Nachdem mir das kürzlich miterlebte Konzert der Jessy Martens Band in der Bluesgarage noch immer lebhaft im Kopf rumschwirrt musste ich mich fast zwangläufig in die bisherigen Alben der jungen Hamburger Sängerin reinhören. Schließlich war an diesem Abend, neben der hohen musikalischen Qualität und dem wahnsinnigen Stimmvolumen der Frontfrau, die ungezügelte Spielfreude aller beteiligten Musiker der wichtigste Punkt zum Gelingen dieser Wahninns-Show.
Da kam es mir natürlich gerade Recht, dass mir ganz unerwartet von der Band mit "Live At BluesBaltica" das erste Live-Album in der aktuellen Besetzung der Gruppe ins Haus flatterte (vielen Dank für die Bemusterung, Jan!). Schon von dem ersten Longplayer in diesem Line-up, der Studio-CD Brand New Ride, war ich schwer angetan, und die Aussicht, einen Konzertmitschnitt der Jessy Martens Band zu hören, weckte sofort hohe Erwartungen in mir.
Schon die erste Live-CD Live On Stage erzeugt jede Menge Atmosphäre, doch der aktuelle Silberling, der am 22. Mai 2011 beim BluesBaltica-Festival in Eutin aufgezeichnet wurde, wirkt im Ganzen noch etwas zupackender und kräftiger als sein Vorgänger, was hauptsächlich an der überragenden Gitarrenarbeit von Roman Werner liegt, der ein ums andere Mal voll angreift und klasse Attacken auf seinem Sechssaiter fährt. Dieser Mann ist sicherlich eine Bereicherung für die Gruppe, die auch schon bei diesem dreizehnten Konzert der Bandgeschichte einen extrem eingespielten Eindruck macht. Nicht umsonst bedankt sich Jessy auf dem Cover ausdrücklich bei ihren Begleitern für die tolle Zusammenarbeit. So was kommt auch nicht alle Tage vor.
Die Chemie untereinander scheint wirklich zu stimmen. Das ist deutlich bei den Reaktionen der Shouterin nach den Songs herauszuhören, die ihre Begeisterung und die Freude an diesem Gig kaum verbergen kann. Hier haben fünf Leute jede Menge Spaß am gemeinsamen Musizieren, und das überträgt sich natürlich auch sofort aufs Publikum.
Was die Tracklist auf dieser CD angeht, so sind neun der zehn Titel Coverversionen, die allerdings sehr geschickt auf die Belange der Band zugeschnitten wurden und mit den Originalen nicht unbedingt mehr sehr viel zu tun haben. Man kann sicherlich darüber streiten, ob diese Songauswahl sinnvoll ist, zumal für mich die einzige Eigenkomposition, das geniale "Touch My Blues Away" vom aktuellen Studio-Album einer der Höhepunkte dieses Mitschnittes ist. Ein Song wie "Fool 4U" hätte diesem Album garantiert auch sehr gut zu Gesicht gestanden.
Aber wie dem auch sei, es gibt keinerlei Schwachpunkte auf dieser Scheibe. Schon der Opener "Morning Blues", der mich schon beim Konzert in Isernhagen schwer beeindruckte, legt die totale Power vor, die die Jessy Martens Band auszeichnet. Allein der leise und unglaublich intensive Zwischenpart, bei dem Jessy ihr ganzes Stimmvolumen demonstriert, erzeugt Gänsehaut pur. Hier klingt die junge Dame sehr stark nach ihrer 'großen Schwester' Inga Rumpf, und die ist ja bekanntlich eine der besten deutschen Rocksängerinnen.
Ansteigendes Tempo ist das Kennzeichen des B.B. King-Titels "Never Make Your Move Too Soon", bei dem die Band schon fast den Boogie zelebriert. Herrlich dieses hämmernde Piano von Jan Fischer, und Roman Werner hat sich nun auch warm gespielt. Da geht richtig die Post ab... um dann gleich wieder zurückgenommen zu werden, denn nun gibt es den bereits erwähnten Slow Blues "Touch My Blues Away". Die Gitarre ist göttlich, und die stimmlichen Ausbrüche von Jessy machen den Song zu einem absoluten Hörerlebnis.
Ein rollendes Piano, gepaart mit solidem Orgel-Unterbau bildet die Grundlage für den Midtempo-Song "Let The Juke Joint Jump", bei dem im Mittelteil ein prima Gitarrensolo eingebunden ist. In die gleiche Kerbe haut die Ray Charles-Komposition "I Don't Need No Doctor", den Meisten von uns sicherlich in der Version von Humble Pie bekannt. Allerdings ist hier das Tempo nun deutlich erhöht, und das Piano hat den Solopart übernommen.
Mit "Love Me Like A Man" folgt mein zweiter persönlicher Favorit. Ein weiterer Slow Blues, der mit einem ruhigen Bass-Intro beginnt, und bei dem die Stimme von Jessy Martens dem Hörer einen wohligen Schauer nach dem anderen durch den Körper jagt. Und wieder holt Roman Werner alles aus seinem Instrument heraus. DER Knaller des Albums! Und das mit einer Spiellänge von über acht Minuten. Das ist kaum zu toppen.
Ein kurzes Zwischenspiel mit Funk-Einflüssen bietet "That's What Love Will Make You Do". Da raucht der Kessel nur so vor Energie schon bevor es mit "Trying To Make A Living", dem wohl gradlinigsten Song des Albums weitergeht. Das Piano groovt ständig vor sich hin und soliert gekonnt im Mittelteil.
Stichwort "Summertime". Nein, ich werde jetzt keine Vergleiche mit einer gewissen Legende aus Port Arthur ziehen. Das ist auch gar nicht möglich, denn der Gershwin-Song ist hier komplett anders arrangiert. Jessys Vocals, kombiniert mit einem zarten Piano-Spiel, so beginnt der Klassiker, um dann nach circa drei Minuten als funkige Version fortgesetzt zu werden. Sehr stark gemacht. Soloeinlagen an Piano und Gitarre beherrschen den Song bis zum Ende. Ein starkes Stück Musik.
Am Ende des Albums ist mit dem "L.A. Song" eine Beth Hart-Komposition angehängt, die völlig aus dem Rahmen fällt. Rein unplugged gespielt lässt sie den Silberling ruhig ausklingen, wobei noch einmal diese großartige Stimme im Vordergrund steht. Damit endet ein richtig starkes Live-Album einer jungen und hungrigen Band, von der hoffentlich noch sehr viel hören werden. Die Jessy Martens Band ist auf dem richtigen Weg nach ganz oben in der deutschen Bluesliga. Da gehe ich jede Wette ein!
Line-up:
Jessy Martens (vocals)
Roman Werner (electric guitar, acoustic guitar)
Jan Fischer (keyboards, backing vocals)
Tom Rohloff (bass, acoustic guitar, backing vocals)
Christian Kolf (drums)
Tracklist |
01:Good Morning Blues (5:59)
02:Never make Your Move Too Soon (3:59)
03:Touch My Blues Away (6:26)
04:Let The Juke Joint Jump (6:53)
05:I Don't Need No Doctor (3:54)
06:Love Me Like A Man (8:23)
07:That's What Love Will Make You Do (3:18)
08:Trying To make A Living (6:37)
09:Summertime (8:13)
10:L.A. Song (4:30)
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