"Time Mirror" ist für Pär Lindh mehr als 'nur' ein Comeback-Album, zehn Jahre nach "Veni Divi Vici". Denn die vergangenen Jahre waren geprägt durch die schwere Krankheit und schließlich den Tod von Sängerin Magdalena Berg. Vor drei Jahren präsentierte sich das Pär Lindh Project als Instrumental-Band mit der in Krakau aufgezeichneten DVD In Concert - Live In Poland. Aber erst 2009 wurde ein neues Kapitel in der Ära der Band aufgeschlagen. Der Amerikaner Al Lewis ist zur Band gestoßen, genau wie der Chef ein 'Mehrfachtäter', in seinem Falle als Sänger und am Schlagzeug. Mit "Time Mirror" präsentiert das Trio - Nummer drei ist mit Basser William Kopecky kein neuer Name im PLP-Kosmos - erstmals, dass die Chemie stimmt.
Nur vier Stücke stehen auf der Liste; das erste ist gleich der Titeltrack und gibt mit mehr als 17 Minuten Spielzeit ein Versprechen an den Prog-Liebhaber ab, das zu hundert Prozent gehalten wird! Pär Lindh zaubert auf seinen Tasten ein atemberaubendes Potpourri aus Barock, Fanfaren, Funk, Rock und Ragtime zusammen. Er spielt Klavier, Hammond, Cembalo, wunderbar retro-spacig vibrierende Synthesizer, Mellotron und zwischendurch die Kirchenorgel der Kathedrale von Uppsala. Bei sieben Minuten wahnwitzig wunderbarer instrumentaler Themenvariation lässt er zwischendurch auch die geladenen Gäste an Geige oder majestätischer Bach-Trompete ans Werk. Wie Pär Lindh innerhalb weniger Sekunden nicht nur durch Rhythmen und Tempi, sondern auch durch musikalische Jahrhunderte wechselt, ist schier atemberaubend.
Bemerkenswert: Im Line-up seiner Band fehlt die Gitarre. Hier und da imitiert er mit seinen zig Tastensounds auch rockige Saiteninstrumente - aber eine echte Gitarre kommt schlicht und einfach nicht vor. Noch bemerkenswerter ist, dass die auch keiner vermisst. Die unglaubliche Bandbreite in Pär Lindhs Repertoire macht es möglich. Zudem erhält der Bass, sei es mit oder ohne Bünde am Griffbrett, viel Freiräume, die William Kopecky galant zu nutzen weiß. Es ist unheimlich spannend, die sehr präsenten Wanderungen der tiefen Töne mitzuverfolgen! Und über Al Lewis' Gesang lässt sich sagen, dass er eine derart frappierende Ähnlichkeit zu Ex- Yes-Frontbarde Jon Anderson aufweist, dass man die beiden stellenweise nicht auseinanderhalten könnte. Das 'Luftige' der Vocals geht mit dem instrumentalen Unterbau wunderbar einher - sei es zu den Pathos-beladenen Kirchenorgeln zu Beginn oder beim Wechsel in atmosphärisch leichtfüßige Klavier- und Cembalo-Gefilde gegen Ende.
Mit dem folgenden "Waltz Street" singt die Band einen Ragtime-lastigen und ironisch-gutgelaunten 'Wall Street Blues' auf die vergaunerten Ersparnisse von Millionen Menschen während der großen Finanzkrise - temporeich und wirklich fluffig ... natürlich arg sarkastisch! Track Nummer drei, "With Death Unreconciled", ist wieder wesentlich 'klassischer' ausgerichtet, eine von Pär Lindhs typischen Hommagen an goldene musikalische Zeitalter. Nach einem bombastischen Intro aus Pauken und Streichern, das beinahe ein wenig an Kansas' "Magnum Opus" erinnert, wird rasch die Kirchenorgel zum prägendsten Klanggeber, also das Instrument, das ja auch abseits progressiver Rockmusik zu den wichtigsten Werkzeugen des 'klassischen' Musikers Pär Lindh zählt. Mit majestätischer Grazie manövriert er durch barocke Harmonieabfolgen. In einem kuriosen Gegensatz dazu eskortieren ihn Prog-rockig und frech die beiden Bandkollegen von der aufgeweckten Rhythmussektion.
Nur Lewis Gesang mag einem mit der Weile etwas zu 'körperlos' wirken - es fehlt für ganze große Würfe sicherlich an Facettenreichtum. Das ist aber, wie so vieles beim Thema Musik, Geschmacksache. Das abschließende "Sky Door" verzichtet voll und ganz auf Gesang. Und selten hat ein Stück den auch so wenig gebraucht! Das Stück lebt von einer wunderschönen Melodie, in eine verträumte Atmosphäre gehüllt und von einen wunderbar weich brummenden Bass begleitet. Später wird das Hauptthema Fusion-rockig so spannend variert, dass zwischenzeitlich fast nur noch die Rhythmusfigur übrig bleibt. Nach einem ausgedehnten Break mit Brummelbass kehrt die ursprüngliche Anmutung zurück. "Sky Door" - ein Name, der wirklich passt! Eines der schönsten und spannendsten Instrumentalstücke der jüngeren Prog-Historie - und auch das, na klar: ohne Gitarre, aber voller Tastenzauber. Kleiner Tipp: Freunden vorspielen; mal sehen, wann sie das mit der (ohne die ...) Gitarre merken!
PLP ist zurück, und wie! Ein Album, das so viel bietet, aber sehr unkompliziert zu hören ist. Und das ist für eine Prog Rock-Band eine tolle Leistung. Wem bei seiner Reise im progressiven Weltmeer das Pär Lindh Project noch nicht untergekommen ist, dem seien noch ein paar Referenzen an die Hand gegeben. Wer der pompös-avantgardistische Synthesizer-Stil Trent Gardners gefällt, der wird den 'alten Schweden' lieben. Wer die witzig-verzwickte Art von Jordan Rudess auf höchstem pianistischen Niveau liebt, der wird "Time Mirror" lange Zeit nicht aus seinem CD-Spieler verbannen. Und wer von den sakral anmutenden, barocken Kanon-Chöre beim Titeltrack von The Divine Wings Of Tragedy nicht genug haben kann, der wird sich vorstellen können, wie sie mit Orgel, Bass und Schlagzeug klängen.
Line-up:
Pär Lindh (keyboards, drums & percussion)
Al Lewis (vocals, drums & percussion)
William Kopecky (bass guitars)
With:
Anders Lagerqvist (violin)
Bo-Inge Svensson (trumpet)
Svetlan Råket (drums - #1)
Stefan Bergman (drums - #4)
The Villberga Choir (choir parts)
Tracklist |
01:Time Mirror (17:09)
02:Waltz Street (4:50)
03:With Death Unreconciled (10:06)
04:Sky Door (9:44)
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