»Thats what Presto is all about, we want to keep that soundalive«, sagte Kurdt Vanderhoof und meint den Klang der großen Prog-Rock-Pioniere der 70er Jahre. Mit "The Lost Art Of Time Travel" frönt der Metal Church-Gitarrist der Musik, die ihn früher am meisten beeinflusst hat, und das bereits zum zweiten Mal nach Peace Among The Ruins (siehe auch hier) aus dem Jahr 2005. Nun gibt es ja nicht wenige Bands, große und kleine, Szene-Stars und Eintagsfliegen, die den Prog Rock der 70er weiter leben lassen. Doch was mir an Presto Ballet besonders gut gefällt: es wird deutlich härter gerockt als bei Flower Kings & Co.
So erinnern mich die parallelen Akzente von Gitarre und Hammondorgel gleich zu Beginn von "The Mind Machine" an Kansas. Auch die mitreißenden Drives und extrovertierten Melodien des Openers, und nicht zuletzt die epische Struktur dieses Beinahe-Elfminüters haben etwas vom "Song For America" und erinnern mich auch, um moderene Vergleichsobjekte zu bemühen, an Longtracks à la Neal Morse. Ein paar freistehende Takte Clean-Gitarre und den dazu gehörigen quietschfidelen Bass könnte man Rush zudichten. Die behutsame Strophe mit verzerrtem Gesang vielleicht dem Genesis-Duo Steve Hackett / Gabriel. Zugegeben - etwas geht die Fantasie mit mir durch. So hätten es die Vorbilder spielen können. Abgekupftertes kann ich bisher dagegen kaum erkennen...
Ähnlich geht es auch weiter. Bei "Thieves" wechseln sich rockende Riffs mit intimen, zarten Momenten ab. Und gitarrenlastige Abschnitte mit sich vordrängelnden Synthesizer- und Hammond- und Mellotron-Klängen. Unbeschwertes Hardrock-Feeling im Stile von Styx mit rhythmisch verzwickten Kniffeleien. Auch der zweite Song des Albums dauert satte neun Minuten und ist durchaus ein bisschen anarchisch aufgebaut, wie es sich für echten symphonischen 70ies-Prog gehört! Trotzdem tauchen immer wieder prägnant instrumentierte, vielstimmig gesungene Passagen auf, die einem schon beim ersten Hören nicht mehr aus dem Ohr gehen!
Es folgt mit "You're Alive" ein 'nur' 4:24-Minuten kurzer Ruhepunkt. Akustikgitarre, Dur-lastig, Sonnenscheingesang, dazu im Hintergrund »dip, di-dip«-Backings. Mit einem Wort: Yes. Nur klingt das Ganze etwas zu sehr nach deren Song "And You And I" vom "Close To the Edge"-Album... Es folgt das 14-minütige Prunkstück des Albums, "One Tragedy At A Time" - eine episch vertrackte Prog-Perle, die mal wieder all den üblichen Verdächtigen Tribut zollt: In den rockenden Hammond-Gitarren-Drives ist es Kansas, sobald es ein bisschen dramatischer wird, werden Gedanken an Rushs "Xanadu", "2112" oder "Natural Science" wach.
"I'm Not Blind" geht wieder bedeutend straighter zur Sache und ist ein antreibender Rocker mit einem "Ripples"-Gedächtnis-Intro. "Easy Tomorrow" ist so 'ne Art progressiv verschachtelter Progrock: Deep Purple meets Spock's Beard! "Haze" ist schließlich ein ruhiger, melodischer Schlusspunkt des Albums. Entfernt klingende, zart anmutende verzerrte Clean-Gitarren, viele Akustik-Passagen... das Mellotron unterlegt nachdenkliche Momente, wie ich sie von RPWL kenne. Ein schöner Ausklang, doch hätte es für mich nicht der Überlänge von neuneinhalb Minuten bedurft.
Nach all den »kling wie «s (die Kurdt Vanderhoof aber durchaus selbst so beabsichtigt) muss jetzt auch noch Sänger Scott Albright herhalten, der für mich mit der musicalhaften Inbrunst eines Dennis DeYoung zu Werke geht - tolles Organ!
Alles in allem ist dieses Album eine Retro-Platte der besonderen Art, ein krasser Rundumschlag voller guter Ideen und strotzt nur so vor Spielfreude. Zwar gebe ich dem Vorgänger "Peace Among The Ruins" knapp den Vorzug, weil Vanderhoof und Konsorten dort noch heftgier zur Sache gegangen sind und streckenweise wie eine Fusion aus Heavy Metal und Prog Rock klangen. Doch auch mit "The Lost Art Of Time Travel" wird klar, dass die Kunst des Zeitreisens noch lange nicht verloren ist. Ab in die Zeitmaschine! Was dann passiert, das erklärt der Refrain von "The Mind Machine":
»If you feel that you have lost your mind this time/ Yes you have but the trip will be just fine!«
Line-up:
Scott Albright (vocals)
Kurdt Vanderhoof (guitar, synths, bass pedal, mellotron)
Bill Raymond (drums)
Ryan McPherson (hammond organ, piano, synths, RMI, mellotron, backing vocals)
Israel Rehaume (bass)
Tracklist |
01:The Mind Machine
02:Thieves
03:You're Alive
04:One Tragedy At A Time
05:I'm Not Blind
06:Easy Tomorrow
07:Haze
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