Jau, so wünscht man sich den Jahresausklang! Irgendwoher aus dem Nichts flatterte mir ganz plötzlich und völlig unerwartet das neue Studioalbum der Tossers ins Haus. Nachdem ich bereits die Ehre hatte, die letzten beiden Werke Agony (Studio, 2007) und Gloatin' And Showboatin' (Live, 2008) reviewen zu dürfen, war ich natürlich zunächst von der Arbeitswut der Band aus Chicago überrascht und außerdem sehr gespannt, wie man vergangene Großtaten mit dem dritten Studioalbum noch übertreffen wollte.
Ich hätte es besser wissen sollen, denn wer bis dato ausschließlich Qualitätsarbeit abgeliefert hat, der wird, wie die Tossers auch mit ihrer neuen Langrille "On A Fine Spring Evening" beweisen, einmal mehr zeigen, was eine Harke ist. Das Sextett (Clay Hanson am Banjo ist leider nicht mehr mit von der Partie) macht hier auch keine halben Sachen, sondern zeichnet sich für alle Kompositionen selbst verantwortlich, die Texte stammen komplett von Frontmann und Mandolinist T. Duggins.
Die Querverweise der irisch-stämmigen Rocker zu den Pogues sind immer noch (und warum auch nicht?) unverkennbar. Angefangen mit dem Opener "Katie At The Races", das von der lyrischen Thematik her direkten Kontakt zu Shane MacGowans Song "Bottle Of Smoke" vom Pogues-Album "If I Should Fall From Grace" macht. Davon abgesehen, dass der Silberling sich textlich ansonsten (sogar mehr als bei den Pogues) hauptsächlich mit den flüssigen Freuden des Lebens beschäftigt, haben die Tossers sich jedoch ihre eigene Daseinsberechtigung längst selbst erkämpft.
Die Zauberworte hierzu lauten 'eigene Identität' und 'Qualität'. Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich bezüglich meiner vorangegangenen Reviews wiederhole, dieser Sechser ist authentisch. Man kann seine Klientel nicht verarschen bzw. ihr etwas vormachen, denn die ist nicht dumm.
The Tossers müssen dies jedoch gar nicht erst versuchen, da auch auf dem brandneuen Album der Gestank von Maschinenöl, der Schweiß, das abgestandene Bier am nächsten Morgen, der Whiskey-Atem und der Geruch von schnellem Sex durch die Boxen der heimischen Anlage trieft.
Und außerdem, mindestens genau so wichtig, über richtig geile Songs, die mit jedem Durchlauf besser zu werden scheinen. Gegenüber dem Studio-Vorgänger "Agony" haben sich die Protagonisten aus dem US-Bundesstaat Illinois vor allem darin verbessert, dass sie noch fokussierter geworden sind, noch tighter und akribischer, speziell wenn es darum geht, dem Kern eines Songs auf die Spur zu kommen. Die diebische Elster auf dem Cover ist offensichtlich von Wilhelm Busch ausgeliehen und ist meiner bescheidenen Meinung nach einmal mehr eine Verbeugung vor den großen Brüdern, The Pogues.
Auf "On A Fine Spring Evening" geht es zumeist ziemlich flott zur Sache, die schnellen Tracks haben eindeutig die Hand vorne. Aber gerade dann sind es auch die ruhigen, nachdenklicheren Stücke wie "A Fine Lass You Are" oder "Hunger Strike/Harmony", die ein weiteres starkes Tossers-Album abrunden. "Breandan O'Beachain" ist, unschwer zu erkennen, der gälische Name des irischen Dichters und Denkers (sowie Trunkenboldes) Brendan Behan, den auch Shane MacGowan schon ausreichend gewürdigt hat.
"221 B/The Sneaky Priest (The Gloria Scott)" ist wie auch "The Humors Of Glendart/Ingenish/On The Fly" ein Instrumental, das sich widerstandslos zu den übrigen Songs gesellt und mit "The Rocky Road To Dublin" hat man auch ein Traditional am Start, dem man den Anstrich des neuen Jahrtausends verpasst hat. Die Höhepunkte sind für mich aber Originale wie "Teehans", "Whiskey Makes Me Crazy", "A Fine Lass You Are" oder das bereits erwähnte "Katie At The Races".
So gut, wie der letzte Output von Flogging Molly auch war, so werde ich doch nicht müde zu betonen, dass The Tossers die einzig legitimen Nachfolger der Pogues (die sich offensichtlich seit Jahren damit begnügen, zwei Dutzend Konzerte pro anno zu spielen und das Studio außen vor zu lassen) sind. Die Spielfreude und Intensität bewegen sich um die 150 Prozent-Grenze und ich frage mich einmal mehr, wie diese Amis es geschafft haben, noch mal einen drauf gelegt zu haben.
So, und jetzt mache ich mir ein Bierchen auf und genieße die Scheibe noch ein-, zwei- oder dreimal ganz privat, nur zum reinen Vergnügen!
Line-up:
Aaron Duggins (whistle)
Bones (drums)
Dan Shaw (bass, piano)
Mike Pawula (guitars)
Rebecca Brooke (violin)
T. Duggins (vocals, mandolin)
With:
Nate Van Allen (background vocals)
Kevin Flynn (background vocals)
Andy Abrisz (background vocals)
Sean Mulroney (background vocals)
Tracklist |
01:Katie At The Races
02:Teehans
03:The Unfamous Paula Spencer
04:The Rocky Road To Dublin
05:Whiskey Makes Me Crazy
06:St. Stephen's Day
07:221 B/The Sneaky Priest (The Gloria Scott)
08:Terry Obradaigh
09:A Fine Lass You Are
10:Breandan O'Beachain
11:The Humors Of Glendart/Ingenish/On The Fly
12:Get Back
13:Hunger Strike/Harmony
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