Marco Glühmann: Es gab auch Stücke, die auf beide Alben gepasst hätten
Rocktimes Interview "Posthumous Silence" machte Sylvan über unsere Grenzen bekannt. Auf dem Nachfolger "Presets" sind die Strukturen etwas einfacher und zugänglicher.
Wir sprachen mit Marco Glühmann über das neue Album und über das, was uns in Kürze erwartet.



Interview vom 09.03.2007


Ralf 'Jogi' Ruhenstroth
RockTimes: Hallo Marco, Ihr habt vor Kurzem Eurer neues Album Presets auf den Markt gebracht. Es ist der Nachfolger Eures Konzeptalbums Posthumous Silence, welches in der Szene groß gefeiert wurde. Welchen Stellenwert hat "Presets" für Euch?
Marco: "Presets" ist für uns ein ganz besonderes Album, da die Ausrichtung und die Vorgehensweise sich schon von den Vorgängern unterscheidet: Es wurde parallel zu "Posthumous Silence" komponiert und wir verfolgten schon früh die Intention, es hierbei hinsichtlich der Struktur der Songs etwas einfacher und zugänglicher angehen zu lassen. Für mich persönlich hat "Presets" einen sehr hohen Stellenwert, da auf dem Album einige sehr persönliche Songs sind...
RockTimes: Ihr hattet "Presets" im Grunde genommen schon frühzeitig angekündigt. Es war bekannt, dass Ihr in der Entstehungsphase zu "Posthumous Silence" bereits an den Tracks für "Presets" schreibt. Konntet Ihr das Material von Anfang an gut auseinander halten und war schnell klar, was nicht auf "Posthumous Silence", sondern auf das Nachfolge-Album kommt?
Marco: Das war relativ einfach, da wir uns sehr früh in der Kompositionsphase vorgenommen hatten, nach Songaufbau zu unterscheiden, d.h. komplexere und in das Konzept der Story passende Songs wurden von den etwas geradlinigeren und vielleicht sogar radiotauglichen Stücken getrennt. Natürlich gab es ein paar Titel, die ohne Probleme auf beide Alben gepasst hätten, aber an sich war das kein Problem.
RockTimes: Ich finde schon, dass man auf "Presets" an Hand des Sounds merkt, dass einige Stücke zum gleichen Zeitpunkt Eures Konzeptalbums entstanden sind. Es gab vereinzelt auch Kritik am neuen Album. Für manche ist es einfach zu wenig progressiv, es ist ein wenig Pop mit enthalten und auch melodische Strukturen, die überwiegend mainstream sind, werden angesprochen. Wie siehst Du das? War das so von der Band bewusst ins Kalkül gezogen worden?
Marco: Was die Kritik angeht, kann man sagen, dass sie einerseits berechtigt ist, andererseits allerdings auch niemand verwundert oder groß überrascht von "Presets" sein dürfte, da wir ja sehr früh auf die sehr gegensätzliche Art der beiden Alben hingewiesen haben. Genau das war ja unsere Absicht, unser Antrieb und zu guter Letzt auch unser Spaß bei der ganzen Arbeit - Gegensätze zu schaffen, ohne sich selbst untreu zu werden. Und es ist nun mal die größtmögliche Konsequenz, zu einem komplizierten Konzeptalbum wie "Posthumous Silence" einen einfachen, vielleicht sogar ein wenig Pop-lastigen Gegenpol zu schaffen.
RockTimes: Auf "Posthumous Silence" herrscht viel Melancholie. Ihr habt die Geschichte eines Vaters vertont, der im Tagebuch seiner verstorbenen Tochter nachforscht. Welche Message steckt von Seiten der Band in "Presets"?
Marco: "Presets" hat kein eigentliches Konzept mehr, sondern eher eine Ausrichtung hinsichtlich der Texte. Auch hierbei sollte eine spezielle Melancholie, aber auch Hoffnung vermittelt werde. Es sind - ähnlich wie auf "X-rayed" - separat stehende und persönliche Inhalte. Einige Song-Texte sind sogar in der Intention entstanden, eine Art Anspielung oder Verarbeitung der Vorgängeralbums zu bilden. Anhand vieler Worte und Sätze auf "Presets" kann dies noch nachvollzogen werden.
RockTimes: Wenn man sich durch Eure inzwischen doch recht umfangreiche Diskographie durchhört, kann man sehr schön mitverfolgen, wie sich Sylvan entwickelt haben. Eigentlich wurde bisher auf jedem Album etwas Neues geboten. Wohin führt der Weg von Sylvan zukünftig? Was für neue Sounds schweben Euch im Kopf herum oder könnt Ihr Euch vorstellen, wieder in eine Richtung zu gehen, die wir schon kennen?
Marco: Tja, das ist leider im Moment noch schwer zu beantworten. Nach zwei gleichzeitig komponierten und produzierten Alben, die eine doch recht große Bandbreite an Stilistiken bietet, ist es glaube ich schwierig, klar zu sagen, was danach kommt - besonders zu einem so frühen Zeitpunkt. Hierbei werden wir uns - wie immer - von unserer Lust und Inspiration leiten lassen...
RockTimes: Wie entstehen bei Sylvan neue Songs. Wer ist in der Hauptsache für die Kompositionen verantwortlich? Wie geht Ihr beim Songschreiben vor?
Marco: Meistens fängt es mit einer Idee eines Einzelnen aus der Band an. Diese Idee kann eine Harmoniefolge mit einer Melodie oder ein schon durchstrukturierter Teil sein. Diese musikalische Idee wird dann während einer Probe aufgegriffen und von der Band arrangiert und weiterentwickelt. Es kommt auch vor, dass schon Vorproduktionen auf dem Computer existieren oder gesamte Songideen präsentiert werden. Der Text entsteht dann meistens im Nachgang - mit Ausnahme von "Posthumous Silence". Hier musste aufgrund der Konzeptstruktur der Text von mir teilweise parallel zur Komposition geschrieben werden. Hauptsächlich wird die Kompositions- und Produktionsarbeit von Volker, Matthias und mir getragen.
RockTimes: Ihr habt in den beiden vergangenen Jahren große Auftritte gefeiert. Zum Beispiel beim Eclipsed-Festival in Aschaffenburg, aber auch bei der Night Of The Prog auf der Loreley. Stellen diese Gigs für Euch etwas Besonderes dar? Ihr seid ja für die zweite Night Of the Prog im kommenden Sommer wieder gebucht, richtig?
Marco: Natürlich sind solche Auftritte eine schöne Erfahrung und besonders die Loreley-Konzerte sind von ihrer Atmosphäre schwer zu toppen. Natürlich wäre es noch schöner, etwas später am Abend auf dieser wunderschönen Bühne zu spielen, allerdings reicht dafür leider unser Bekanntheitsgrad noch nicht. Wir sind jedoch ziemlich stolz, auch beim zweiten Mal dabei sein zu dürfen.
RockTimes: Ich kann mir gut vorstellen, dass Eure Fans auch bei zukünftigen Auftritten große Teile von "Posthumous Silence" hören wollen. Im letzten Jahr ist es Euch auch bei kürzerer Spieldauer ganz gut gelungen, einen sehr ausführlichen Ausschnitt aus diesem Album zu spielen. Als Zugaben gab es dann auch schon eine Art von Klassiker, wie z.B. "Artificial Paradise". Jetzt soll "Presets" promotet werden. Wird "Posthumous Silence" trotz allem noch eine gewichtige Rolle in der kommenden Setlist spielen, und falls ja, nach welchen Kriterien werdet Ihr den Zusammenschnitt aussuchen?
Marco: Ich glaube, es gibt zwei Gründe, warum auch in Zukunft "Posthumous Silence" eine besondere Rolle spielen wird: Erstens der große Anklang, den dieses Album überall gefunden hat und zweitens der immense Spaß, den wir hatten, dieses Album live zu spielen. Wie groß die Ausschnitte in Zukunft sein werden und was wir auswählen werden, haben wir uns allerdings noch nicht überlegt. Das hängt auch stark von den Voraussetzungen eines jeden Konzertes ab.
RockTimes: Ich hatte es bereits angesprochen. Ihr bietet an vielen Stellen einen sehr melancholischen Sound und entwerft Melodien, die unter die Haut gehen. Kay (Gitarre) und Volker Söhl (Keyboards) scheinen sich dabei hervorragend zu ergänzen. Welche Musik hat die Bandmitglieder von Sylvan persönlich maßgeblich beeinflusst?
Marco: Das ist sehr unterschiedlich. So wurden z.B. Matthias und Volker stark von der klassischen Musik beeinflusst, während ich eher aus der Ecke der Populärmusik komme. Ich denke, Bands wie Marillion, Pink Floyd, Stones, Queen oder Porcupine Tree waren oder sind immer noch für alle von uns Vorbilder. Dann hat natürlich jeder auch noch seine persönlichen Favoriten wie z.B. Peter Gabriel, Tori Amos, Keane, Korn oder Coldplay - um nur einige zu nennen.
RockTimes: In der deutschen Szene seid Ihr inzwischen mehr als anerkannt und viel gelobt. Ihr habt auch schon im Ausland gespielt. Wie sind die Resonanzen in anderen Ländern? Wo habt Ihr besonders viel Erfolg?
Marco: Ja, gerade mit "Posthumous Silence" haben wir doch extreme Aufmerksamkeit erfahren dürfen und freuen uns natürlich darüber. Dies ist nicht nur in Deutschland der Fall, sondern auch in anderen Ländern. Gerade in den USA oder in Polen sind die Resonanzen äußerst positiv. Aber auch in Frankreich oder Holland haben wir viele Fans gewinnen können. Umso mehr freut es uns, im Mai auch einmal im Rahmen unserer Tour wieder ein Konzert in den Niederlanden und Belgien geben zu können.
RockTimes: Wie sehen Eure Pläne in naher Zukunft aus? Eine komplette Tour?
Marco: Wie gesagt wird es eine kurze Tour im Mai geben. Zudem noch einige Konzerte und Festivals im Sommer und Herbst. Wir sind derzeit in der Planung für eine Live DVD bzw. CD. Wir werden sehen, ob wir den Plan im Spätsommer/Herbst realisieren können, dann wird es auch eine große Show in Hamburg dazu geben.
RockTimes: Marco, herzlichen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg. See you on tour!!
Wir danken Moritz von Gordeon Music, der uns das Gespräch mit Marco ermöglicht hat.
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