Pink Floyds "The Wall" - wie eine gewaltige Mauer steht dieses Album wohl für alle Zeiten in der Musikhistorie. Nicht nur, weil es mit dreißig Millionen verkauften Einheiten das erfolgreichste Doppelalbum aller Zeiten ist - nein, denn ein ausgeklügeltes Konzept wurde auf eine monumentale Bühnenshow und den Film ausgeweitet. Und, als ob dies alles nicht schon ausreichen würde, ranken sich zahllose Mythen und Halbwahrheiten um "The Wall", was den Verkaufserlösen sicherlich ebenfalls nicht abträglich war. Das abstruseste Hirngespinst - ihr kennt es sicherlich - ist die Geschichte um den deutschen Tontechniker Peter Fischer, der die Textzeile »All in all it's just another brick in the wall« in »Hol' ihn, hol' ihn unters Dach« umgeändert haben soll. Einige Tage später fand man ihn erhängt auf den Dachboden seines Hauses. Auch die Feindseligkeiten zwischen Roger Waters und David Gilmour wurden bis zum Brechreiz strapaziert. Der 'Labour'- und der 'Tory'-Anhänger oder Rick Wrights Ausstieg kurz vor der Veröffentlichung... es finden sich immer genug Haare, um Verschwörungstheorien herbeizuziehen.
Nun ist im vergangenen Monat die 'Bibel' zu "The Wall" erschienen und man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass "The Making Of Pink Floyd The Wall" Kultstatus erreichen wird. Denn: Der Autor, Gerald Scarfe, hat als Karikaturist die eindrücklichen Figuren des Artworks, der Bühnenshow sowie der Zeichentricksequenzen des Films entworfen und war zu jedem Zeitpunkt in die konzeptionelle Arbeit voll eingebunden. Mit diesem Buch beschreibt Scarfe, wie sein Beitrag zu diesem epochalen Werk entstanden ist.
Roger Waters skizziert in seinem kurzen Vorwort, wie er Scarfe begegnete. Bandkollege Nick Mason hatte dessen Zeichentrickfilm "Long Drawn-Out Trip" in der BBC gesehen und rief Waters an: »Schau Dir das an. Ich denke, mit diesem Typen sollten wir was machen«, was dieser tat. Der Rückruf war eindeutig: »Der ist offensichtlich total durchgedreht, wir sollten ihn an Bord holen« und man lud ihn zu einer Dark Side Of The Moon-Show in Londons Rainbow Theatre ein.
Im Sommer 1977 entstand Roger Waters' Idee zu "The Wall", als er bei einem Konzert in Montreal einen Zuschauer bespuckte. Offensichtlich genervt von den nicht enden wollenden Beifallskundgebungen spürte er die Isolation und Entfremdung vom Publikum. Die Mauer sollte den Schutz der Verletzlichkeit des Menschen wie die daraus resultierende Vereinsamung gleichermaßen symbolisieren. Teile von "The Wall" trägt somit durchaus autobiografische Züge: »Mir ist, als hätte ich die Hosen heruntergelassen und vor Deinen Augen gekackt« wird Scarfe Waters zitieren.
Autor Gerald Scarfe, geboren 1936 in London, arbeitete als Karikaturist für die New York Times und die Sunday Times, als Kostüm- und Bühnenbildner sowie als Trickfilmproduzent. In "The Making Of Pink Floyd The Wall" skizziert er den Entstehungsprozess seines Beitrages zu "The Wall". Genau genommen bestand dieser in einer Interpretation der Texte, der Musik und der vorher beschriebenen autobiografischen Ansätze. In Zusammenarbeit mit Waters entwickelte er die handelnden Figuren und beschreibt diesen Prozess in "The Making..." in dichter und kurzweilig-amüsanter Weise. Dabei sind Skizzen von Entwürfen dabei, die noch niemals veröffentlicht wurden.
Nebenbei erhält man auch tiefe Einblicke in die Floyd'sche Arbeitsweise und über die komplizierte 'Chemie' innerhalb der Band erfährt man fast mehr, als in Nick Masons Retrospektive Inside Out. Sehr schön sind kurze Auszüge aus Interviews - Statements zu verschiedenen Stadien der Entstehung - mit den noch lebenden Mitgliedern Pink Floyds, die locker zwischen die Texte gestreut werden.
Das Ausmaß an Informationen erschlägt einen beinahe, sodass man - hier kam mir der Vergleich mit der 'Bibel' - immer wieder einzelne Kapitel nachschlagen kann und dabei stets neue Blickwinkel auf den Stoff bekommt. Die grandiosen Zeichnungen Scarfes laden den Leser zudem auf eine visuelle Reise in surreale Welten ein.
Um das Buch kompetent abzurunden, wird natürlich auch auf Roger Waters' Remake der "The Wall"-Tour eingegangen, das dieser zum dreißigjährigen Jubiläum des Erscheinens des Albums aktuell inszeniert hat. Eine Zeittafel dokumentiert die langjährige Zusammenarbeit des Autors mit Pink Floyd und - last but not least - werden alle Texte des Albums am Ende des Buches abgedruckt.
Eine Buchbesprechung ist oftmals kein angenehmer Zeitvertreib. Man darf einerseits unter keinen Umständen zuviel verraten - andererseits soll dem Leser 'der Mund wässrig' gemacht werden. "The Making Of Pink Floyd The Wall" ist mehr als ein Buch über eine Rockband. Es ist obendrein ein künstlerisch wertvoller Bildband in einer besonders bemerkenswerten und hochwertigen Aufmachung. Man muss nicht zwingend ein Fan von Pink Floyd sein, um von Gerald Scarfes Arbeit begeistert zu sein. Dem Gesamtkunstwerk "The Wall" wird hier eine sehr schöne Facette hinzugefügt. Wenn man dann noch den sehr maßvoll bemessenen Preis hinzurechnet, kommt man nicht um eine ganz dicke Kaufempfehlung herum!
INHALT |
Kapitel 01:Vorwort (Roger Waters)
Kapitel 02:Einführung:
Long Drawn-Out Trip
Wish You Where Here
Kapitel 03:Das Album
Kapitel 04:Die Show
Kapitel 05:Der Film
Kapitel 06:The Other Side Of The Wall
Pros And Cons Of Hitch Hiking
Berlin
Kapitel 07:Roger Waters The Wall Live
Kapitel 08:Zeittafel
Kapitel 09:Texte
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Externe Links:
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