Jon Oliva's Pain / Festival
Festival Spielzeit: 55:29
Medium: CD
Label: AFM Records, 2010
Stil: Heavy Metal

Review vom 21.02.2010


Boris Theobald
Wenn 'Bergkönig' Jon Oliva seinem vierten Studioalbum unter dem Label Jon Oliva's Pain den Titel "Festival" verpasst, dann kann man schon davon ausgehen, dass das kein fröhliches Konzeptwerk über ausgelassene Jahrmarkt-Erlebnisse wird... nee nee - ein Blick aufs Cover, wo das Karnevalsvolk von einem ziemlich untoten Zombie in Empfang genommen wird, macht klar, wie der Meister das meint: »If you were to go to a festival or a carnival in a nightmare, this is the place you would go to« sagt er selbst über die Atmosphäre seines neuesten Werkes. Gruselige Geisterbahn statt kuschligem Kinderkarussel ist angesagt, jahaa!
Natürlich geht der Meister mal wieder aufs Gewaltigste mit allen möglichen Savatage-Trademarks hausieren. Und er hat eine längst perfekt eingespielte Mannschaft an seiner Seite, die das Ganze mit einer Überzeugungskraft umsetzt, als gäbe es kein Morgen. Ein Overload an großartigen, frickelfreudigen Melodien, monströse Männer-Chöre, pumpender Mid-Tempo-Bombast und Gitarren über Gitarren über Gitarren - "Festival" ist ein ganzes Stück weit härter ausgefallen als der Vorgänger Global Warning, und weniger experimentell - dafür traditioneller, roher, insbesondere mehr nach frühen Savatage klingend ("Living On The Edge"!). Und ein ganzes Stück weit abgedrehter. Ein ziemlich sprunghafter Horror-Fantasy-Soundtrack an der Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.
Besonders herauszuheben ist wieder einmal der reiche Fundus an genialen Riffs. Mal wieder hat Jon Oliva hier übrigens in alten Schatztruhen gekramt - große Teile des Openers "Lies" stammen zum Beispiel noch aus der Feder von Bruder Criss und sind Überbleibsel eines Songs, der unter dem Namen "Beyond Broadway" einst auf "Streets" landen sollte. Unglaublich, dass Jon Oliva mit alten und neuen Ideen immer noch ein unverzichtbares Album nach dem anderen zusammenschustert. In dieser Originalität, die auch "Festival" auszeichnet, gelingt es nach wie vor keinem anderen, den Metal 'Marke Savatage' am Leben zu halten und weiterzuentwickeln.
Nein, niemand garantiert solch einen schrägen Überraschungsfaktor wie Meister Jon (rotziger Rock'n'Roll-Part in "Lies", Jazz-Einschübe in "Afterglow" und, und, und ...) - auch sein neuester musikalischer Psycho-Frisbee ist eine Wundertüte mit Grenz- und Tiefgang. Dabei wandelt "Festival" auf einem schmalen Grat zwischen erhöhtem Prog-Faktor und zahlreichen Parts, die für mein Empfinden mehr als je zuvor auch die Luft von Classic Rock und Ur-Metal atmen. Steckt da nicht ein wenig Black Sabbath in "Afterglow", The Who in "Festival", Crosby, Stills, Nash & Young im entspannten aber keineswegs langweiligen Akustik-Stückchen "Looking For Nothing"? Man mag mir nun verrückte Traumtänzerei vorhalten. Aber das tue ich bei Jon Oliva auch - und es ist nicht negativ gemeint.
Markenzeichen de luxe ist natürlich - wie könnte es anders sein - sein Gesang. Oder sagen wir, seine Gesangs-ähnlichen Vokal-Anomalien, die kein Mensch auf der Welt kopieren kann. Zugegeben, er war auch schon mal einen Tick besser bei Stimme - trotzdem klingt der 'Mountain King', der inzwischen schon eher die Ausmaße des Marshmallow-Manns aus Ghostbusters angenommen hat, immer noch so, wie er klingen muss: wie ein sehr, sehr böser Onkel kurz vor der Einlieferung ins Sanatorium. Die Auslieferung von "Festival" - insgesamt nicht ganz so überirdisch wie
Maniacal Renderings, aber knapp dahinter - kann der Klapsen-Doc glücklicherweise nicht mehr verhindern.
Line-up:
Jon Oliva (keyboard, vocals)
Matt Laporte (guitar)
Christopher Kinder (drums)
Kevin Rothney (bass)
John Zahner (keyboard)
Tom McDyne (guitar)
Tracklist
01:Lies (6:18)
02:Death Rides A Black Horse (5:28)
03:Festival (4:22)
04:Afterglow (6:50)
05:Living On The Edge (5:10)
06:Looking For Nothing (2:42)
07:The Evil Within (4:36)
08:Winter Haven (7:38)
09:I Fear You (5:11)
10:Now (3:51)
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