Eigentlich heißt er Dionysos, der Gott des Weines. Geläufiger in unseren Gefilden ist jedoch sein Beiname Bacchus, dessen Konterfei viele Weinstuben ziert. Dieser äußerst sympathische Gott war bzw. ist in letzter Zeit auch uns Rocktimern wohlgesonnen und hat Abwechslung in den musikalischen Alltag gebracht. Rezensionen aller möglichen Medien sind ja unser Metier und eigentlich immer irgendwie mit Musik verbunden. Selbst Luther meinte:
»Der Wein erfreut des Menschen Herz
Drum gab uns Gott den Wein
Auf, laßt bei Rebensaft und Scherz
Uns unsres Daseins freun
Wer sich erfreut, tu seine Pflicht
Drum stoßet an und singet dann
Was Martin Luther spricht
Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang,
Der bleibt ein Narr sein Lebenlang!
Und Narren sind wir nicht,
Nein, Narren sind wir nicht«
Wir wollen natürlich nicht als Narren dastehen, zumal gerade dann nicht, wenn es gilt, auch abseits von Tonträgern oder Konzerten zum Thema Musik zu schreiben.
Im ersten Artikel dieser Art schrieben wir »… Eine Weinbesprechung auch deshalb, weil sich nun auch das australische Rock-Urgestein in die Reihe derer einreiht, die Liasons mit Önologen eingehen. Spontan wollen wir da mal Kiss, Motörhead, Pink Floyd und natürlich die Götter nennen.«
Bacchus muss mitgelesen haben, denn Motörhead sowie Pink Floyd können wir nun neben AC/DC als Paten für den 'etwas anderen Genuss' in unserem Magazin nennen. Die RT-Kulinaria-Fraktion nahm die Herausforderung dankbar an und scheute keine Mühen bzw. Wetterunbilden, um zu testen, wer die Nase vorn hat: Prog oder Heavy Metal. Nachdem unser aller Nasen tief im Peugeot-LE TASTER-Verkostungsglas gearbeitet und im Anschluss daran auch Zunge sowie Gaumen ihren Part hatten, nun zum eigentlichen Teil dieses Artikels:
Begonnen haben wir mit dem Pink Floyd-Cabernet. Er wurde in Kalifornien von dem jungen Weinmacher Mark Beaman für die Mendocino Wine Company produziert. Unter dem Branding 'Wines That Rock' versucht dieser, seine Lieblingsmusik 'in Flaschen zu füllen', was ihm - so viel darf vorweg genommen werden - mit dem "Dark Side Of The Moon"-Cabernet Sauvignon hervorragend gelungen ist!
Vorweg muss geschickt werden, dass ich kalifornischen Weinen sehr kritisch gegenüberstehe. Das 'Weinmachen' nimmt man dort für mein (altmodisches) Weinverständnis etwas zu wörtlich. Verfahren, die mit dem deutschen Weinrecht unvereinbar wären, bereiten amerikanischen Winemakern überhaupt keine Bauch- oder Kopfschmerzen. Und viel zu oft scheint die kalifornische Sonne eben (auch) im Keller! Verregneter Jahrgang? Gut, das dürfte zugegebenermaßen im Südwesten der 'Staaten' relativ selten vorkommen - aber wenn, dann wird das 'überschüssige' Wasser einfach per Kryoextraktion aus dem Endprodukt gefiltert. Mit eben diesem Verfahren, kann man natürlich auch dünne Weinchen nachträglich konzentrieren, was nach deutschem Weinrecht Betrug wäre!! Oder ist vielleicht ein Wein gefällig, der nach einem Furz meiner verblichenen Großmutter duftet? Auch kein Problem, einfach die entsprechenden Enzyme während des Gärprozesses beifügen - fertig ist das 4711-Aroma! Kein Geld für teure Barriques? Ein Sack Eichenholzschnipsel in den Stahltank gehängt... oder (noch eleganter) mit den notwendigen Enzymchen nachhelfen. Alles scheint möglich im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Wen wundert es da, dass kalifornische Weinbaubetriebe oftmals eher an eine Ölraffinerie als an ein Weingut erinnern??
Mark Beaman präsentiert sich auf der Website des Weingutes außerordentlich sympathisch und kompetent. Weinkauf ist bekanntlich Vertrauenssache - und diesen Vertrauensvorschuss wollen wir Beaman gerne zugestehen, zumal sich der junge Weinmacher ebenso wie die Verantwortlichen der Winery sehr für ökologische Aspekte der Weinerzeugung engagiert.
Der Grundwein für "Dark Side Of The Moon" ist im Mendocino County gewachsen. Dieses Weinbaugebiet gehört zur Subregion 'North Coast' und ist von pazifischem Klima geprägt, was für ausreichende Niederschläge sorgt. Durch die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht sowie den Jahreszeiten, reifen die Trauben hier langsamer als im Rest Kaliforniens, wodurch ein guter Säureanteil erzielt wird, der den fruchtigen Körper in Balance hält. Die Säure verleiht dem Cabernet Sauvignon und dem Syrah, der hier ebenfalls beste Bedingungen vorfindet, einen kernigen Charakter, der einer fleischigen Frucht Paroli bieten kann. Als heimlicher Superstar des Mendocino County gilt das hoch dekorierte Weingut Fetzer.
Ein Drittel des Lesegutes ließ Mark Beaman 28 Monate in neuen (d. h. Erstbelegung) Barriques aus amerikanischer Eiche ruhen - der Rest wurde hälftig in Stahltanks und großen Fässern aus Redwood (die sog. Mammutbäume) ausgebaut. Eine ebenso weise wie populäre Entscheidung, denn aus den schlimmen früheren Erfahrungen mit überkonzentrierten 'Holzsäften' hat die Weinszene die richtigen Schlüsse gezogen!
Die Barrique-Aromen springen dem Tester förmlich in die Nase: Schokolade und Vanille satt - aber nicht aufdringlich parfümiert, sondern sehr schön eingebunden. Der Wein steht bläulich, fast violett im Glas und lässt einen schweren Brocken erwarten.
Doch das Gegenteil ist der Fall: Am Gaumen entpuppt sich der "Dark Side Of The Moon" als erstaunlich elegant - die süßen Tannine sind perfekt eingebunden. Komplexe Aromen von Kaffee, Cassis, Brombeeren und schwarzen Kirschen entfalten sich. Dabei vereint dieser Cabernet Sauvignon einen von einer weichen Frucht ummantelten harten Kern - erscheint also als perfekte Symbiose der Stile der 'alten' und der 'neuen' Welt, sprich: Bordeaux und Kalifornien.
Dieser Wein macht eindeutig glücklich - so schön kann also die Schokoladenseite des Mondes sein... Dieser sorgsam abgestimmte, elegante Wein darf als eloquenter Begleiter der feinen Küche angesehen werden und gehört definitiv in jeden Keller. Aber bitte trinken - nicht sammeln!!
Im Nachhinein betrachtet war die Entscheidung, den vermutlich mächtigeren Motörhead-Shiraz (= Syrah) nach dem "Dark Side Of The Moon" zu verkosten, unglücklich. Denn obwohl die Alkoholgrade (13,5 Vol.%) identisch waren, entpuppte sich der Shiraz überraschenderweise als der 'leichtere', sehr viel fruchtbetontere Wein. Dass ausgerechnet unsere knarzige Front-Warze Lemmy für einen echten Frauenversteher - dazu später näheres - seinen Namen hergibt, war so nicht unbedingt zu erwarten.
Das Etikett weist den Motörhead-Shiraz als Abkömmling der Region South-Eastern Australia aus - also genauer: er stammt aus New South Wales. Anders als die dortigen, bestens reputierten kontrollierten Anbaugebiete wie Hunter Valley oder Mudgee steht diese Herkunftsbezeichnung lediglich für Verschnittweine aus dem gesamten Bundesstaat. Das bedeutet 'übersetzt': Dieser Shiraz ist aus verschiedenen Grundweinen unterschiedlicher Provenienz 'komponiert' worden. Das bedeutet per se erstmal nichts unbedingt Schlechtes, aber hier haben wir wieder das 'Weinmachen', mit dem Freunde deutscher Weine nur zu gerne fremdeln.
Der Grundwein wurde importiert und durch die Fa. Expert Union im rheinhessischen Alzey abgefüllt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Lemmy Kilmister also in irgendeiner Form in den Entstehungsprozess des Motörhead-Shiraz' involviert war, dürfte gegen Null tendieren. Will sich da jemand mit einem dünnen Weinchen die Nase vergolden??
Mitnichten, denn der Motörhead-Shiraz steht blitzsauber im Glas. Sortentypisch tiefdunkel, wenn auch beileibe nicht so tintig wie andere Vertreter dieser Spezies.
Sofort springen die typischen Aromen in die Nase: Pflaumen und Gewürznelken - auch die dichten Düfte schwarzer Früchte lassen sich dem Glas entlocken.
Am Gaumen ist der Wein deutlich weniger spektakulär. Hier sind sie wieder, diese leicht 'marmeladigen' Anflüge, für die australische Shiraz' gerne gescholten werden. Auch wenn der weiche, runde Tropfen etwas zu stark auf den Massengeschmack getrimmt scheint: Ich habe schon wesentlich schlechtere Weine aus Down Under vor die Zunge bekommen. Trotzdem ist es ein eher vordergründiger Wein, dem man deutlich anmerkt, dass er jung auf die Flasche gezogen wurde. In Sachen Komplexität kann er seinem Vorgänger nicht das Wasser reichen!
Der Motörhead-Shiraz ist trotz dieser Einschränkungen ein äußerst anständiger und unkomplizierter Zechwein, der sich durch seinen verhältnismäßig moderaten Alkoholgehalt angenehm trinken lässt. Ein grundsolides Rock'n'Roll-Arbeiterkind eben...
Fazit dieser Vergleichsprobe: Die vier an dieser Verkostung beteiligten Personen spalteten sich in der Beurteilung der beiden Weine genau hälftig - interessanterweise nach Geschlechtern getrennt. Der Motörhead-Shiraz bezirzte als charmanter Frauenversteher die holde Weiblichkeit, während der bedeutend kernigere Cabernet Sauvignon dem weniger schönen Geschlecht gewaltig den Kopf verdrehte.
So unterschiedlich sich Pink Floyd und Motörhead musikalisch präsentieren, so verschieden sind auch die ihnen gewidmeten Weine ausgefallen. Der eine intellektuell verkopft - der andere mitten im Unterleib verortet. Genau dieses Spannungsfeld machte den Reiz dieser Probe aus.
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