Wir erinnern uns – "Benefit", Jethro Tulls drittes Studioalbum, wurde zum Jahreswechsel 1969/1970 von Ian Anderson, Martin Barre, Clive Bunker und Glenn Cornick mit dem damals wohl noch als Gastmusiker fungierenden, später lange regulären Keyboarder John Evan aufgenommen. »Piano and organ played by John Evan...for our benefit« so wird er im Booklet aufgeführt und dieses »for our benefit« lieferte mutmaßlich den Albumtitel, denn einen gleichnamigen Song oder einen anderen Hinweis wird man vergeblich suchen.
In der "Collector's Edition", die Chrysalis alias EMI jetzt unters Volk wirft, befinden sich die von Steven Wilson neu remasterten Tracks der LP zuzüglich der vier Bonusnummern der (2001 remasterten) CD und zusätzlich die US Album-Version von "Teacher" – die UK Single-Ausgabe dieser Nummer ist in den Boni enthalten, aber ihr wisst ja, geschenktem Gaul und so...
Auf CD 2 finden sich, einige noch mono aufgenommene, Single- oder Alternativversionen, die wahrscheinlich diejenigen vor Freude auf einem Bein hüpfen lassen, denen kürzlich das Band des 1970 selbstaufgenommenen Radiomitschnitts gerissen ist. Vielleicht sogar von "Teacher"? Da kann die zweite CD mit immerhin nochmal vier Versionen dienen (zu den beiden auf der ersten Scheibe). Darunter auch eine sieben Sekunden kürzere UK-Single als die gebonuste auf der ersten CD – wahlweise in Mono oder Stereo. Tja nun... ich muss ganz ehrlich zugeben, auch wenn Steve Wilson im Booklet eine Doppelseite lang über die Einschränkungen durch 8 Track-Aufnahmen schreibt und zu den "Teachers"-Versionen erklärt, dass hier wohl gleich zwei Bandmaschinen Macken hatten (die eine etwas zu langsam, die andere etwas zu schnell), hält sich mein persönliches Interesse und Verständnis für die Auswahl des Materials auf der zweiten CD in Grenzen. Ich hätte Outtakes oder Live-Versionen spannender gefunden.
Die DVD in dieser "Collector's Edition" kann mich ebensowenig überzeugen wie den sehr geschätzten Kollegen Steve das silberne Pendant bei Stand Up. Auch hier nur Standbild und im Prinzip die Wiederholung des Audiomaterials mit höherem Stromverbrauch, denn schließlich muss der TV zur Steuerung des Scheibchens mitlaufen...Prädikat überflüssig, zumindest für alle, die nicht in High-End-HiFi-Gefilden segeln.
Nun aber zum erfreulichen Teil – erstens ist das Werk ordentlich, ansprechend und gut handhabbar verpackt. Zweitens ist es hier möglich, sich das eigentliche Album am Stück anzuhören. Und das ist eine ziemlich coole Scheibe. "Benefit" war der Vorgänger von Aqualung, letzte Station vor "Locomotive Breath". Und "Benefit" war der Nachfolger von "Stand Up" mit der Vorlage "Bourée". "Benefit" stand und steht im Schatten dieser beiden Scheiben. Einen vergleichbaren 'Hit' hat es nicht zu bieten. Und genau das macht mir die Platte so sympathisch. Stilistisch schon typisch, vielleicht 'nen Tick rockiger und nicht so tausendfach abgeleiert.
Die Dynamik in "With You There To Help Me" macht Spaß. Die wabernde Querflöte zu Beginn, die von getragenem Gesang abgelöst wird und eine Entwicklung einleitet, die in Dialogen, um nicht zu sagen Duellen von Querflöte und E-Gitarre mündet, das ist schon fein. "Nothing To Say" ist keineswegs nichtssagend, sondern überzeugt mit erzählerischen Elementen und Tiefe, die in "Alive And Well And Living In" aufgegriffen und weiter vertieft werden. Das ziemlich rockende "To Cry You A Song" kommt cool rüber.
"Inside" geht ziemlich locker-flockig ab und hat eine gewisse Leichtigkeit, die Jethro Tull nur selten an den Tag legt, ihnen aber ausgesprochen gut steht.
Ne starke Flöte dann wieder bei "Play In Time" – stark gespielt, stark songprägend und gerade in den ziemlich schrägen und experimentellen Parts auch das Element, das alles ganz stark zusammenhält. Das allegorische "Sossity; You're A Woman" schlurft schwermütig und klagend daher.
Ganz großes (Kopf-)Kino bringt "Sweet Dream" in den Extratracks mit sich, fast schon militärisch streng und gleichzeitig doch auch so was wie Weite mit sich führend; ich denke beim Hören an einen alten Western und einen einsamen Reiter in der Prärie.
Alles in allem bleibt mein Fazit ein wenig unentschlossen. Die Scheibe selbst ist es auf jeden Fall wert, in aller Ruhe (mal wieder) angehört zu werden und ein bisschen aus ihrem Schattendasein herauszutreten. Der Schwerpunkt dieser Edition liegt mir persönlich zu sehr auf der (ton-)technischen Ebene – hier scheiden sich die Geister sicherlich.
Line-up:
Ian Anderson (vocals, guitar, balalaika, flute)
Martin 'Lancelot' Barre (guitar)
Glenn Cornick (bass)
Clive Bunker (drums)
Additional personnel:
John Evan (organ, piano)
Tracklist |
CD 1:
01:With You There To Help Me
02:Nothing To Say
03:Alive And Well And Living In
04:Son
05:For Michael Collins, Jeffrey And Me
06:To Cry You A Song
07:A Time For Everything?
08:Inside
09:Play In Time
10:Sossity; You're A Woman
Bonus Tracks:
11:Singing All Day
12:Sweet Dream
13:17
14:Teacher (UK Single Version)
15:Teacher (US Single Version)
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CD 2:
01:Singing All Day* (Mono)
02:Sweet Dream (Mono)
03:17 (Mono)
04:Sweet Dream* (Stereo)
05:17* (Stereo)
06:The Witch's Promise (Mono)
07:Teacher (UK Single Version Mono)
08:Teacher (US Album Version Mono)
09:The Witch's Promise (Stereo)
10:Teacher (UK Single Version Stereo)
11:Teacher (US Album Version Stereo)
12:Inside (Single Edit Mono)
13:Alive And Well And Living In (Mono)
14:A Time For Everything? (Mono)
15:Reprise AM Radio Spot 1 (Mono
16:Reprise AM Radio Spot 2 (Stereo)
*previously unreleased mixes
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DVD:
Steven Wilson's 2013 Mixes (Album+5 Bonus-Tracks)
in DTS und Dolby AC3 5.1 Surround & Stereo 96/24 LPCM
Flat Transfers Original US+UK LP Master in 96/24 LPCM
additional tracks
Sweet Dreams,
17
The Witch's Promise
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Externe Links:
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