»Um ehrlich zu sein: Mit Kevin Moore zusammenzuarbeiten ist nicht gerade ein großer Spaß. Um es höflich auszudrücken: Seine Art zu arbeiten fördert nicht gerade die Zusammenarbeit […] Er ist sehr angespannt, ernst... also hab' ich mir gedacht: Warum sollte ich das noch einmal mitmachen, wenn ich künstlerisch überhaupt nichts beisteuern kann?«
So äußerte sich Mike Portnoy, auf Kevin Moore und den neuesten OSI-Output "Blood" angesprochen, in einem Interview. Um die Personalie zu klären: Im Gegensatz zu den beiden ersten OSI-Alben ist Portnoy nicht mehr als Drummer mit dabei. Und da wird einem schlagartig auch wieder klar, wenn man in die 90er Jahre zurückblickt, warum ein so begnadeter Keyboarder seinerseits bei Dream Theater ausstieg - gerade dann, als es kommerziell steil bergauf ging.
Moore hat ganz spezielle musikalische Vorstellungen. Um diese umzusetzen, hat er Opfer gebracht. Und um diese umzusetzen, hat er schließlich mit Jim Matheos einen idealen Weggefährten gefunden. Schon bevor sie 2003 ihr erstes gemeinsames Album "OSI - Office Of Strategic Influence" veröffentlicht hatten, war beiden ein gewisser Hang zur Melancholie in ihren musikalischen Werken gemeinsam. Moore ging diesem mit Chroma Key nach - und Jim Matheos klang mit Fates Warning von Album zu Album düsterer.
Schon bei Fates Warnings epischem Meisterwerk A Pleasant Shade Of Gray sowie auf dem Nachfolger "Disconnected" vollbrachten die beiden zusammen Großes - Matheos mit seiner genialen Detailarbeit an der elektrischen Gitarre und seinem unübertrefflichen Gefühl für komplex verschachteltes Songwriting, Moore mit seinen wehmütigen, eindringlichen Keyboardmelodien und hypnotisierenden Computer-Loops.
OSI geht im Prinzip ähnliche Wege, ist aber wesentlich experimenteller ausgerichtet. Wenn Fates Warning schon wenig bis nichts mit Massen-Kompatibilität zu tun hat, dann lockt dieses inzwischen doch schon recht beständige Band-Projekt der beiden Prog-Stars noch einmal bedeutend weniger Proggies aus den Höhlen hervor. Das ist doch schon recht speziell, was hier abgeht.
Stilistisch hat sich wenig gewandelt seit dem Debüt von 2003. Weil die ganze Chose für Mike Portnoy, wie schon gesagt, nicht Party-tauglich genug war, ist auf "Blood" für ihn Gavin Harrison von Porcupine Tree eingesprungen. Als Gast, versteht sich. OSI stand und steht auf zwei kreativen Säulen allein - feste 'Band'-Mitglieder sind Moore und Matheos.
Und die präsentieren sich wie erwartet als Spaßbremsen par excellence. Ihre Musik hat etwas
Beklemmendes, ja zum Teil beunruhigt Depressives an sich - wie der Soundtrack zum Leben desillusionierter Menschen. Klingt erst einmal nicht so toll - doch schätzt man als Liebhaber von Progressive Metal ja bekanntermaßen nicht nur fröhliche Tanzmusik.
So haben die insgesamt meist kompakten Songs auf "Blood" auch viel Tiefgang, öffnen sich dabei aber schneller als vergleichsweise wesentlich vertracktere Stücke von Fates Warning. Die Stücke auf "Blood" wirken meist introvertiert, was aber nicht gleichzusetzen ist mit 'ruhig'. Überhaupt nicht.
Zwar stehen auf der einen Seite Nummern wie "Terminal" oder "We Come Undone". Hier entfalten sich über Minuten hinweg pulsierende, elektronisch betonte Drives, zusammen mit ostinaten, minimalistischen Clean-Gitarren-Figuren, etwas Percussion - hypnotisierende, surreale Soundtracks. Auf der anderen Seite stehen teils richtig aggressive, in ihrer bewussten Monotonie betörende Metal-Riffs, düster und hart wie bei Fates Warning.
"False Start" ist hierfür ein Beispiel, das auch überraschend temporeich aus den Boxen kommt. Oder auch das Instrumentalstück "Microburst Alert", das experimentell und elektronisch geprägt beginnt, dann aber auf der Energie-Skala die Schwermetall-Schwelle übersteigt und einen Härtegrad entwickelt, der an "Heal Me" vom letzten Fates Warning-Album "FWX" erinnert.
Auch in ruhigeren Gefilden ist Jim Matheos' Gitarrenarbeit - für Fates-Fans wunderbarerweise - oft in lupenreiner Form identifizierbar: die detailversessene Melodiearbeit von "Radiologue" erinnert an "Wish" von jenem selben Fates Warning-Studiowerk aus dem Jahr 2004.
Viele weitere Songs bewegen sich irgendwo zwischen melancholischem Prog Metal und dem, was ich als moderne, Effekt-gestützte Psychedelik bezeichnen möchte, die durchaus Züge des Neo Prog trägt. Mal geben die Synthesizer die Richtung vor, wie beim Titeltrack. Noch öfter als auf dem Vorgänger Free sind aber die Stücke eindeutig von harten Gitarren angetrieben, wie beim rhythmisch komplexen "Be The Hero". Hier werden psychedelisch in sich zerlaufende Atmosphären jäh von harten Gitarren zerschnitten; und die eben beschriebenen Gegensätze treffen tiefenwirksam aufeinander.
Die Vocals des Nicht-Sängers Kevin Moore klingen gewohnt eigenartig, Gefühls-monoton gesäuselt, an Tonumfang eher arm. So isser aber nun mal - und passen tut's auch zu seiner eigenen Musik. Dennoch ist das Gastspiel von Mikael Åkerfeldt im Song "Stockholm" ein Highlight des Albums. Der Opeth-Sänger hat die Melodie zum Song gleich mitgeschrieben - und dadurch passt bei diesem Track aber auch wirklich alles. "Stockholm" ist einfach sensationell. Es beginnt mit zerbrechlichen Gitarren-Arpeggien. Später kommen wenige, aber ultraharte, in ihrer Vereinzelung bedrohlich wirkende Metal-Riffs hinzu. Åkerfeldts vorsichtiger, anmutvoller Gesang jagt einem Schauer über den Rücken. Ein Kunstwerk auf der Schnittstelle von Fates Warning und Opeths kontemplativem Werk "Damnation".
"Blood" ist, wie alles von OSI, mal wieder ein Geheimtipp für Melancholie-verliebte Prog-Grenzgänger. Noch mehr als die beiden Vorgänger, bietet es Substitution für Nachschub-hungrige Fates-Fans. Um Himmels Willen soll sich das Teil aber niemand kaufen, der sich vom Namen Kevin Moore Prog Metal im Stile von Dream Theater erwartet. Diesen Fehler dürfte zwar inzwischen kaum noch jemand begehen, doch man kann gar nicht oft genug davor warnen.
Ob OSI nun eine Band ist oder 'nur' ein Projekt... eigentlich hätten Moore und Matheos genug Zeit - regelmäßige Veröffentlichungen sind von beiden außer mit OSI schon lange nicht mehr zu erwarten. Und doch handelt es sich um ein kreatives Bündnis, innerhalb dessen man sich vornehmlich per Post austauscht und musikalische Ideen hin- und herschickt. Auftritte gibt's auch keine - eine 'Band' ist doch irgendwie was anderes.
Line-up:
Jim Matheos (guitar, keyboard, programming)
Kevin Moore (vocals, keyboard, programming)
Guest musicians:
Gavin Harrison (drums)
Mikael Åkerfeldt (vocals - #8)
Tracklist |
01:The Escape Artist (5:53)
02:Terminal (6:31)
03:False Start (3:06)
04:We Come Undone (4:05)
05:Radiologue (6:02)
06:Be The Hero (5:53)
07:Microburst Alert (3:51)
08:Stockholm (6:43)
09:Blood (5:26)
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