Warum nur muss ich bei Ska eigentlich immer sofort an Sommer, Palmen und Sonnenschein denken?! Für mich ist dieser leichtfüßig-gutlaunige Musikstil untrennbar mit der schönen, warmen Jahreszeit verbunden - nicht mit kaltem, düsterem Winter… Das scheint die fünf Jungs von Loui Vetton allerdings nicht sonderlich zu jucken, denn sie kredenzen Ende 2010 ihr Album "Postreggaeprecore" und zaubern damit eine große Portion Wärme und gute Laune ins unwirtliche Klima.
Dieser kryptische Übertitel erscheint auf den ersten Blick wie ein echter Zungenbrecher, offenbart bei genauerem Hinsehen aber einen Mix aus diversen Genreschubladen, in denen wir Musikschreiberlinge uns nur zu gerne bewegen. Offensichtlich soll man den Sound Loui Vettons nicht kategorisieren, weil man sonst schnell in komische Bezeichnungen abzudriften droht - deshalb habe ich mir das jetzt auch ganz einfach gemacht und nenne das Kind schlicht Ska Punk. Das trifft es nämlich ziemlich genau.
Die Hamburger zaubern dem entzückten Skater-Boy oder dem frohlockenden Indie-Mädchen hier 13 sonnendurchflutete, spaßige, tanzbare Tracks ins Ohr, die qualitativ gesehen ganz große Hausnummern sind. "Postreggaeprecore" macht von vorne bis hinten Freude und lässt auf erfrischende Art und Weise Weihnachtsmärkte, Glühweinbuden und Lebkuchenherzen sofort in Vergessenheit geraten. Stattdessen tauchen Cocktails, Strände und Sonnenbrillen im Kopfkino auf und werden dem Sommermusik-Klischee mehr als gerecht.
"Postreggaeprecore" ist lebhaft und leicht und lässt dadurch das heimische Wohnzimmer zwischen Adventskranz und Nussknacker locker zur Beachparty werden. Der fetzige, passend betitelte Opener "Welcome To The Show" lässt sich nicht lange bitten und macht mit den ersten Tönen gleich deutlich, wo es in den nächsten 50 Minuten lang geht. "They Can't Bring Us Down" schlägt in dieselbe Kerbe und kann besonders durch seinen Refrain dicke Ausrufezeichen setzen, während "Ain't No Hollywood Happy End" stellenweise durch fette Powerchords etwas härter zur Tat schreitet.
Diese Pfade werden bei "The Bad Guys Are Back In Town" im druckvollen Refrain ebenfalls beschritten, während der Rest des Titels ganz locker daherkommt. Richtig entspannend wird's dann aber erst mit "You Make Me Wanna Sing Along", das den Ska-Fan auf sanfte Offbeat-Wellen mitnimmt und zu lasziven Dance-Moves einlädt. Dieser Song ist eine echte Perle, eine Insel der Ruhe auf diesem Energiebündel von einem Album.
"We've Been To Hell" ist teilweise ein wilder Punk Rock-Song, während "Funk With A Capital F" seinem aussagekräftigen Titel mehr als gerecht wird. Leicht hektischen Sprechgesang-Strophen steht ein eingängiger Refrain gegenüber, und einen Mini-Moshpart hat man hier ebenfalls untergebracht - hier gibt's also durchweg ordentlich Attitüde auf die Lauscher!
Der Titel "Social Freakshow" greift kritisch und augenzwinkernd das Phänomen Internet auf: »Wake up! Get up! Get out!/ There's a life offline, outside/ Wake up! Get up! Get out!/ Get away from this social freakshow« - da bleiben keine Fragen offen. "Fuck You. Eat Shit." und das ultraschnelle "Zombies!" tönen daraufhin natürlich längst nicht so hart und böse, wie die Songnamen suggerieren, und mit "Thank You" thematisiert man auf pop-punkige Weise die schönen Seiten des Tourlebens, nutzt somit die Gelegenheit, sich mal bei allen möglichen Leuten bedanken zu können.
Es ist aber das wunderschöne Liebeslied "Jenna (Reprise)", das schlussendlich noch mal so richtig zu überzeugen weiß und mit Akustikgitarre sowie weiblichem Gesang punkten kann. Diese Nummer sollte man seiner Liebsten unbedingt am Lagerfeuer in einer sternenklaren Sommernacht vorspielen… Und der höchst leichtfüßige Rausschmeißer "Kiss Me. Make Love." ist dann schlussendlich quasi als positive Version von "Fuck You. Eat Shit." anzusehen und versteckt im Anschluss noch zwei kurze Hidden Track-Blödeleien.
Ska, Funk, Reggae, Jazz und Pop Punk - Loui Vetton haben mit dem französischen Modedesigner Louis Vuitton zwar nichts zu tun, dafür zaubern die fünf Hamburger hier einen bunten Strauß aus energiegeladenen Musikstücken auf Albumlänge in des Hörers Gehörgänge und decken die ganze Genrepallette ab. Wer auf akzentuierten Bläsereinsatz und leichtfüßige Uptempo-Kompositionen mit Spaß inne Backen steht, wer Bands à la Destination Anywhere, Muff Potter, Skatoons, Mad Caddies, Reel Big Fish, Less Than Jake, Ska-P, Elvis Jackson, Mad Monks oder Director's Cut liebt, der sollte sich sein persönliches Exemplar von "Postreggaeprecore" unbedingt ins Haus holen - dann kommt auch im tiefsten Winter die Sonne durch! Raue Kanten im Sound sucht man hier zwar vergebens, dafür wird aber eine amtliche, glasklare Produktion aufgefahren, die dem tänzelnden Groove der 13 sympathischen Stücke zu jeder Sekunde gerecht wird.
Line-up:
Luk Vetton (lead vocals & saxophone)
Sherman Vetton (backing vocals & trumpet)
Buzz Vetton (guitar)
Heidi Vetton (bass)
Ole Vetton (drums)
Tracklist |
01:Welcome To The Show (4:07)
02:They Can't Bring Us Down (3:18)
03:Ain't No Hollywood Happy End (3:58)
04:The Bad Guys Are Back In Town (3:08)
05:You Make Me Wanna Sing Along (4:19)
06:We've Been To Hell (2:58)
07:Funk With A Capital F (3:06)
08:Social Freakshow (3:09)
09:Fuck You. Eat Shit. (3:40)
10:Zombies! (3:01)
11:Thank You (4:09)
12:Jenna (Reprise) (5:11)
13:Kiss Me. Make Love. (6:49)
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