Von einem solchen Projekt träumt wohl jeder Bluesmusiker - rauszugehen und überall im Land mit den noch verbliebenen Veteranen zu spielen. Kenny Wayne Shepherd erfüllte sich mit 27 den Traum im Juni 2004 und hielt das mit einem Ton- und Film-Aufnahmeteam fest. Das Resultat ist das wohl wichtigste Projekt seit den Tagen Alan Lomax' in Sachen Dokumentation des authentischen Blues.
KWS stammt aus Louisiana und stand mit 13 das erste Mal mit Bryan Lee und Stevie Ray Vaughan auf der Bühne. SRVs Bass- und Schlagzeugteam Double Trouble bildete das musikalische Rückgrat für die nur zehn Tage dauernde Tour durch den Süden der USA, Jerry Harrison leitete die Musikproduktion, Noble Jones die Filmaufnahmen und Vater Ken Shepherd organisierte das Unternehmen. Aufgenommen wurde überall dort, wo die Musiker zuhause waren, vom eigenen Anwesen, über Kneipen, einer Scheune, einem Friedhof, bis hin zu einer früheren Kirche, in der nun Konzerte stattfinden.
Wie wichtig dieses Projekt war, zeigt sich allein daran, dass bis zur Veröffentlichung der Aufnahmen auf diesem CD/DVD-Doppelpack bereits sechs der darauf portraitierten alten Blueser nicht mehr auf dieser Welt spielten. Und beim Alter (einige weit über 90) ihrer Kollegen ist abzusehen, dass ihnen sicher bald die nächsten folgen werden. Die jüngsten waren damals doppelt, die meisten jedoch mindestens dreimal so alt, wie KWS. Neben dem letzten Blues-Giganten B.B. King, den verbliebenen, hochgeschätzten Mitgliedern der früheren Bands von Howlin' Wolf
und Muddy Waters und dem weiteren bekannten Altmeister Clarence 'Gatemouth' Brown, besuchte das Team eine Reihe von Musikern, die wohl nur in ihrer engeren Heimat einen Namen haben.
Zu sehen und zu hören sind: Tommy Shannon, Chris Layton, Jerry 'Boogie' McCain, Cootie Stark, Neal Pattman, Buddy Flett, B.B. King, Clarence 'Gatemouth' Brown, Bryan Lee, John Dee Holeman, Etta Baker, Henry Townsend, Honeyboy Edwards, The Howlin' Wolf Band (mit Hubert Sumlin, Henry Gray, Calvin Jones, Wild Child Butler) und die Muddy Waters Band (mit Pinetop Perkins, Willie 'Big Eyes' Smith, Bob Margolin).
KWS spielt mit seinen jeweiligen Gastgebern akustisch und elektrisch. Die erzählen dazu viele interessante Geschichten von ihrem Leben mit dem Blues. Auf der CD fehlen natürlich diese Stories, aber die Songs sind in unterschiedlicher Reihenfolge komplett enthalten. Obwohl den alten Legenden damit ein würdiger Tribut gezollt wird und ein Teil sicher sonst wohl kaum am Ende ihres Musikerdaseins noch einem größeren Blues-Publikum bekannt geworden wäre, ist es jedoch immer das Projekt des Gitarristen KWS. Er begibt sich auch auf Spurensuche in eigener Sache. Sein Können und seine Spieltechnik sind sicher bemerkenswert, aber gerade im Kontext mit den wahren Größen, den Altmeistern, wird öfters deutlich, dass ihm die echte Klasse und die Originalität noch fehlen. Und wenn ihm Bryan Lee und Hubert Sumlin große Komplimente machen, dann ist das wohl vermutlich eher der übliche Credit an den Macher des Ganzen, als echte Bewunderung. KWS drängt sich zwar nicht ausgesprochen in den Vordergrund, aber angesichts der wirklichen Blues-Hochkaräter wäre auf der Bühne etwas mehr Zurückhaltung sicher kein Fehler gewesen.
Obwohl es größtenteils Feldaufnahmen sind, die auch im Studio nach Aussagen KWSs so authentisch wie möglich und ohne Overdubs belassen wurden, ist die Soundqualität sehr gut, auf DVD sogar hervorragend. Nachdem die Protagonisten zuvor sorgfältig hinsichtlich ihrer Originalität ausgewählt worden waren, stellt "10 Days Out" auch eine zeitgenössische Momentaufnahme des Blues dar, die durch den Tod einiger Mitwirkenden teilweise schon wieder Geschichte ist. Dabei ist jedoch gar nicht die historische Dimension das Entscheidende, hier gibt es erstklassige, stilistisch vielfältige und leidenschaftliche Musik zu bewundern!
Die Tour (in der chronologischen Reihenfolge der DVD) beginnt in New Orleans bei Bryan Lee ( KWSs erstem Mentor) und Clarence 'Gatemouth' Brown, beide jammen mit Double Trouble, dabei überrascht Brown auch als exzellenter Geiger. Ein Akustik-Duo mit Buddy Flett (bei dem sich wohl John Fogerty seinen Gesangsstil abgeschaut hat) an Leadbellies letzter Ruhestätte folgt, dann geht es nach Indianola, wo B.B. King unerwartet powerful mit seinem kompletten 'Orchester' in einem der letzten Juke Joints aufspielt - nein, bei dieser Aufnahme war keineswegs "The Thrill (Is) Gone", sondern das elektrisiert auch noch daheim am Fernseher. Dann geht es weiter übers Land, auf die Veranda von John Dee Holeman oder in die Küche von Etta Baker, durch die Bundesstaaten Mississippi, Louisiana, Alabama, North Carolina sowie Missouri und endet mit den fantastischen Sessions der beiden legendären Bands von Howlin' Wolf und Muddy Waters in einer ehemaligen Kirche von Salinas, Kansas in der heute das Blue Heaven Studio untergebracht ist.
Es gäbe viele interessante Szenen zu erwähnen, aber die soll sich der Blues-Interessierte auf der DVD selbst ansehen. Abstriche gibt es bei der Video-Produktion, die Aufnahmen sind leider oft dilettantisch, anders lässt sich das Gewackel, die fortgesetzten Unschärfen, die hakeligen Zooms und die durch Zuschauer verdeckten Kamerapositionen kaum bezeichnen. Warum angesichts der unzweifelhaft vorhandenen Authentizität auch noch mit Schwarzweiß-Umschnitten und sepia-getönten Landschaftshorizonten gearbeitet wurde, erschließt sich zumindest dem RockTimes-Redakteur nicht. Aber Ersteres verbucht der mal unter 'Feldarbeit', Zweites unter 'Ami-Geschmack'. Es trübt den hervorragenden Gesamteindruck der Dokumentation nicht nachhaltig, der Musikgenuss ist davon eh unbeeinträchtigt. Der Fan sitzt quasi immer mit dabei. Dazu passt auch das persönliche Tourtagebuch von KWS im Booklet, dem die Einmaligkeit des Unternehmens immer bewusst war.
Zum eigentlichen Film gibt's noch ein paar Bonusaufnahmen mit den Künstlern Essie Mae Brooks, Cool John Ferguson und noch einmal Buddy Flett (keine Ahnung, warum die extra sind), das war's dann auch schon. Leider keine Untertitel, die weniger wegen der fremden Sprache, als der nuscheligen Aussprache der alten Leute mit ihrem Südstaatenakzent manchmal hilfreich wäre. Doch auch das ist kein echtes Manko. Ein Teil des Erlöses fließt in die Music Maker Relief Foundation, die die Veteranen der Southern Music unterstützt.
Dieser Tage ist KWS mit einigen der "10 Days Out"-Künstlern auf Tour in den USA. Nicht mehr dabei sein können 'Wild Child' Butler, Neal Pattman, Cootie Stark und Clarence "Gatemouth" Brown, die alle 2005 starben. Etta Baker und Henry Townsend folgten ihnen im letzten Jahr.
Bluesfans - "10 Days Out" ist schlichtweg ein Muss!
Tracklist |
CD:
01:Prison Blues [with Cootie Stark & Neal 'Big Daddy' Pattman]
02:Potato Patch [with Jerry 'Boogie' McCain]
03:Honky Tonk [with Buddy Flett]
04:The Thrill Is Gone [with B.B. King]
05:Tina Marie [with Bryan Lee]
06:Born In Louisiana [with Clarence 'Gatemouth' Brown]
07:Chapel Hill Boogie [with John Dee Holeman]
08:Tears Come Rollin' Down [with Henry Townsend]
09:Knoxville Rag [with Etta Baker]
10:Big Daddy Boogie [with Neal 'Big Daddy' Pattman]
11:U-Haul [with Cootie Stark]
12:Red Rooster [with Henry Gray and Howlin' Wolf Band]
13:Sittin' On Top Of The World [with Hubert Sumlin and Howlin' Wolf Band]
14:Spoonful [with George 'Wild Child' Butler and Howlin' Wolf Band]
15:Grindin' Man [with Pinetop Perkins and Muddy Waters Band]
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DVD:
01:Born In Louisiana [with Clarence 'Gatemouth' Brown]
02:Tina Marie [with Bryan Lee]
03:Honky Tonk [with Buddy Flett]
04:The Thrill Is Gone [with B.B. King]
05:Potato Patch [with Jerry 'Boogie' McCain]
06:Prison Blues [with Cootie Stark & Neal 'Big Daddy' Pattman]
07:Chapel Hill Boogie [with John Dee Holeman]
08:U-Haul [with Cootie Stark]
09:Knoxville Rag [with Etta Baker]
10:Big Daddy Boogie [with Neal 'Big Daddy' Pattman]
11:Tears Come Rollin' Down [with Henry Townsend]
12:Red Rooster [with Henry Gray and Howlin' Wolf Band]
13:Spoonful [with George 'Wild Child' Butler and Howlin' Wolf Band]
14:Grindin' Man [with Pinetop Perkins and Muddy Waters Band]
15:Got My Mojo Working [with Pinetop Perkins with Muddy Waters Band]
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Externe Links:
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