Sahara / Sunrise
Sunrise Spielzeit: 48:13
Medium: CD
Label: Ohrwaschl Records (Ariola), 1973
Stil: Progressive Rock/Jazz Rock


Review vom 02.02.2007


Ralf 'Jogi' Ruhenstroth
Sahara aus München hatten unter dem Namen Subject Esq. im Jahr 1972 ihr erstes selbstbetiteltes Album eingespielt und damit für eine Menge an Aufsehen gesorgt. Die Jungs hatten durch ihren Stilmix aus progressiver Rockmusik sowie Jazz und Blues genau ins Schwarze getroffen und eine größere Anhängerschaft gewonnen, die auch regelmäßig zu den Konzerten erschien. Es folgten jedoch auch einige Personalwechsel. So kam Hennes Hering (Ex-Out Of Focus) zur Band, der von nun an die Tasten bediente. Des weiteren stieß Nick Woodland (Ex-Gift) dazu und machte aus der Formation einen Sechser. Wichtig war, dass die Band nun wieder über einen festen Lead-Gitarristen verfügte, da bei den Aufnahmen zum Debüt-Album Paul Vincent als Gastmusiker die wesentlichen Gitarren-Arrangements eingespielt hatte.
Nachdem man bei Ariola einen neuen Plattenvertrag unterschrieben hatte, änderte sich der Bandname. Subject Esq. waren von jetzt an Sahara. 1973 begaben sich die Musiker ins Studio, um mit den Arbeiten zu "Sunrise" zu Beginnen. Da es Sahara nach über 30 Jahren Pause jetzt wieder in Originalbesetzung gibt, höre ich mir "Sunrise" noch einmal genau an.

Vier Stücke sind auf diesem Album enthalten und die erste Nostalgie kommt durch, wenn ich mir die Cover-Rückseite der CD genauer betrachte. Da ist die Tracklist noch in Seite eins und zwei aufgegliedert. Wobei Seite zwei das Mammut-Stück "Sunrise" ist, welches die Band noch heute, zumeist als Opener, bei Livekonzerten spielt. Aber der Reihe nach:
Eröffnet wird die Scheibe von "Marie Celeste", welches recht klassisch beginnt. Das scheinen Einspielungen zu sein, bevor die gesamte Band sofort richtig zur Sache geht. Treibende Basslinien, giftige Gitarren, groovige Drums und dezent eingesetzte Blasinstrumente. Und dann startet der Moog durch, bevor die Orgel das Zepter übernimmt. Ein wahrer Gang durch die damalige Zeit! Man merkt sehr schnell, dass die Band im Vergleich zum Vorgängeralbum unter altem Bandnamen, einen Hang zum symphonischen Rock bekommen hatte. Besonders auffällig sind die vielen Stimmungswechsel. Da ist es zunächst ruhig und atmosphärisch und dann verdichten sich die Sounds schlagartig. Sahara waren schon damals Könner auf ihren Instrumenten. Bekannt für unzählige Improvisationen war es immer der Wille der Band, dass sich der Hörer orientieren kann und man sich musikalisch nicht verliert. Und deswegen kommt man zu dem Schluss, dass "Marie Celeste" bis auf die letzte Note einstudiert ist. Dass diese Art von Rockmusik schon damals absolut progressiv war, ist klar. Sehr interessant sind auch kleine jazzige Einlagen, die sich durch eine besondere Leichtigkeit auszeichnen. Dennoch steht die Rockmusik im Mittelpunkt. Dabei wummert der Bass von Stephan Wissnet und ergänzt sich mit dem Schlagzeugspiel von Harry Rosenkind glänzend.
Country pur und "Circles" beginnt. Slide-Gitarren und mehrstimmige Gesangseinlagen veredeln diesen Song. Der Stil klingt ungewohnt und erscheint auf den ersten Blick nicht gerade Sahara-typisch. Auf der anderen Seite wird bewiesen, dass man voller Ideen stand und diese auf gekonnte Art und Weise umsetzte. Erstaunlich, wie eine deutsche Band so klingen kann, als wenn sie ihren Ursprung an der amerikanischen Westküste hätte.
"Rainbow Rider" wartet mit immerhin über acht Minuten Spiellänge auf und klingt recht mainstreamig in meinen Ohren. Auffällig ist das Bedienen der Hi-Hat durch Harry Rosenkind, der die gesamte Band im weiteren Verlauf recht zügig nach vorne treibt. Dann wird es urplötzlich ruhig, das Piano erklingt sanft und vorbei ist es mit der durchdringenden Power. Die Stimmung wird nachdenklich und das Tempo eher schleppend. Nick Woodland spielt sein Solo und bietet damit eine kleine Offenbarung für Soundfetischisten. Mit leichtem Crunch gelangt er immer wieder sehr eingängig ins Ohr. Und auch hier entdecke ich im weiteren Verlauf wieder sanfte Jazz-Anleihen, die fast überwiegend von den Tasten in Szene gesetzt werden.
Und dann gibt es das 27-minütige Epos "Sunrise". Es ist das Titelstück und man ist gespannt, ob es sich in Langatmigkeit verliert oder aber den Hörer in seinen Bann ziehen kann. Nach einem kurzen Intro vom Band, steigt die effektgeladene Gitarre überwiegend mit Wah Wah ein. Leichtgängiger Jazzrock führt zu einem Punkt, ab welchem der Synthesizer recht geheimnisumwittert die Soundorgie eröffnet. Da klingt es tatsächlich ein bisschen nach Camel und ein wenig Pink Floyd. Der Moog bestimmt die Szenerie und nimmt den Hörer auf eine kleine Reise in den Kosmos mit. Ein Abdriften ins Elektronische wird dabei vermieden. "Sunrise" ist eine Zusammensetzung aus verschiedenen Parts. Es ist eine instrumentale Berg- und Talfahrt, auf der es jede Menge verschiedener Sounds zu entdecken gibt. Ruhige Orgeltöne wechseln sich mit einfühlsamen Leadgitarren ab, bevor Geschwindigkeit und Druck wieder erhöht werden. An machen Stellen wird, zur Überraschung, echter Boogie gespielt. Und da bin ich wieder beim Thema Improvisation. Hier habe ich nämlich wirklich den Eindruck, als wenn Sahara bei dieser Aufnahme die Chance genutzt haben und ihrer besonderen Spontaneität Tribut zollen wollten. Ob es so ist? Ich weiß es nicht.
Aber wir können ja nachfragen. Sahara sind wieder da und werden im Sommer beim
Burg Herzberg-Festival 2007 mit dabei sein. Dieses Album ist sicherlich keine leichte Kost, aber für Freunde besonders ausgeklügelter Musik, die sich davon überzeugen wollen, dass diese Band schon damals besonders innovativ war, ist sie ein besonderes Schmankerl. Ich bin sehr froh, über dieses Werk noch einmal richtig gestolpert zu sein. Es macht an vielen Stellen mächtig Spaß!
Line-up:
Hennes Hering (keyboards, piano)
Michael Hofmann (flutes, moog, melotron, vocals)
Alex Pittwohn (harmonica, tenor-sax, vocals)
Harry Rosenkind (drums, percussion)
Stephan Wissnet (bass, vocals)
Nick Woodland (guitars)
Tracklist
01:Marie Celeste (7:37)
02:Circles (4:42)
03:Rainbow Rider (8:41)
04:Sunrise (27:12)
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