Mit einer Textzeile aus dem
Kiss'schen "Detroit Rock City" möchte ich dieses Mal einleiten:
»Everybody's gonna leave their seat, you gotta lose your mind in Detroit Rock City«, denn im Grunde muss man zu dem Rocker aus der Motor City
Bob Seger nichts mehr sagen, man legt eine Scheibe ein, drückt auf Play und schon zuckt es in den Gliedern und auch das Kopfkino geht los. Kaum einer seiner Songs wurde nicht in irgendeinem Hollywood-Streifen als Filmmusik eingesetzt und beim Hören laufen sofort wieder die Bilder los - egal, wie lange das her ist und wer die Hauptrolle in dem Film gespielt hat. Ob es jetzt ein jugendlicher
Tom Cruise in "Risky Business" (1983) war, der damals zu den Jungen Wilden Amerikas zählte, eine bezaubernde
Cher an der Seite vom großartigen
Sam Elliott und dem jungen
Eric Stoltz in "Mask" (1985), die alte Schodderschnauze
Eddie Murphy in "Beverly Hills Cop II" (1987), oder, oder, oder… Man könnte die Reihe noch beliebig ergänzen. Wohnte man jetzt noch in den USA, so könnte man ihn ständig auf einer der Classic Rock Stations hören, die es in nahezu jeder größeren Stadt gibt. Zudem führt er derzeit jenseits des großen Teichs auch mal wieder die Classic Rock Charts mit aktuellen Hits an. Es ist ja schon immer wieder interessant zu sehen, wie groß doch der Unterschied zwischen Deutschland und der Szene in Amerika ist. Seit Ende der Sechziger spielt
Seger dort eine gewisse, seit den frühen Achtzigern eine nahezu unbeschreibliche Rolle. Hierzulande ist sein Stellungswert währenddessen schon bedeutend unwesentlicher. Zwar gab es teilweise auch gute Platzierungen seiner Alben, aber diesen amerikanischen Hype hat er hier nie erlebt. Wer wie ich das Glück hatte, ihn auch mal live (vor gefühlten 100 Jahren) in einem amerikanischen Stadion gesehen zu haben, dem wird sich dieser Unterschied unauslöschlich ins Hirn brennen - das Publikum dort flippt wie ein Mann regelrecht und regelmäßig komplett aus (nur um den Bezug zum Eingangszitat wieder herzustellen).
Nun hat die große Mutter EMI über Capitol Records nicht nur unlängst die beiden absoluten Live-Klassiker von
1976 und
1981 neu aufgelegt (und ich möchte bei den betreffenden Tracks auf die entsprechenden Stellen in diesen und
anderen Rezensionen verweisen, ohne noch ein weiteres Mal dezidiert darauf einzugehen), jetzt gibt es mit der vorliegenden Doppel-CD auf zweimal knapp unter einer Stunde auch noch eine Zusammenstellung der größten Hits von den diversen Platin-Alben, die der Meister zusammen mit seiner
Silver Bullet Band eingespielt hat. A propos Platin-Alben, davon hat er bislang elf Stück und zudem auch noch sieben Multi-Platin-Scheiben, das muss man erstmal nachmachen. Logischerweise haben wir es mit einem Mix aus Studiofassungen und Live-Mitschnitten zu tun. Dazu kommen neben all den remasterten Originalen in Stereo auch noch der erste Hit
Bob Segers "Ramblin' Gamblin' Man", der uns zeitlos in Mono mit schöner Hammond-Untermalung um die Ohren gehauen wird und seine Version des "Little Drummer Boy", den man ohne Übertreibung als Weihnachtsklassiker bezeichnen kann.
Ansonsten schiebt uns die Tracklist der ersten CD einen Hit nach dem anderen aus den Speakern und es bleibt wenig Zeit zum Luftholen. Von "Old Time Rock And Roll" über "Hollywood Nights" und "Night Moves" bis zu "Fire Lake" gibt es Hit auf Hit, zu Recht mit Platin ausgezeichnet. Dazu das grandiose, my all time fave, "Turn The Page" als Live-Version. An dieser Stelle darf ich den geschätzten Kollegen Steve zitieren, der mir aus der Seele spricht: »[…] oft gecovert, aber nie auch nur annähernd erreicht!« Auch auf der zweiten Scheibe werden wir vorzüglich bedient. "Rock And Roll Never Forgets" eröffnet den Reigen und wird unmittelbar vom Million Seller "Against The Wind" verfolgt, dieser Ballade, die selbst dem größten Ignoranten im Ohr klingen dürfte. Der "Ramblin' Gamblin' Man" ist oben bereits erwähnt und stellt für diese Kompilation eine nette Dreingabe dar. Etwas später folgt ein hammerhartes Doppelpack aus den beiden Live-Mitschnitten "Travelin' Man" und "Beautiful Loser", wo man für meinen Geschmack noch gut zwanzig Minuten länger hätte jammen können. "Katmandu" mit seinen tollen Bläser- und Gitarren-Passagen aus dem vorgenannten Film "Mask", ebenfalls ein Song, der jedes Stadion zum Kochen bringt. Der "Little Drummer Boy" ist zwar mit viel Pathos vorgetragen, erfreut sich in Amerika sicher großer Beliebtheit und war auch noch nie auf einem Album von Bob Seger enthalten, aber die Version, die ich mal live von den Toten Hosen bei ihrem sagenumwobenen 'Weihnachten in Düsseldorf'-Konzertmarathon von 2009 gesehen habe, ist wesentlich erfrischender - welch Wunder… Nach der Ballade "Wait For Me" kommen dann ebenfalls quasi als Bonus die beiden aktuellen Erstplatzierungen der US Radiosingles "Hey Hey Hey Hey…" mit wieder mal einem klasse Saxophon und als Rausschmeißer "Downtown Train", eine letzte typische Bob Seger-Ballade - zwei Akkorde reichen und du weißt, wer's ist.
Wie das nun mal mit Zusammenstellungen so geht, es wird immer den einen oder anderen Hörer geben, der jetzt kritisieren mag, dass man viele seiner ganz alten und guten Stücke nicht mit aufgenommen hat. Dabei stellt sich die Frage, ob sie hier denn dazugehört hätten, spiegeln die beiden vorliegenden CDs doch die absolute Hochphase des Seger'schen Schaffens wider. Der Fan wird jedoch auch zustimmend nicken und die Songauswahl goutieren müssen. Unter dem eben genannten Vorzeichen bleiben für den Neuling oder Wiedereinsteiger in Sachen Bob Seger wenig Alternativen! Das umfangreiche Booklet bietet zudem alle Lyrics und neben einigen Bildcollagen auch noch weitere Information zu den einzelnen Tracks.