»So here we are again, as we plead upon our knees, this agonizing pain
Spreading like a new disease, where heroes lay to rest
When we watch our idols fall, a revolution call«
("Where Dreams Go To Die")
Ups, an wen geht das denn? Die ersten Worte der neuen Queensrÿche könnte man glatt in ein Kuvert stecken, Briefmarke drauf, adressiert an ' Tate, Geoff, Seattle, WA' ... aber ich will der Band nichts unterstellen mit ihren kleinen Wortspielchen aus "Spreading The Disease" und "Revolution Calling". Und wenn die Message doch in Richtung Ex-Frontmann geht, dann ist die mitgelieferte Begleitmusik das dazugehörige Ausrufezeichen. Dass dieses Album nämlich besser sein würde als jenes Geoff Tates, auf dem ebenfalls ' Queensrÿche' steht, das war schon klar, bevor es da war. Denn das nur acht Wochen zuvor erschienene 'Taterÿche'-Album "Frequency Unknown" bietet lediglich zwei, drei annehmbare Tracks auf dem Level der wenigen 'guten' Songs der letzten QR-Jahre (Ausnahme: das tiefsinnige American Soldier). Plus viel Schlimmes, plus neu eingespielte Klassiker, die offenbaren, dass jene ' Queensrÿche' eine zusammengesuchte musikalische Söldnertruppe sind, die als Gruppe so viel Feeling hat wie ein Elefant beim Origami.
Ganz anders jene Queensrÿche, die sich in heftigstem Streit von ihrer immer schon eigenbrötlerischen Front-Ikone getrennt und mit Crimson Glory-Abgänger Todd La Torre verstärkt haben. Das wären die Gründungsmitglieder Michael Wilton, Scott Rockenfield und 'Edbass' Jackson - außerdem der junge Gitarrist Parker Lundgren, frisch geschieden von Tate-Tochter Miranda ... wenn's kracht, dann kracht's auch manchmal richtig. Live on stage hat die Band schnell für Entzücken gesorgt - mit Uralt-Denkmälern aus dem Songarchiv und einem Sänger, der sie beinahe wie der Ex in den 80ern vorträgt, mit verschwenderischer Energie und atemberaubender Technik. Die Band: wie entfesselt. Hat endlich wieder Spaß am Job. Und das neue Album, für den perfekten Neustart einfach "Queensrÿche" genannt? ... Es ist durchaus eine Überraschung für all diejenigen, die dachten, man klinge hier allerhöchstens so 'gesetzt' (Achtung, Ironie!) wie auf "The Warning".
Überhaupt nicht. Die Band macht zwar keine Experimente (schon gar keine mit Grunge, Indie und Trip Hop - oh, was haben wir gelitten ...) - aber man kramt doch wesentlich mehr gute Erinnerungen aus guten Zeiten hervor als gedacht. Beispiel "Where Dreams Go To Die": Gleich zu Beginn hypnotisiert den Hörer eine eher nachdenkliche und doch eindringliche Stimmung, wie wir sie von "Promised Land" kennen. Mit dem atmosphärischen "Open Road" ganz zum Schluss, in dem auch Akustikgitarre und Streicher verarbeitet sind, festigt sogar ein kompositorischer 'Rahmen' diesen Eindruck: "Queensrÿche" ist ein Album mit Seelenschmerz und Tiefgang. Und innerhalb des besagten Rahmens übt die Band allerhand Best Practice aus den Jahren 1983 bis 1994 aus. Brillante Rhythmusgitarren, Lead-Gitarren zwischen wild und wehmütig, Drums und Bass als perfekt eingestellter, metallischer Motor, endlich wieder ohne schräg-alternative Samba-Ausflüge (Achtung, Übertreibung!) ... und das in einem zeitlosen Retro-Sound (kein Widerspruch in sich!).
Klar, denn dafür zeichnet James 'Jimbo' Barton verantwortlich - der Mann hatte schon Operation: Mindcrime, Empire und "Promised Land" produziert bzw. koproduziert. Und er kennt sich auch mit Orchestrierungen aus: Die gespenstisch-mysteriöse Powerballade "A World Without" wird zu einem Ereignis, bei dem es einen heiß und kalt überläuft. Im Hintergrund singt keine Geringere als Pamela Moore mit. Ist dieser Song, der intensiv und berührend die Trauer und Verzweiflung über den Tod der Partnerin thematisiert, vielleicht sogar eine 'Erinnerung' an Sister Mary? Es ist Spekulation, aber Symbolik und Emotion würden passen. Keine Spekulation ist die ungeheure Präsenz und entfesselte Agilität der Band bei den straighteren, härteren Songs, ob es jetzt stilistisch mehr in Richtung "Empire" geht ("Spore", "Redemption", "Fallout") oder - tiefer in die 80er reingefühlt - "The Warning" ("Vindication", "Don't Look Back" - wow, die machen Tempo und Druck).
Seltsam, mit "Rage For Order" und "Operation: Mindcrime" verbinde ich die frischen musikalischen Eindrücke nie 'direkt'. Mag das daran liegen, dass jene Alben eine ganz besondere Magie haben? Etwas, das mehr ist als die Summe ihrer Tonspuren? Indirekt erinnert trotzdem viel an diese Phase. Dafür sorgen fabelhafte Trademarks wie kurzzeitig gedoppelte Lead Gitarren, klare Powerchords, die nicht unbedingt auf der 'Eins' im Takt erklingen, und kleine Sprechparts von Todd La Torre. Wenn er singt, dann tut er dies ganz im Stile und mit dem Gestus Geoff Tates. Zu behaupten, er klinge genau wie dieser; das geht mir allerdings etwas zu weit. Die Stimme Todd La Torres ist eine andere, und das hört man ebenso oft, wie es wohlig kribbelt, weil die Vortragsweise dann eben doch so urig 'Queensrÿche' ist. Zum Vergleich: Bei den drei Live-Klassikern auf der Bonus-CD, da klingt Todd tatsächlich noch mehr nach Geoff.
Wo wird das Album "Queensrÿche" von Queensrÿche nun seinen Platz in den Metal-Memoiren einnehmen? Es ist epochal, weil es eine Art Wiederbelebung verloren geglaubter Ursprünglichkeit markiert. Es ist das beste Album 'der Band' (wie viele auch immer es nun auch geben mag) seit 1994. Es ist durchweg erfrischend, stark und frei von Durchhängern. Jedoch fehlen ein paar 'Nummern für die Ewigkeit'. Sagenhafte Melodien wie die im Chorus von "In This Light" (Herzklopfen!) hätte es noch ein paar mehr geben dürfen. Womöglich spürt man eben doch, dass auch in dieser, von vielen als wahre der beiden Queensrÿche-Alternativen wahrgenommenen Band, nur drei Originalmitglieder mit von der Partie sind. Kein Chris DeGarmo, ohne den es berühmte oder heimliche Songwunder wie "Take Hold Of The Flame" oder "Bridge" nicht gegeben hätte (... der allerdings zugegebenermaßen auch "Hear In The Now Frontier" fast im Alleingang anrichtete). Aber ist es überhaupt möglich, noch einmal solche Legenden zu kreieren?
Es wird eine helle Wonne sein, die Band dabei zu begleiten, wie sie es versucht. Genauso, wie es schon ein lange herbeigesehntes Fest ist, dieses Album in Händen zu halten. Es ist keines, das mich im Glückstaumel selig sediert die Welt um mich vergessen lässt. Aber es lässt mich breit und zufrieden grinsen und sorgt dafür, dass ich meinen Trirÿche-Anhänger wieder um den Hals trage.
Haben sie das gehört, Mr. Tate?
»Now I'm standing in the crossfire, now I'm raising up my fist and you'll pay for this«
("Where Dreams Go To Die")
Line-up:
Todd La Torre (vocals)
Michael Wilton (guitar)
Eddie Jackson (bass)
Scott Rockenfield (drums)
Parker Lundgren (guitar)
Guest musician:
Pamela Moore (backing vocals - #8)
Tracklist |
CD 1:
01:X2 [instrumental] (1:09)
02:Where Dreams Go To Die (4:26)
03:Spore (3:26)
04:In This Light (3:24)
05:Redemption (4:17)
06:Vindication (3:26)
07:Midnight Lullaby [instrumental] (0:56)
08:A World Without (4:11)
09:Don't Look Back (3:13)
10:Fallout (2:46)
11:Open Road (3:54)
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CD 2:
01:Queen Of The Ryche [Live] (4:35)
02:En Force [Live] (4:21)
03:Prophecy [Live] (4:10)
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Externe Links:
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