Oh, was habe ich mich mit der vorliegenden CD schwer getan, bis ich davon überzeugt war, dass auch die jüngste Veröffentlichung von KWS ein tolles Album ist. Das lag aber weniger an der Einspielung selbst, als wohl eher an meiner Erwartungshaltung an das neue Werk.
War das grandiose CD/DVD-Album 10 Days Out - Blues From The Backroads aus dem Jahr 2007 eindeutig eine Reise in die Blues-Vergangenheit, so war auch die darauf aufbauende CD Live! In Chicago aus dem vergangenen Jahr eine Rückbesinnung an die großen Bluesmusiker des vergangenen Jahrhunderts - insbesondere, da einige von ihnen auf der einen bzw. anderen Scheibe mitspielten. So erwartete ich offenbar ein 'traditionelles' Blues-Album von dem nach wie vor jungen Ausnahmemusiker.
Weit gefehlt: "How I Go" ist absolut aktueller Blues Rock, wenn auch nicht durchgehend präsentiert. Die ganze CD ist ausgesprochen variantenreich und damit musikalisch sehr interessant. Eingespielt ist sie - wie bereits der Vorgänger - von der Kenny Wayne Shepherd Band, d.h., KWS sieht sich mittlerweile weniger als Einzelmusiker, denn als 'primus inter pares' einer gut eingespielten Band mit illustren Kollegen. Chris 'Whipper' Layton an den Drums sowie Tommy Shannon am Bass haben immerhin schon mit dem großen KWS-Vorbild Stevie Ray Vaughan zusammen gespielt. Sie waren auch ebenso bereits bei "Live! In Chicago" dabei, wie Riley Housborn (Keyboards & B-3) sowie der Lead-Sänger Noah Hunt. Letztgenannter ist übrigens das einzige Band-Mitglied (neben KWS), von dem Fotos im ausführlichen Booklet (mit sämtlichen Songtexten) abgedruckt sind, und der auch die obligatorischen Danksagungen loswerden darf. Ganz zu verstehen ist diese 'Zwei-Klassen-Gesellschaft' dann doch nicht.
Zur Ausstattung: Es gibt "How I Go" als Vinyl-LP sowie normale CD mit jeweils 13 Tracks sowie als 'Special Edition' im Digipack mit vier Bonus-Tracks (bei Amazon derzeit sogar günstiger angeboten, als die normale CD!). Natürlich habe ich mich - wenn schon, denn schon - für die 'Special Edition' entschieden, obwohl ich die aus immer dünner werdendem Karton hergestellten Digipacks eigentlich nicht mag. Und prompt habe ich mir bei dem Versuch, das Booklet aus der Hülle zu friemeln, den Karton eingerissen. Das jedoch nur - im doppelten Sinne verstanden - am Rande.
Musikalisch rockt es richtig gut los. "Never Lookin' Back" - ein krachender Blues-Rock, ganz im Stile von ZZ Top. Die kräftige Stimme von Noah Hunt kontrastiert stark mit dem filigranen Gitarrenspiel von KWS. Im selben Stil kommt "Come On Over" daher.
Dann der erste Cover-Song "Yer Blues". Zugegeben, als Beatles-Song konnte ich dem Titel nicht allzu viel abgewinnen, passte er doch so gar nicht in deren Repertoire. Doch die Nummer erfreut sich offenbar bei Blues-Rockern großer Beliebtheit, hat ihn doch auch schon Jeff Healey mehrfach auf CD (Live wie Studio) herausgebracht. Doch (wie auch bei Healey) hier passt alles zusammen. Kräftiger Bass, ebensolcher Gesang und mehrfache Solo-Einlagen von KWS lassen einen auch den Walzer-Takt ertragen.
"Show Me The Way Home" erinnert sehr stark an "You Can't Treat Me This Way" von Slowman von dessen Album The Best Of und ist allein deshalb schon gut. Doch die Ähnlichkeit ist schon sehr frappierend! Der Song geht nahezu übergangslos über in den nächsten Track "Cold"; genau genommen - wenn man dieses Stück direkt anwählt - hört man noch das Ende vom 'Vorläufer', bevor der abrupte Wechsel stattfindet. Ob das vielleicht ein Produktionsfehler (nur meiner CD?) oder doch gewollt ist - who knows! Auch bei "Cold", das von KWS selbst gesungen wird, habe ich sofort ähnliche Assoziationen. Der mehr als Pop-Song denn als Blueser gestaltete Titel erinnert in Art der Komposition, Instrumentierung und des Gesang an die Jungs von Orange Blue, ohne dass mir aber ein konkreter Titel in den Sinn käme. Allein das eingeschobene Gitarrensolo bringt da schon etwas härtere Gangart.
Dass auch das folgende "Oh, Pretty Woman" nicht neu klingt, ist allerdings nachvollziehbar, handelt es sich doch ausgewiesenermaßen um eine Cover-Version; Nein, nicht von Roy Orbison. Die Komposition eines gewissen A.C. Williams hat ursprünglich Albert King eingespielt. Auch John Mayall und Gary Moore haben diesen Song gecovert, so dass gerade hier deutliche Ähnlichkeiten zu erkennen sind. Bei einem Cover erfindet man ja gerade nichts wirklich neu.
"Anywhere The Wind Blows" ist ein wunderschöner Slow-Blues, mit untermalendem Background-Chor und melancholischer Gitarre - zum Wegträumen! In die gleiche Richtung geht auch "Heat Of The Sun"; eine ebenso geniale Komposition, die auch - jetzt muss ich auch ihn noch erwähnen - von Joe Bonamassa hätte stammen können. Beide Tracks sind meine unbedingten Anspiel-Tipps!
Dazwischen geht es mit "Dark Side Of Love" etwas flotter zu, und auch hier sind bereits mit dem ersten aufjaulenden Ton der Solo-Gitarre Ähnlichkeiten zu großen Vorbildern kaum zu leugnen. Neben den Anlehnungen an Stevie Ray Vaughan denke ich angesichts des ebenso prägnanten Einsatzes von Bläsern an die Version von "The Thrill Is Gone", die KWS auf "10 Days Out" mit B.B. King hat. Auch die vorliegende Komposition ist - wie im seinerzeitigen Review von Norbert Neugebauer treffend beschrieben - »elektrisierend« eingespielt - grandios!
Hat man sich bis hier hin durchgehört, bekommt man mit "Round And Round" bereits den ersten Bonus-Track geliefert. Klassischer Blues Rock. Rockig auch "The Wire", durch das intensive Treten des Wah Wah-Pedals insgesamt etwas dreckiger klingend.
Was für ein Stilwechsel zu "Who's Gonna Catch You Now": Anfangs nur akustische Gitarre und Gesang von KWS, anschließend mehrstimmiger Gesang ganz im Stile von CSN&Y, wird das Ganze mit dem Einsetzen der gesamten Band einschließlich der elektrischen Gitarre eher zum Extreme-Song.
Und wieder ein fast schon brutaler Stil-Wechsel: Rollende Piano-Klänge und die Stimme von Noah Hunt bilden den gut eine Minute langen Prolog für den Bessie Smith-Klassiker "Backwater Blues", bevor das Ganze - wiederum mit dem Einsetzen der gesamten Band - zu einem wunderschönen Blues Rock wird; mit 7:12 Minuten Spielzeit der längste Titel des Albums. Nur halb so lang ist das folgende Instrumental "Strut", das den Schluss von LP und 'normaler' CD bildet. Ein flotter Boogie-Woogie, daher auch stark Piano-geprägt.
Die beiden Bonus-Tracks "Butterfly" und "Cryin' Shame" sind klassischer Blues Rock, von denen der erste interessant ist wegen des zweistimmigen Gesangs der beiden Vokalisten, der zweite hingegen eher durch die Gitarren-Frickelei von KWS geprägt ist. Den absoluten Schluss der Scheibe bildet eine etwas ruhigere Ballade; ein wirklich schöner Ausklang und ganz sicher mehr als nur 'Füllstoff'.
Oh, was habe ich mich schwer getan, meine zunehmende Begeisterung für die neueste KWS-Veröffentlichung nicht allzu sehr in diese Besprechung einfließen zu lassen. Letzten Endes stellt das Album - nicht nur durch die aufgenommenen Cover-Versionen - in gewisser Weise doch eine Rückbesinnung an frühere Jahre dar, denn auch mit den Eigenkompositionen huldigt KWS vielen großen Blues-Musikern. Dennoch tragen die Songs noch genügend eigene Handschrift (naja, vielleicht nicht alle, s.o.). Den Hörer erwartet jedenfalls ein abwechslungsreiches Album. Die Band harmoniert gut miteinander, und die Songs gewinnen stark dadurch, dass KWS den Gesang in erster Linie Noah Hunt überlässt, auch wenn er sich stimmlich durchaus verbessert hat. Für mich ist die Scheibe jedenfalls ein absoluter Tipp!
Line-up:
Kenny Wayne Shepherd (lead guitar & vocals)
Noah Hunt (lead vocals)
Chris 'Whipper' Layton (drums)
Tommy Shannon (bass)
Riley Hosbourn (keyboards & B-3)
Also featuring:
Scott Nelson (bass)
Nathan East (bass)
Stephanie Spriull (background vocals)
Pat Hodges (background vocals)
Marc Baum, Rich Armstrong, Fil Lorenz (horns)
Tracklist |
01:Never Lookin' Back (4:16)
02:Come On Over (3:55)
03:Yer Blues (4:42)
04:Show Me The Way Back Home (5:23)
05:Cold (4:00)
06:Oh, Pretty Woman (3:53)
07:Anywhere The Wind Blows (5:30)
08:Dark Side Of Love (4:21)
09:Heat Of The Sun (5:23)
10:Round And Round (3:47)
11:The Wire (3:06)
12:Who's Gonna Catch You Now (4:32)
13:Backwater Blues (7:12)
14:Strut (3:37)
15:Butterfly (3:34)
16:Cryin' Shame (3:32)
17:Baby The Rain Must Fall (4:08)
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Externe Links:
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