
So ein Ambiente konnte man nun wahrlich nicht erwarten. Das Cultureel Café De Republiek hatte das Flair eines schnuckeligen Herrenhauses in mitten einer relativ unspektakulären Häuserzeile. Wendeltreppen, Stiegen, viel Holz und abgenutzte Bodenfliesen waren für ein heimeliges Ambiente zuständig. Der Künstler spielte vor einem gigantischen, ehemals offenen Kamin und der Kontakt zum Musiker konnte kaum persönlicher sein. 'Sir' Oliver Mally zog alle Register eines Alleinunterhalters, der mit den Emotionen des Bluesers beziehungsweise Singer/Songwriters sowie ungemein vielen Varianten seiner Fingerfertigkeiten überzeugte und rundum für tolle Stimmung sorgte. Allerdings beeindruckte er die Zuschauer nicht nur durch sein Spiel. Seine Eigenkompositionen und Coversongs bettete er in herrliche Geschichten, Anekdoten und Hintergrundinformationen, die an diversen Stellen auch zum Lachen Anlass gaben. So meinte der Österreicher nach seinem ersten Lied, einer klasse Interpretation von Bob Dylans "Girl From The North Country", dies sei wohl das flotteste Stück des Abends gewesen. Wer es glaubte, wurde während des Gigs eines Besseren belehrt.
 Die Mischung brachte es! 'Sir' Oliver Mally wanderte sehr gekonnt zwischen Eigenkompositionen aus ganz unterschiedlichen Alben wie zum Beispiel Bound For Nowhere, Devils Monkeys Aliens, Strong Believer oder Love Is A Devil beziehungsweise handverlesenen Coversongs, die von ihm in einer bestechenden Manier persönlichen Schliff oder Anstrich bekamen. So spielte sich der Saiten-Meister mit der rauen Stimme von einem ruhigen Beginn in extrovertierte Gefühlslagen. Der Groove von "Billy" zog feinnervig den Kamin hinauf und 'Sir' Oliver Mally schickte seinen intensiven Gesang gleich hinterher. Die Romantik von "Sweet & Fine" stand im Wechselspiel mit der Ausstrahlung eines akustisch groovenden Boogie und das Fingerpicking des Protagonisten war nicht nur ein Ohrenschmaus. Das Fretboard und die Saiten seiner Gitarren waren 'Sir' Oliver Mallys Welt der Emotionen und obendrauf kam eine immer ausdrucksstarke Stimme.
 Wenn der Künstler vom Delta sprach, war nicht der Mississippi gemeint, sondern ein Fluss in der Nähe seines österreichischen Wohnorts. Nichtsdestotrotz hatte "See Me In The Morning" einen tollen Porchboard-Groove, der sich mit einem Train-Rhythmus paarte und selbst mit verdammt hart gezupften Saiten wurden Akzente gesetzt. Klasse!
Als "Butterfly Girl" ihren Auftritt hatte, kam der berühmte Blues-Fluss allerdings doch in Person von 'Mississippi' John Hurt ins Spiel. Im Zusammenhang mit den Vorbildern des Künstlers nahm Steve Earle eine besondere Position ein, denn mit den Interpretationen von "My Old Friend The Blues" und "CCKMP" konnte 'Sir' Oliver Mally zeigen, was er für den Country im Blues empfand. Seine erzählten Erlebnisse vom Himalaya Blues Festival waren beeindruckend und die musikalische Umsetzung der Ereignisse am Flughafen sammelte er im Blues-Stück "Stuck At The Airport".
 "Champagne & Reefer" von Muddy Waters entwickelte sich in den Händen von 'Sir' Oliver Mally zu einem zügellosen Exkurs in Sachen Bottleneck-Einsatz. Das Solo war der Hammer. Gut, dass die Location aus dem sechzehnten Jahrhundert stabil gebaut wurde. Woody Guthries "Ain't Got No Home" - einfach nur wunderschön. Nicht nur in Sachen Konzertreisen, auch mit seiner Band Blues Distillery, ist der Mann ein Weltenbummler. Auch mit den Liedern seines Soloprogrammes eröffnete er Welten.
Kazoo, Mundharmonika und Porchboard sorgten für zusätzliche Dynamik und die Lesung von Guy Clarks "The Cape" war gigantisch gut und als Zugabe war Tom Waits' "Time" ein ganz besonderer Höhepunkt der Innigkeit. Das ruhige Lied war filigran, zerbrechlich wie Porzellan und bei 'Sir' Oliver Mallys Gesang gab es auch eine Stufe nach dem Flüstern. Einige Textzeilen hauchte er ins Mikrofon und nach dieser Nummer hätte Stille perfekt gepasst. So war der Schlusspunkt ein Highlight und man muss sich glücklich schätzen, ein Konzert von ihm erlebt zu haben.
Wir bedanken uns bei 'Sir' Oliver Mally für die problemlose Akkreditierung.
Line-up:
'Sir' Oliver Mally (vocals, acoustic guitar, electric guitar, harmonica, kazoo, porchboard)
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