Der nächste Versuch stand an, meinen musikalischen Horizont zu erweitern und mir Künstler reinzuziehen, die mir bisher noch unbekannt waren.
Nach dem letzten, wenig erbaulichen Konzert, bei dem sich ein Gitarrist als total übertriebener Meister der Selbstdarstellung outete, war ich zwar vorgewarnt, doch die letzte CD-Besprechung des aktuellen Albums der Wentus Blues Band durch den geschätzten Kollegen Joe, ließ mich wieder ruhiger werden.
Diese finnische Band, die inzwischen schon seit über zwanzig Jahren existiert und sieben Alben eingespielt hat, gilt mit über 100 Gigs im Jahr als eine der Fleißigsten in der Szene.
In der letzten Zeit trat die Gruppe immer wieder mit namhaften Kollegen auf, zu denen u. a. Leute wie Carey Bell, Eric Bibb, Kim Wilson, Louisiana Red und Mick Taylor gehörten. Die Qualität der Nordmänner in Sachen Blues hat sich anscheinend sehr schnell herumgesprochen. Dazu beigetragen hat wahrscheinlich auch der Spielfilm "Family Meeting", bei dem die Band drei Konzerte in Helsinki mitschneiden ließ, die anlässlich des 20. Bühnenjubiläums stattfanden, und der zeigt, wie die Tradition dieser Musik durch die Wentus Blues Band weiter lebt.
Bei dieser Tour durch Deutschland begleitete sie mit Eddie Kirkland einen weiteren Bluesmann der alten Schule. Der 1928 geborene Sänger/Gitarrist stammt aus Jamaika und wuchs in Alabama auf. Nach dem 2. Weltkrieg kam er nach Detroit und lernte dort John Lee Hooker kennen, den er auf vielen Aufnahmen begleitete. Dagegen konnte er unter seinem eigenen Namen nur sehr wenige Sessions aufnehmen.
In den sechziger Jahren spielte Kirkland mit dem Saxofonisten King Curtis das hervorragende Album "It's A Bluesman" ein und wurde Gitarrist in der Band von Otis Redding. Trotz einiger sehr guter Longplayer, die allesamt auf kleinen Labels erschienen, ist er bis heute dem großen Publikum eher unbekannt geblieben.
Natürlich waren all diese Fakten Grund genug, den Gig mit im Kalender einzuplanen, ohne auch nur einen einzigen Ton von Kirkland gehört zu haben, sieht man mal von ein paar Schnipseln im Internet ab. Es herrschten also optimale Voraussetzungen für ein gutes Konzert. Nur Eddies 'zartes Alter' ließ mich noch etwas zweifeln, ob es wirklich zu einer vollständigen und intensiven Show reichen würde. Doch ganz schnell stellte sich heraus, dass ich mir darüber keinerlei Sorgen machen musste. Eddie Kirkland war spieltechnisch fit wie ein Turnschuh!
Zunächst eröffnete die Wentus Blues Band allein das erste von zwei Sets und bewies schon mal ein hohes Maß an Musikalität, obwohl der Blues in den zwei Songs noch nicht im Mittelpunkt stand. Es gab R&B und Soul auf die Löffel, wobei mich vor allen Dingen Juho Kinaret mit seiner sehr variablen Stimme überzeugen konnte. Er ist ein richtig guter Shouter und kann die verschiedensten Stile eindrucksvoll rüberbringen.
Doch dann musste er in den Hintergrund abtauchen und war von nun an für die Percussion-Arbeit zuständig, mit der er wesentlich zu einem sehr dichten Soundgefüge beitrug. Jetzt betrat Eddie Kirkland die Bühne und hatte kurzzeitig ein paar Schwierigkeiten am Treppenaufgang. Sobald er jedoch seine Gitarre geschultert hatte, gab es kein Halten mehr. Er blühte förmlich auf. Mit einer unglaublichen Leichtigkeit traktierte er die Klampfe und war auch bei den Vocals voll auf der Höhe. Dieser kleine Mann strahlte von Anfang an eine Sympathie aus, die kaum zu beschreiben ist.
Da waren keinerlei Allüren zu spüren, wie es ja leider oft bei anderen Künstlern der Fall ist. Dieses Konzert war Spielfreude pur, und das merkte man vom ersten Ton an ganz deutlich. Von Zeit zu Zeit nahm Kirkland auf einem Barhocker Platz, ließ sich dann aber immer wieder durch den intensiven Sound inspirieren und spielte im Stehen weiter.
Dabei übernahm er den größten Teil der Leadgitarrenarbeit, wurde aber von Niko Riippa perfekt begleitet. Überhaupt bleibt festzustellen, dass das Zusammenspiel der einzelnen Musiker richtig gut klappte. Pekka Gröhn an Hammond und Piano ergänzte die beiden Klampfer perfekt, steuerte einige sehr schöne Soli bei, und die Rhythmusgruppe tat ein Übriges mit ihrem hervorragenden Timing.
Das Programm bestand ausschließlich aus Songs, die starke Überlängen besaßen. Dadurch entstand eine unglaublich intensive Stimmung. Man konnte jeden einzelnen Titel richtig ausleben, ohne auch nur eine Spur von Langeweile zu spüren. So muss ein Konzert abgehen!
Zwischen den Stücken erzählte Eddie Kirkland aus seinem Leben und gab manche Anekdote preis. Das, allerdings manchmal etwas zu ausführlich, denn er war teilweise schwer zu verstehen.
Das schadete der Stimmung aber nicht im Geringsten. Im Publikum wurde von vorn bis hinten mitgetanzt. Niemand stand still. Kein Wunder bei diesen sehr eingängigen Bluessongs, die mal an B. B. King erinnerten, dann John Lee Hooker ins Gedächtnis zurückriefen, oder schließlich direkt aus dem Delta zu kommen schienen.
Als Kirkland im zweiten Teil des Konzertes dann auch öfter zur Harmonika griff, steigerte sich die Stimmung noch um Einiges, was der Meister sichtlich erfreut zur Kenntnis nahm. Jetzt gab es immer wieder spontanen Zwischenapplaus aus allen Ecken der Halle.
Die beiden Zugaben verbrachte Eddie Kirkland dann vor der Bühne und war nun seinen Fans noch näher, was ihm natürlich gleich noch weitere Sympathiepunkte einbrachte.
Am Ende des Sets wollte der Jubel kein Ende nehmen. Die anwesenden Zuhörer (leider viel zu Wenige!) machten richtig Alarm. Dieses Konzert war ein würdiger Abschluß in der Bluesgarage vor der Sommerpause und mit seinen fast drei Stunden Spielzeit auch für mich ein absolutes Highlight. Nie und nimmer hätte ich mit so einer geilen Performance gerechnet, wie sie Eddie Kirkland & Wentus Blues Band an diesem Abend vom Stapel gelassen haben.
Line-up:
Eddie Kirkland (vocals, guitar, harmonica)
Robban Hagnäs (bass, vocals)
Niko Riippa (guitar)
Robert Skoglund (drums)
Juho Kinaret (vocals, percussion)
Pekka Gröhn (Hammond, piano)
Externer Link:
|