Van Morrison / His Band And The Street Choir
His Band And The Street Choir Spielzeit: 61:43
Medium: CD
Label: Rhino (Warner Brothers Records), 2015 (1970)
Stil: Singer/Songwriter, Soul


Review vom 18.11.2015


Markus Kerren
Von zirka 1968 bis zu der Scheibe "Veedon Fleece" (1974) hatte der aus dem nordirischen Belfast stammende Van Morrison geradezu einen Lauf. Nach einem ersten - ohne seine Zustimmung von der Plattenfirma zusammengestellten und bis heute von ihm mit Ablehnung gestraften - Album ("Blowin' Your Mind", 1967) entstand 1968 der erste Meilenstein in Form von Astral Weeks, das wir euch ja erst vor Kurzem hier in RockTimes vorstellen konnten. Verkaufstechnisch eher enttäuschend, wurde bei dem Nachfolger Moondance (1970) alles auf eine Karte gesetzt und - sowohl in musikalischer wie auch kommerzieller Hinsicht komplett abgeräumt.
Das folgende und hier vorzustellende "His Band And The Street Choir" wurde - auch um die Erfolgswelle von "Moondance" weiter anklingen zu lassen - für das Weihnachtsgeschäft des Jahres 1970 realisiert und bestand nicht gänzlich aus neuem Material, sondern vielmehr aus einem Mix aus eben solchem und einigen älteren Kompositionen. Mag sein, dass es gerade aus diesem Grund nicht so wie aus einem Guss klingt wie seine beiden Vorgänger oder auch der Nachfolger "Tupelo Honey" aus dem Jahr 1971. Und dennoch glänzt die Scheibe erneut durch stilistische Vielfalt und ganz starke Performances aller Beteiligten.
Mit Jack Schroer und Keith Johnson sind die Bläser und der Soul wieder sehr stark vertreten, was der Platte aber bis heute eine prickelnde Frische und jede Menge Agilität verleiht. Mit dem Ohrwurm "Domino" konnte Van Morrison einen weiteren Top10-Hit in den amerikanischen Charts feiern, aber mit "Virgo Clowns" oder - dem als Single gefloppten - "Call Me Up In Dreamland" (um fürs Erste nur mal zwei zu nennen) sind hier noch einige weitere Perlen vertreten. Während erstgenannter Track auf akustische Instrumente, eine dichte Atmosphäre und wundervoll-soulig vorgetragene Gesangsmelodien vertraut, ist "...Dreamland" ein vom Gospel beeinflusster, beschwingter Folk-Song mit einem weiteren Ohrwurm-Refrain, bei dem auch jazzige Einflüsse nicht zu verhehlen sind.
Aber genau das macht die Musik des Belfasters auch aus: Er wirft Singer/Songwriter, Folk, Jazz, Blues, Gospel und Rock in einen ganz großen Topf, rührt gaaanz ganz kräftig um und steht am Ende mit einer einzigartigen Mischung da, die vielleicht nicht jederzeit und für jedermann bekömmlich ist, dagegen aber eine unglaubliche Tiefe und Kraft hat. Verstärkt wird dies natürlich noch von den sehr guten (wenn auf dieser Platte auch etwas 'leichteren') Texten, denen man alleine schon ein ganzes Review widmen könnte. Morrison hatte ursprünglich vor, seinen Gesang auf der komplette Scheibe lediglich von einem A-Capella-Chor (bestehend aus vier bestimmten Personen) und einer sparsamen Akustik-Gitarre begleiten zu lassen. Als zu diesem Chor dann noch zwei weitere Personen kamen, mochte er das Ergebnis überhaupt nicht und die Idee war gestorben.
"Crazy Face" (das wie Vans bis heute größter Single-Hit "Domino" bereits aus dem Jahr 1968 stammte) ist ein weiteres Highlight dieses Albums. Ein feines Piano-Intro wird von inspiriertem Gesang abgelöst, die Instrumentierung ist erneut sparsam und das Saxofon von Jack Schroer übernimmt das Solo. Eine Soul-Ballade der Extraklasse stellt "If I Ever Needed Someone" dar, gefüttert mit tollem Wechselgesang des Protagonisten und den Ladies Emily Houston, Judy Clay und Jackie Verdell. Noch eines der vielen Highlights gefällig? Der Song "Street Choir" war eigentlich schon fertig im Kasten, als Morrison ihn kurz vor Ablauf der gebuchten Studiozeit unbedingt noch einmal überarbeiten wollte. Worum bzw. um wen es in den Lyrics (»Why did you leave America? Why did you let me down?«,) eigentlich geht, ist übrigens bis heute nicht aufgelöst worden.
Wie "Moondance" entstand auch diese Scheibe in der Zeit, als Van Morrison in Woodstock, New York lebte. Nicht sehr lange nach diesen Aufnahmen zog es ihn jedoch schon wieder weiter an die Westküste. Vielleicht war dies auch einer der Gründe, warum das Plattenlabel den eigentlichen Albumtitel "Virgo Clowns" ohne seine Zustimmung in "His Band And The Street Choir" ändern konnte. Letztendlich warf die Scheibe mit "Domino" die erfolgreichste Single in Van Morrisons Karriere ab. Das Album erreichte damals Platz 32 in den US- und Platz 18 in den UK-Charts.
"His Band And The Street Choir" ist vielleicht nicht ganz so brillant wie "Moondance" und nicht ganz so intensiv wie "Astral Weeks", was in allererster Linie aber an der etwas introvertierteren Produktion liegt. Doch wenn es (ähnlich wie bei "Astral Weeks") auch etwas länger dauert, bis man 'in' dem Album angekommen ist, so ist es dennoch phänomenal, was die Songs, den Gesang und die Musik angeht. Ein weiterer Meilenstein in der Karriere des Nordiren also, dem noch einige folgen sollten. Aber dazu vielleicht später mehr.
Line-up:
Van Morrison (guitars, tenor saxophone - #2,5, lead vocals)
Dahaud Elias Shaar (drums & percussion, bass clarinet, background vocals)
Jack Schroer (alto-, baritone- & soprano saxophone, piano)
Keith Johnson (trumpet, organ)
John Platania (lead & rhythm guitars, mandolin)
John Klingberg (bass)
Alan Hand (piano, organ)
Ellen Schroer (background vocals)
Martha Velez (background vocals)
Janet Planet (background vocals)
David Shaw (background vocals)
Andy Robinson (background vocals)
Larry Goldsmith (background vocals)
Emily Houston (background vocals - #9)
Judy Clay (background vocals - #9)
Jackie Verdell (background vocals - #9)
Tracklist
01:Domino
02:Crazy Face
03:Give Me A Kiss
04:I've Been Working
05:Call Me Up In Dreamland
06:I'll Be Your Lover, Too
07:Blue Money
08:Virgo Clowns
09:Gypsy Queen
10:Sweet Jannie
11:If I Ever Needed Someone
12:Street Choir

Bonus Tracks:
13:Call Me Up In Dreamland (take 10)
14:Give Me A Kiss (take 3)
15:Gypsy Queen (take 3)
16:I've Been Working (alternate version)
17:I'll Be Your Lover, Too (alternate version)
Externe Links: