Schwer begeistert von Annie Keating war er, mein geschätzter Kollege Alexander, als er Ende 2008 die ersten beiden Alben The High Dive und Take The Wheel der in Boston geborenen, nunmehr seit vielen Jahren in New York City lebenden Singer/Songwriterin vorstellte. Mittlerweile hat die Amerikanerin ihr drittes Album "Water Tower View" fertig gestellt, das auch der Anlass für dieses Review ist. In Europa konnte die Songwriterin bisher vor allem in England und Belgien Erfolge verbuchen, was sie mit ihrer neuen Scheibe natürlich gerne noch etwas ausbauen möchte. Elf brandneue Songs sind es also geworden und die wollen wir auch gleich mal genauer unter die Lupe nehmen.
Stilistisch hat sich, soviel darf ich schon mal verraten, nicht viel geändert im Hause Keating. Hauptsächlich in sehr ruhigen Fahrwassern unterwegs, haucht die gute Annie ihre Lyrics immer noch mehr, als sie sie tatsächlich singt. So etwas muss man natürlich, vor allem wenn sich diese Art zu singen über das ganze Album zieht, mögen. Ein schöner, da flotter Ausreißer ist "Victoria Station", das musikalisch richtig agil nach vorne treibt, allerdings etwas von dem bereits erwähnten Gesangsstil ausgebremst wird. Oberflächlich gesehen bzw. gehört scheint ansonsten nicht sehr viel auf dem Album zu passieren, aber die Feinheiten liegen natürlich wieder im Detail.
Denn irgendwann fängt die Musikerin den geneigten Zuhörer dann doch mit ihren geradezu einlullenden Songs ein. Mit vermehrten Durchläufen treten immer neue Feinheiten ans Tageslicht und der Hörer stellt - manche früher, manche später - zwangsläufig fest, dass man es hier mit einer großartigen Songwriterin zu hat. Das liegt vor allem daran, dass man sich die Melodien und aufgebauten Stimmungen wegen Annie Keatings zurückhaltender, fast schon introvertierter Art erst regelrecht erarbeiten muss. Dazu kommt, dass "Water Tower View" nicht unbedingt ein Album ist, das man einfach so nebenher laufen lassen kann. Zum Entspannen und relaxten Zuhören eignet es sich allerdings vortrefflich.
Ein glückliches Händchen hatte die Protagonistin auch wieder einmal mit der Auswahl ihrer Begleitmusiker, die hier zumeist entspannt und mit viel Feeling agieren, während vor allem Bo Ramsey and der Lap Steel und John Caban an der Slide ganz hervorragende Akzente setzen. Nicht weniger stark, wenn auch etwas zurückhaltender bringen zum Beispiel Neil Thomas sein Akkordeon und Trina Hamlin die Harmonika ins Spiel. Superstark kommt auch die Posaune von Josh Rabinowitz bei "A Little Too Long", einem wieder etwas schnelleren Stück.
Manchmal, wie etwa bei "The Hollow" erinnert mich die gute Annie mit ihrem Gesang gar an die ruhigen Tracks von Melanie, was aber eventuell auch nur an der im Nordosten der USA so üblichen Art der Wortbetonung liegen mag. Die beiden letzten Tracks, "Scene I" und "Scene II" betitelt, sind dann, wie es der Name schon jeweils sagt, Szenebeschreibungen, die, verfolgt man den Text mit, die Zeit stehen lassen, während man sich in die geschilderte Situation hineinversetzt. Ein würdiger Abschluss.
Bleibt eigentlich nur zu sagen, dass sich "Water Tower View" nach ein paar Durchläufen und im richtigen Augenblick gehört als wunderschönes Album herausstellt, dessen Stärken die anfängliche Skepsis irgendwann nicht nur mit rasender Geschwindigkeit überholen, sondern sogar mehrfach überrunden. Drücken wir die Daumen, dass Annie Keating auch mal (wieder?) unsere Bühnen besucht. Wenn sie dort die gleiche Intensität auf die Bretter bringen kann, die man auf ihrem dritten Album antrifft, dann würde es mich nicht überraschen, wenn diese Künstlerin auch in Deutschland bald einen großen Schritt nach vorne machen würde.
Line-up:
Annie Keating (lead vocals, acoustic guitars)
Jason Mercer (electric bass, double bass)
Bo Ramsey (electric guitars, lap steel, background vocals)
Chris Tarrow (electric baritone guitar - #4,10)
Chris Benelli (drums & percussion)
Dan Vonnegut (percussion - #2,5,8,10)
John Caban (electric & slide guitars - #3,7,9,11)
Bill Kelly (mandola - #8, background vocals - #4,6,9)
Trina Hamlin (harmonica - #3,6,8, background vocals - #2,3,11)
Neil Thomas (accordion - #2,5)
Chris Brown (organ - #4,7)
Claudia Chopek (violin & viola - #1,2)
Teddy Kumpel (electric baritone guitar - #1,4)
Josh Rabinowitz (trombone - #7,11)
Natalie K. Hawkins (background vocals - #11)
Tracklist |
01:Water Tower View
02:Victoria Station
03:On The Loose
04:Long Shot
05:The Borderline
06:First Of November
07:A Little Too Long
08:The Hollow
09:Fallen Down
10:Scene I
11:Scene II
|
|
Externe Links:
|