Psychopathic Romantics / Pretty Prizes
Pretty Prizes Spielzeit: 39:08
Medium: CD
Label: Eigenproduktion, 2010
Stil: Prog Rock, Post Rock

Review vom 15.05.2010


Norbert Neugebauer
Das ist keine leichte, nicht mal leicht einzuordnende Kost, die uns die 'psychopathischen Romantiker' vorsetzen, die sich als 'independent Italo-American band' im Begleitschreiben ihres wiederum selbst produzierten Zweitwerks "Pretty Prizes" vorstellen. Was daran amerikanisch ist, erschließt sich mir auch nicht unbedingt, die Namen der Bandmitglieder tönen jedenfalls sehr mediterran. Die Musik dagegen überhaupt nicht, die könnte wohl in jedem Winkel dieser Erde mit gleichem Ergebnis aufgenommen worden sein. Jedenfalls ohne für mich heraushörbaren regionalen Bezug, obwohl durchaus auch folkloristische Elemente vorhanden sind.
Während Kollegen diverser einschlägiger Fachmags den Prog Rock-Anteil für weniger ausgeprägt halten und eher die Indie- oder 'Post Rock'-Schublade aufmachen und dabei mit dem gitarrenlastigen Sound argumentieren (gleichzeitig möglicherweise den sonst genretypischen opulenten Keyboard-Einsatz als Merkmal vermissen), erinnert mich die Musiksprache dann doch sehr an frühe Prog-Werke (z.B. von King Crimson oder Van der Graaf Generator, selbst an Genesis).
Freilich ist das was ganz anderes im Ergebnis und dieses verbale Rumgeeiere ist nur ein Ausdruck mangelnder Definierungsfähigkeiten zum Gehörten. Kollege Ulli hatte den 2007er Erstling
Altered Education in die Psychedelic-Ecke gestellt, was in Teilen auch auf den Nachfolger zutrifft.
Es geht jedenfalls recht bunt zu, wobei die zahlreichen Abstecher in diverse Stilgefilde letztendlich dann doch ein Ganzes geben. "Pretty Prizes" rauscht nicht einfach durch und schüttelt die Gehörknochen immer wieder kräftig; ist dabei weder überkandidelt intellektuell, noch zu handgestrickt oder gar zusammengeschustert. Es ist ein eigenes Stück Musikwelt, ein ziemlich rauer Mikrokosmos, den sich die vier Herren da ausgedacht und inszeniert haben. Die Stimme von Mastermind (Hauptschreiber, Produzent) Mario 'Dust' La Porta schraubt sich doch recht markant durch die Titel (nur "21" ist rein instrumental) und geht dabei auch an die Grenzen. Von oft einfacher, folkiger Melodik ausgehend bauen sich die Titel vielschichtig und komplex auf, es kracht und donnert auch punkig bis hard rockig und entspannt sich dann doch wieder. Mal twangen Calexico-Klampfen, dann überschlagen sich die verzerrten Äxte und Batterien im Phaser. Es klimpert hier und zirpt dort, Mandolinen-Intro, Bockpfeifen-Zwischenspiel und Melodica-Ausklang. Kevin Coyne-Geheul, Canterbury-Art, früh-Floyd -scher Wahnsinn mit Tarantella-Klatschen.
Alles andere als eine glatte, windschlüpfrige Produktion, sondern borkig und widerborstig. Um diese ganze Geschichte einigermaßen mitzubekommen, sind wohl viele Hördurchgänge erforderlich.

Die Fans der genannten Genres sollten reinschmecken, das ist nix von der Stange!
Line-up:
Mario 'Dust' La Porta (vocals, drums, italian shoes, packaging tape, guitars, tambourine)
Augusto De Cesare (guitars, mandolin, glockenspiel, eggshaker, hands, vocals, insta piano)
Vincenzo Giambattista Tancredi (bass, organ, bass melodica, programming, guitars, guiro, 33cl beer bottle)
Filippo Jr. Santoiemma (guitars, harmonium, bouzouki, tammorra, toy piano, setar, melodica, vocals, hands)
Tracklist
01:What Did You Leave For Us?
02:Democracy's Pill
03:Transparent Smiles
04:The Definition Of Life
05:Free Barabbas
06:Silent Venom
07:Ant Farm
08:F.
09:Mother Nature Latest's Madness
10:21 (Ventuno)
11:I Came Here
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