Michael Stanley / The Hang
The Hang Spielzeit: 74:23
Medium: CD
Label: Line Level Music, 2012
Stil: Rock

Review vom 23.04.2012


Daniel Daus
Ich verfolge die Karriere des aus Cleveland, Ohio stammenden Michael Stanley seit ungefähr der Jahrtausendwende mit Begeisterung und besitze knapp ein Dutzend seiner mittlerweile 25 Tonträger, die er im Laufe der Zeit, sei es mit der Michael Stanley Band (da habe ich mir dann noch was nachbesorgt) oder mit den Resonators, seiner aktuellen Begleitcombo, herausgebracht hat. Seit "Eighteen Down" bin ich sozusagen kontinuierlich am Ball geblieben und zähle alle ab da veröffentlichten CDs zu meinem Besitz.
Die beiden tollen Vorgänger Just Another Night und Shadowland wurden ja bereits von den Kollegen Giese und Braun eindringlich beleuchtet und auch die machten aus ihrer Sympathie bezüglich des Protagonisten und seiner musikalischen Leistung zurecht keinen Hehl. Im Prinzip könnte man die Besprechung zu seinem neuen Werk "The Hang" hier abbrechen und auf das Angemerkte in ihren Artikeln verweisen, da Stanleys Alben aus der Resonator-Phase doch sehr ähnlich gestrickt sind. Dies käme aber einer einzigen Respektlosigkeit einem solch hervorragenden Künstler gegenüber gleich.
Natürlich hat "The Hang" wieder all' die Stanley-typischen Trademarks zu bieten: Diese unaufgeregt dahinfließenden, sich fast sanft in die Gehörgänge einschmeichelnden, voller Melodie strotzenden Storyteller-Stücke, zwischen Ballade, entspanntem Midtempo und dem einen oder anderen etwas rockigeren Song, wie es auch Bob Seger (wenn auch in etwas kräftigerer und letztendlich kommerziell erfolgreicherer Manier) gerne praktizierte. Eine Jennifer Lee, die ihre wie immer auf den Punkt sitzenden und zu Stanley brillant passenden Harmoniegesänge en Masse einbringt sowie Keyboarder Bob Pelander, der Michaels unaufgeregten Gesang und seine einfühlsame Gitarrenarbeit zu Hauf wieder mit seinen wohlsamen Tastenklangteppichen umgarnt. Für den Mix ist wie so oft Legende Bill Szymczyk verantwortlich.
Und trotzdem ist "The Hang" diesmal ein besonderes Album, zeigt es doch einen Michael Stanley in den schwersten Stunden seines Daseins. Seine geliebte Frau Skinner erlag im letzten Jahr dem Kampf gegen ihr Krebsleiden (von ihr ist auch das einzige Bild auf der Rückseite des eingesteckten Booklet im karg, nur mit einer Mauer und einer sinnbildlich leeren Bank, fotografierten Digipak). So stehen einige Songs dieses Albums offensichtlich im Fokus dieser schweren Zeit. Ganz deutlich u. a. in Textpassagen (alle Texte sind im Booklet abgedruckt) von "Breaking Down" oder "Fait Accompli" und auch allein schon an vielen Titeln der Lieder erkennbar.
Die traurigen Violinenklänge bei den kammermusikartig angelegten "Martha" und "Another New Years Eve" drücken ebenfalls auf die Stimmung. Coverversionen gibt es von Patty Griffins ""When It Don't Come Easy" und Dire Straits' "Romeo & Juliet" (mit Mark Knopfler-Gedächtnis-Strat-Solo). Das gesellschaftskritische "How Many Guitars Do You Need" erinnert im Refrain" an eine gedrosselte Abwandlung von Bon Jovis "Keep The Faith".
Zu den rockigeren Tracks zählen das slidebetonte "A Damn Fine Way To Go" (starkes E-Solo), das groovige, mit einem bedrohlich wirkenden E-Piano daherkommende "Down In The Suck", das Heartland-trächtige "Back In The Day" (Bob Seger-Note) sowie das soulig stampfende Titelstück (polternde Drums, Orgel, klasse Gitarren, Saxophonfills) zum krönenden Abschluss. Ein wenig Countryflair gibt's beim mit wimmernder Pedal Steel versehenen "Wonder Wheel".
Michael Stanley hat mit "The Hang" den wohl intensivsten und düstersten Longplayer (im wahrsten Sinne des Wortes - mit fast 75 Minuten Spielzeit) seiner umfangreichen Karriere vorgelegt, der ganz klar im Zeichen der Verarbeitung des erlebten Verlustes entstanden ist. Es ist ihm gelungen, seine Hörer unaufdringlich, bei gewohnt hochwertiger musikalischer Qualität, daran teilnehmen zu lassen. Ich wünsche herzliches Beileid nachträglich und hoffe, dass das aus den Fugen geratene Leben dieses sympathischen Künstlers möglichst schnell wieder ins Gleichgewicht kommen möge. "The Hang" dürfte ein erster, wichtiger Schritt dazu gewesen sein!
Tracklist
01:From Somewhere Else
02:The Last Great Illusion
03:How Many Guitars Do You Need
04:Breaking Down
05:When It Don't Come Easy
06:Fait Accompli
07:A Damn Fine Way To Go
08:Wonder Wheel
09:Down In The Suck
10:Back In The Day
11:Martha
12:Romeo & Juliet
13:Another New Years Eve
14:The Hang
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