammenfügt. Im Grunde handelt die Hälfte aller Songs, die ich geschrieben habe, von ihr - als sie noch lebte, und als sie tot war. Denn ich war extrem verliebt in diese Frau. Jedenfalls hab ich die Strophe zu dem Song "Angels Hologram" 2005 geschrieben - theatralisch und völlig übertrieben! [Mischa singt ein bisschen vor und imitiert die Spieluhr aus dem Song]. Ich hatte das erst einmal aufgenommen, um diese Idee festzuhalten. Aber der Refrain stammt nicht von mir, und deshalb steht da auch Achim mit dabei, weil ich irgendwie keinen schlüssigen Refrain gefunden hab. Die Strophe fand ich geil, auf die hab ich auch bestanden.
RockTimes: Ja, die ist ja auch völlig durchgeknallt!
Mischa Mang: Ja, ich musste den Song auch bei der Band durchboxen. Es ist einer, der auch mal Grenzen sprengt. Weil es sehr hoch gesungen ist und man denkt naja... vielleicht nervt es auch, und dann hat man auch ne tiefere Version... aber ich hab immer gesagt: »Nein, so stimmt das!« Es ist vielleicht grenzwertig.
RockTimes: Grenzwertig für den heutigen Metalgeschmack, meinst du?
Mischa Mang: Genau. Es ist ja alles sehr mainstreamig im Moment. Die Prog-Schiene ist geprägt durch einen gewissen Sound, der sich entwickelt hat, es darf alles plötzlich nur noch so klingen und nix aus dem Rahmen fallen. Ich finde es so lustig, dass Leute sich bei "Angels Hologram" an Queensrÿche erinnert fühlen, und genau das die Argumentation von mir und dem Produzenten war! Teile der Band hatten gesagt, »nein, das kannst Du nicht bringen, das Geschrei da!« Und ich und Achim haben dann gesagt: »überlegt doch mal, was Geoff Tate damals gemacht hat, da haben auch alle gesagt, das gibts doch nich!« Aber es ist auch undenkbar geil gewesen!
Mischa und Boris RockTimes: Ja, so lange Du nicht wie Geoff Tate damals Dir ne Fönfrisur zulegst und Leggins trägst...
Mischa Mang: Nee, nee... [lacht] obwohl, zu der Zeit war das ja auch irgendwie irre! "Rage For Order"... ich liebe diese Scheibe heute noch! "Londooon! Londooon!" [Mischa summt mit schmerzverzerrtem Gesicht klassische Queensrÿche-Melodien...] Ist schon geil! Das Verrückte war, ich hatte diese Strophe von "Angels Hologram" auf dem iPod. Ich fahr mit meiner Freundin im Auto durch Südfrankreich und der iPod war auf Zufallswiedergabe. Ich hatte den Song schon längst vergessen, denn ich hab ja keinen Refrain gefunden. Und wir fahren... und ich hab's irgendwie erkannt, aber ich wusste nicht mehr, was es ist - ich habs selber nicht mehr gerafft, dass es mein Song ist. Und ich hab gedacht, das ist doch nicht schlecht. Wir waren grad im "Lifeline"-Prozess. Da hab ich das Achim vorgespielt und er meinte: »Geil, da machen wir was draus.« Dann hat er den Refrain dazu erfunden. Er hat ihn mir vorgespielt und ich hab ihn geliebt, da bin ich auf Knien gerutscht und so.
RockTimes: Ich glaube, dann erübrigt sich die Frage, ob du irgendwelche Favoriten auf "Lifeline" hast...
Mischa Mang: Ja klar, das ist mein Favorit, muss ich gestehen. Obwohl ich mit "Lifeline" aus heutiger Sicht auch insgesamt mehr auf einem Nenner bin als mit "Walk In Mindfields", bei dem mir der Titelsong immer etwas zu geradlinig war. Bei "Walk In Mindfields" war ich auch gesanglich auf einem anderen Entwicklungsstand - "Lifeline" ist eben mein jetziger Wahnsinn.
[Eine französischsprachige Ballettänzertruppe stürmt allmählich entfesselt lärmend die Theater-Kantine... und wir entschließen uns, nach einem lauschigeren Plätzchen Ausschau zu halten. Die Suche endet auf einem grünen Loriot-Sofa in einem Foyer...]
Mischa RockTimes: So, um "Lifeline" ging es! Auf dem Album gibt es ja eine Art Konzept - das Wort "Lifeline" taucht immer wieder auf und hält das Ganze irgendwie zusammen... was ist denn der größere Gedanke des ganzen Albums, um was geht es?
Mischa Mang: Ich hab ja die meisten der Texte geschrieben, und ich würd sagen, es geht um die menschliche Tragödie - das archaische Prinzip unserer Nicht-Zivilisation, sozusagen. Wir tun immer so zivilisiert, wir sind immer viel zu schnell mit unserm Intellekt, ich glaube aber, unser Körper kommt nicht hinterher. Unsere männlichen Rollen sind völlig im Arsch, wir dürfen keine Männer mehr sein. Sind wir ein Mann, sind wir Neanderthaler - sind wir zu intellektuell, sind wir Weicheier. Und die Frau... die kann vögeln und die kann Dreier machen - die hat ihre Rolle gefunden.
RockTimes: Jetzt sag mir mal, wie sich das auf dem Album widerspiegelt!
Mischa Mang: [lacht und stammelt ein wenig, nach Worten suchend] Ja, die ganzen Abgründe der Menschheit kommen zusammen in diesem "Lifeline-Konzept". Bei "You'll Burn" geht's zum Beispiel um einen Pädophilen, der brennen soll, das ist eigentlich schon ziemlich krass. Da haben einige in der Band auch überlegt, ob man das so bringen kann, die ganze Thematik und so weiter. Und wenn dann das kleine Kind am Anfang des Songs noch sagt »I don't even know you« [Mischa mimt in Perfektion die Stimme eines kleinen Mädchens]... dann war das schon fast pervers.
RockTimes: Bist du etwa selbt diese Kinderstimme?
Mischa Mang: Ursprünglich war ich das, ja. Aber das hat dann später die Tochter von Gio, unserem Bassisten, gemacht. Ursprünglich war ich das. Da hab ich auch wieder viel gekämpft, aber dann eingesehen, dass das mit der Mickey Mouse-Stimme ganz komisch klingt, es hatte so was Durchgeknalltes. Die dunkle Stimme am Anfang, das bin aber ich, da ist so ein Pitchshifter-Effekt mit drin.
RockTimes: Hat bis auf einen roten Faden jeder Song sein eigenes Thema?
Mischa Mang: Genau. Die Lebenslinien ziehen sich durch alles Songs durch, die Abgründe, und was einem im Leben alles widerfahren kann. Zum Beispiel "Mad Power". Das handelt von dem Moment, in dem man kurz davor ist, einem eine reinzuwürgen. Ich glaube, das wurde noch nie beschrieben, oder? [lacht] Wenn man irgendwie nicht mehr kann und versucht, mit allen Signalen die man sendet zu sagen 'Pass auf, geh bitte nicht weiter, ich kann nicht mehr! Ich raste gleich aus!' Komischerweise führt das ja bei vielen Menschen dazu, dass sie diese Grenze überhaupt nicht wahrnehmen, und das ist dann extrem gefährlich. Bei "Suffering" geht es um Frauen, die man nicht liebt, die einem aber suggerieren, dass man sie liebt... die immer wieder ankommen und dich wollen und alles dafür geben, dass etwas mit dir entsteht. Ich bin ein Mensch, der gerne Zärtlichkeit hat, ich hab gern eine Frau im Arm, und ich hab gerne Sex. Natürlich ist das ein Mittel, mich erstmal zu kriegen. Der Text »Wrapped around my soul, warming my mind« bedeutet 'okay, ich lass mich jetzt drauf ein', und für den Augenblick ist es schön. Ich genieße dann dieses Fallenlassen in diese vermeintliche Nähe, die aber eigentlich keine ist. Das führt letztendlich nur zu mehr Leiden, weil die Einsamkeit präsent bleibt.
RockTimes: Was hat es denn mit dem Song "Cheops" ganz am Schluss auf sich, der Song ist doch bestimmt weniger autobiografisch?
Mischa Mang: "Cheops" ist meine ganz langwierige Lebensstudie, sozusagen. Ich hab mich schon immer mit Pyramiden beschäftigt. Es gibt zwei Dinge in meinem Leben, die das ausgelöst haben. Die 68er - meine Mutter hat in 'ner WG gewohnt; und da waren lauter Freaks. Einer davon war so ein Erfinder-Typ, der immer verrückte Erfindungen gemacht hat. Irre Maschinen. Der hat zum Beispiel Kammern verkauft, in die man sich reinsetzt, wenn man Kopfschmerzen hat, und dabei wurde einem wieder besser. Das bestand aus Schichten von Metall und Baumwolle. Die Energie, die du ausstrahlst, wird dann irgendwann wie eine Resonanz zurückgeführt. Es kommt immer irgendwas zurück, weißt du... [Mischa richtet sich etwas auf und beweist mit lauten Schreien in Richtung Treppenhaus die Resonanzfähigkeit von Schallwellen. Die hin und wieder vorbeiziehenden Theaterbeschäftigten stören sich wenig an den lauten Lauten - sie scheinen Mischa schon zu kennen...]
Mischa und Boris RockTimes: Moment, jetzt sind wir bei einem Kasten - das hat aber mit Pyramiden nicht viel zu tun, oder?
Mischa Mang: Ja, dieser Erfinder hat auch irgendwelche Pyramiden-Gestelle gebaut. Das hat mich fasziniert. Dann gab es dieses Album vom Alan Parsons Project, "Pyramid", und das war dann der Schlüssel. »All you need is a little bit of pyramidic help« und so... ist ja irre, echt geil, dachte ich. Da ist so ein Typ vorne drauf, der sitzt auf dem Bett und hat auf dem Nachttisch ein Buch. Ich hab die Lupe genommen und hab gelesen "Pyramid Power" - 'das Buch kauf ich mir, ich will wissen, was das bedeutet!' Dann hab ich immer mehr zu dem Thema gelesen und weiß jetzt, dass Sachen verbreitet werden, die nicht stimmen. Man sagt, dass es Grabmäler sind. Aber in keiner Pyramide wurde jemals eine Mumie gefunden - alle Mumien waren im Tal der Könige! Genau so könnte man in ein paar Tausend Jahren behaupten, Notre Dame war ein riesiges Grabmal, weil 20 Meter weiter ein Friedhof ist. Und wenn man dann überlegt, dass das Bauwerk in 20 Jahren erbaut wurde... es kann vieles nicht sein...
RockTimes: Und wie erklärst du dir dann die Pyramiden? Im Text von "Cheops" heißt es ja auch »Who creates the great pyramids«...
Mischa Mang: Ich finde es zumindest intelligent von einigen, diese Fragen zu stellen. Ich kann es mir nicht erklären, und ich glaube auch nicht, dass es jemand erklären kann. Du kannst jeden Architekten fragen - es ist nicht möglich mit der heutigen Technik, das so zu bauen. Das Verrückte ist, dass wir alles von Inzest über Sozialleben und Papyrus, Entwicklung von Kampftechniken und so weiter einer Dynastie kennen durch das, was uns überliefert wurde. Aber es wurde nichts über die Pyramiden überliefert, es gibt auch kein altes Schriftzeichen, das 'Pyramide' bedeutet. Ist doch verrückt, oder?
RockTimes: Ivanhoe galten ja in den 90ern als deutsche Antwort auf Dream Theater... das hat sich nach der Auszeit der Band gewandelt Richtung Powermetal mit Prog-Anteilen. Hatte das mit deinem Einstieg bei Ivanhoe zu tun?
Mischa Mang: Vermutlich, ich weiß es aber nicht genau. Wie gesagt, ich hab mich mit Achim ja immer schon über die Musik auseinandergesetzt - und der ist eben ein echter Künstler, einer, den ich gesucht und gefunden habe. Das ist kein Typ, der sich eine bestimmte Plakette anheftet. Mit Achim ist alles möglich. Wir können auch ne Klospülung aufnehmen oder Hamburger-Geräusche. Mit Achim ist alles künstlerisch offen - das ist das Glück! Man kann auch nicht sagen, dass wir uns an irgendjemandem orientieren; wir orientieren uns an unserem Geschmack und an unserer Liebe.
RockTimes: Findest du, dass es eine Entwicklung seit "Walk In Mindfields" gegeben hat?
Mischa Mang: Irgendwie ja. Wir sind musikalisch zusammengewachsen. Ich war auch noch in meiner Entwicklung auf einem anderen Stand. Ich fand es immer schon toll, dass man auch auf schonende Art klassischen Heavy Metal singen kann. Das war bei "Walk In Mindfields" noch ein bisschen der Fall, da habe ich es geliebt so zu singen, ein bisschen weniger auf die Tube... ein bisschen weniger 'Ich', eigentlich. Mein damaliges 'Ich' war ein bisschen weniger das jetzige 'Ich' [lacht]. Ich hab zwar jeden einzelnen Song geliebt. Aber wenn ich es jetzt höre, hört es sich an, als hätte ich aufgepasst, dass es nicht zu wüst klingt. Bei "Lifeline" haben wir uns dann nur noch darauf konzentriert, dass es emotional stimmt, dass es echt ist. Im Grunde ist da mehr Mischa drin.
RockTimes: Mischa, wie bist du eigentlich zu Ivanhoe gekommen? Auf eurer Band-Website steht ganz knapp etwas von den Gandersheimer Domfestspielen 2001, was es es denn damit auf sich?
Mischa Mang: Da hab ich "Jesus Christ Superstar" gespielt! Zu der Zeit hab ich öfter beim Warmsingen Malmsteen-Sachen gesungen. Und da schrie plötzlich jemand oben vom Mischpult: »Jeff Scott Soto!!«. Ich hatte "Don't Let It End" gesungen, und dann hatte ich immer mehr gesungen, und von oben kam »Winger!!«!! und »Whitesnake!!«!! Es war wie ein Frage-Antwort-Spiel. Und ich dachte, was ist denn das für'n Typ? Und das war Achim, der war Sounddesigner bei den Gandersheimer Domfestspielen, und so haben wir uns kennengelernt. Und dann haben wir uns langsam angenähert, denn Achim ist nicht der Typ, der einen gleich umarmt. Mir kam er sehr mystisch und geheimnisvoll vor. Dann hab ich ihm eine CD von mir gegeben, und er mir seine Ivanhoe-Platte, das war die "Polarized" zu der Zeit. Da hab ich gedacht, 'oh, geiles Zeug', und die hatten keinen Sänger zu der Zeit; die Band lag auf Eis.
Mischa RockTimes: Du verdienst dein Geld ja als Musical-Darsteller, spielst zurzeit in einer modernen Adaption von Richard Wagners "Der Ring" von Frank Nimsgern hier in Saarbrücken. Wie läuft's denn bisher und kannst du uns ein wenig über deine Rolle und deren Herausforderungen sagen?
Mischa Mang: Ich spiele den Alberich - derjenige, der den Ring und damit die Macht an sich nimmt. Das schöne ist, und das ist eigentlich ein Zufall: Die Rolle in dieser Nimsgern-Adaption sitzt so auf mir drauf, das gibt's gar nicht! Sowohl was die Gesangslines angeht, als auch die Rolle an sich. Manche Rollen sind einem halt wie auf den Leib geschneidert, wie auch der Judas, zum Beispiel. Aber wenn ich jetzt "My Fair Lady" spielen sollte... dann wäre das schwierig. Und hier passt es einfach. Gesanglich hab ich wieder so 'ne 'Longest Note' drin.
RockTimes: 'Longest Note'? Was ist denn das?
Mischa Mang: Ja, das ist so ein Witz. Ich hab mal einen Award gewonnen beim Musical "Queen - We Will Rock You" für den am längsten gehaltenen Ton.
RockTimes: Ein inoffizieller Award bestimmt, oder?
Mischa Mang: Nein nein, das war offiziell! Im Foyer im Kölner Musical Dome war die Verleihung - so einen goldenen Stein gab es dafür. Seitdem ist das ein Running Gag, immer wenn ich 'ne lange Note singe - und hier ist die Note extrem lang, da jubeln sie auch jedes Mal, das ist 'ne irre Stelle.
RockTimes: Aber bei der Premiere, habe ich gehört, da lief nicht alles glatt, oder?
Mischa Mang: Ach ja, das war die Härte! Ich hab in meiner Rolle einen Wagen auf die Bühne gefahren - mir war nicht klar, dass das so gefährlich ist - mit hunderten Gefäßen drauf mit Flüssigkeiten, alles Glas. Und der Vorhang, der aufgehen sollte, war für mein Empfinden zu spät, er muss eigentlich rauf und dann fahr ich den Wagen raus. Der Vorhang war immer noch unten, ich hab aber den Auftrag, eine Flasche vom Wagen zu holen und umzufüllen, sonst kann der Song gar nicht beginnen. Und ich fahr den Wagen schon raus, und plötzlich ziehen sie den Vorhang hoch, und der verfängt sich irgendwie in dem Rad! [Mischa steht auf und gestikuliert eifrig vor einem imaginären Theatervorhang] Der Schwung des Vorhangs hat gereicht, dass der vordere Teil des Wagens in der Luft schwebte. Und mit einem Radau - alle Gläser, alles auf der Bühne und in Scherben! Und danach kommt 'ne riesen Tanznummer, mit allen Tänzern barfuß. Und ich hab nur reagiert, ich hab nicht wirklich nachgedacht. Ich hab dann in der Rolle improvisiert und gerufen »Besen! Besen!«, hab dann mit einem Besen dieses Glas weggeschoben und den schweren Wagen, ich weiß nicht, woher ich die Kraft hatte. Und es ging einfach weiter. Die Leute im Publikum, die das mitbekommen hatten, die haben's nicht mehr gepackt!
RockTimes: Deine Biografie ist ja ungewöhlich für einen Metal-Frontmann: 'University of Arts in Berlin' steht da, Musicals wie "Hair", "Oedipus", "Jesus Christ Superstar", "Aida" usw... ist das genau das, was du immer machen wolltest?
Mischa Mang: Nee! Umgekehrt! Eigentlich wollte ich immer Rock machen. Ich hatte jahrelang vorher Rockbands in der Berliner Szene gehabt, und wir waren auch gut unterwegs. Komischerweise hat das aber angefangen, mich zu nerven. Bis man immer jemanden findet wie Achim, wo das künstlerisch stimmt... und wenn's mal künstlerisch stimmt, dann stimmt es woanders nicht, blah blah. Dann wollte ich mich mehr entwickeln mit meinen eigenen Kompositionen, ich hab mir dann Klavier selber beigebracht. Dann hab ich über den Schlagzeuger meiner damaligen Band eine Musicalrolle gekriegt, weil die keinen für die Hauptrolle gefunden hatten. Das war total verrückt - dann hatte ich plötzlich das Stück in Glasgow auf Englisch gespielt. Und da hab ich dann Kontakt mit Leuten von der Universiät der Künste in Berlin gehabt. Da hab ich gedacht, vielleicht kann ich da ein bisschen mehr Klavier lernen und Gesang... ich hab gar nicht an Musical direkt gedacht. Von 300 Bewerbern sind elf genommen worden - und ich war dabei. Da war ich schon langhaarig, da haben sie mich immer 'Frau Mang' genannt. Und ich hab auch gemerkt, dass meine Rollen ziemlich eingeschränkt sind, und dann hab ich mir 96 die Haare abgeschnitten. Und da war das Thema Metal zunächst einmal, zumindest aktiv, vorbei.
RockTimes: Und wie bist du dann nochmal zum Metal gekommen, erst 2001 in Gandersheim?
Mischa Mang: Ja genau, also im Grunde ist Achim mein Retter!
RockTimes: Wie passen den Metal und Musical zusammen? Sind das zwei verschiedene Welten oder sind die Unterschiede gar nicht so groß?
Mischa Mang: Letztlich gibts ja viele Berührungspunkte. Bei Vanden Plas sieht man das, zum Beispiel mit dem Musical "Christ.0". Allgemein gelten Musicals ja so als Hupfdohlen-Gequake. Aber ein Musical ist ja nichts anderes als die musikalische Erzählform einer Geschichte. Wenn du mal überlegst - "Operation Mindcrime" ist im Grunde ein super Musical!
Mischa und Boris RockTimes: Und was gibt dir mehr, ein Auftritt mit sitzenden, gesitteten Zuschauern oder ein Auftritt mit langhaarigen Headbangern?
Mischa Mang: Ich finde die Mischung geil! Wenn man es genau nimmt, ist mein Judas-Part in "Jesus Christ Superstar" eigentlich richtig Metal! Du siehst dann die Leute... witzigerweise ist das so ein Mischpublikum. "Der Ring", Nimsgern, zum Beispiel... das ist ja eher ein jüngeres Publikum - oder ältere, die offen sind für modernes Theater, moderne Sounds. Nun gibt es aber auch das klassische Opernpublikum, das Abonnements hat. Und wenn ich draußen stehe, werde ich voll schräg angekuckt mit meiner Kette hier, voll Metal-Optik... und dann denk ich mir, 'gleich sitzt du drin und jubelst mir zu!'
RockTimes: Du bist ja ständig in ganz Deutschland unterwegs mit deinen Musical-Rollen - ist das so, als wäre man mit der Band immer auf Tour? Gibt's da auch noch ein Privatleben?
Mischa Mang: Ja... ich bin gerade dabei, mir das Privatleben mit meiner Freundin zu erkämpfen. Aber es ist klar - den Blues gibt's auf jeden Fall. Da sagt man sich, ich halts nicht mehr aus, ich will irgenwo einen Punkt haben, wo ich ankomme. Ich beneide dann manchmal schon Leute, die einfach nur ihren Job machen; du hast halt ganz andere Möglichkeiten, dein Leben zu leben. Aber letztlich will ich meines auch nicht mehr missen. Wenn ich mal anderthalb Wochen mit meiner Freundin an einem Punkt bin, dann denk ich schon, irgendwas stimmt nicht, ich muss jetzt irgendwie raus! Das liegt aber nicht an meiner Freundin, sondern daran, dass ich fest an einem Ort bin. Ich bin halt eine Woche hier, eine Woche da.
RockTimes: Das heißt, eine Ivanhoe-Tour wird es wohl kaum geben?
Mischa Mang: Doch, die muss es geben, die wollen wir unbedingt machen. Da sind wir alle dafür, und die Plattenfirma erst recht. Wir wollen versuchen, im Frühjahr eine Tour zu machen.
RockTimes: Mischa, vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast! Und viel Spaß bei der Derniere heute Abend! Auf dass die Tänzer keine blutigen Füße bekommen...
Mischa Mang: Genau! Ich danke dir, machs gut!
Externe Links: