Tribute Tribut zollen - was für ein hehres Vorhaben der Musikschatzsucher vom Label Sireena! Die ersten beiden Alben der schwedischen Prog Rock-Band wurden bereits wiederveröffentlicht, New Views und Breaking Barriers. Mit jenen Platten euphorisierten die Masterminds Gideon Andersson und Josef Rhedin mit ihrer Band seinerzeit eine feine Fanbasis. Mit ihrer breiten Instrumentierung von Gitarren und Synthies über Vibra- und Xylophon bis hin zu Querflöte, Saxofon und Röhrenglocken waren Tribute eifrig live unterwegs und hatten mit den größten Zuspruch in Norddeutschland, wo viele Fans sich noch schwärmerisch an die Auftritte der Multiinstrumentalisten und atmosphärischen Zauberkünstler erinnern.
Und hier ist eine wunderbare Erinnerungsstütze: Tributes drittes Album war/ist ein Live-Album, aufgenommen - natürlich - in Deutschland. Die Tonkonserve stammt größtenteils aus Hamburgs Großer Freiheit, ergänzt durch Mitschnitte aus Emden und Friesoythe. Alles von 1986 - mittendrin in Tributes erfolgreichster Phase ... übrigens auch schon mit Pierre Moerlen ( Gong, Mike Oldfield) als Drummer. "Live! - The Melody, The Beat, The Heart" heißt das Teil. Habe ich es eben als 'drittes Album' der Band bezeichnet? Ein Livealbum 'zählt' da ja nicht immer. Aber hier sind sieben Nummern drauf, die auf keinen Studioalbum zu finden sind. Man könnte sagen: Tribute waren so kreativ, dass sie im Studio nicht hinterher kamen.
Los geht es mit solch einem 'exklusiven' Stück: "Make A Move". Der Titel könnte das Bandmotto sein. Tribute sind dynamisch und verspielt, wirbelwindig-wohltuend, pulsierend positiv. "Make A Move" kommt gleich mit einer herrlichen markanten Gitarrenhookline daher, garniert mit pointierten Synthies und rhythmischen Kabinettstückchen. Ein erstes Break wird märchenhaft-lyrisch erleuchtet durch den wortlosen Gesang der Andersson-Schwestern Lena und Nina, ein zweites durch den vorsichtig umhergroovenden Bass Ake Ziedenleads. Wenn die Gitarren dann wieder die Szenerie erobern, dann erfrischend kraftvoll und heavy. Denn ...
... live klingen Tribute ein Stück weit forscher als bei ihren Studioaufnahmen. Die treten mit typischem 80er-Prog-Stil in Erscheidnung, ähnlich wie beispielsweise bei Yes, mit glasklar-reinem und detailverliebtem Sound, aber nicht unbedingt hart rockend. Herrlich, wie bei "Make A Move" (ja, wir sind immer noch beim Opener!) später Gitarre(n) und Synthesizer einander duellieren, während der Groove kraftvoller wird und das Tempo anzieht, wenn wir uns der Neun-Minuten-Marke nähern. Wir erleben einen traumhaft melodischen High-Class-Prog-Jam mit peppig-poppigem 80er-Verve. Am Ende klingt es beinahe, als würden Toto am Alternativ-Soundtrack zu 'Ghostbusters' arbeiten - Weltklasse!
Auch das folgende "Pioneers" kratzt an den neun Minuten. Atmosphärisch verträumt, leichtfüßig und dennoch messerscharf pointiert wird an einer abermals großartigen Melodie herumgeschraubt. In ständig neuem Gewand setzt sich die Melodie im Ohr fest. Fantastisch, wenn kurz vor Schluss die Double-Lead-Gitarren die Hookline auf die Saiten nehmen und dazu die Röhrenglocken klimpern! Und bis alle geblasenen, gezupften und geklöppelten Instrumente durch sind, weiß man kaum noch, welchen Stempel man dem Kunstwerk aufdrücken soll. Jam Rock? Cinematic Prog? Weltmusik Deluxe?
Apropos Weltmusik ... "Scottish Mystery" gehört zu den wenigen Album-Tracks auf der Setlist. Es ist live noch schöner als auf "Breaking Barriers" - Augen zu, Ohren auf - Gänsehaut pur!
Neben dem feierlichen Finale des Longtracks "New Views" (die Halle singt schön mit! Gibt ja auch keine Lyrics, nur abermals »Aah-ah-ah-ah-aaaah«s) steht nur ein weiteres Stück aus der Tribute-Diskografie auf dem Zettel - aber was für eins! Entsprechend die Ansage: »Some call it a hit, some call it a headache. And we call it "Icebreaker"!!!« Da gerät das Blut in Wallung und unter dem Mikroskop kann man die Thrombozyten tanzen sehen (um mal ein Michael Jackson-Zitat leicht abzuwandeln). Aus der Tanzabteilung stammt auch "Boogieman"; das macht allein der Titel schon klar. Das ist Prog'n'Roll mit bigbandigem Sax-Faktor, funky Slap-Bass-Einlagen und eingebautem Drumsolo.
"Part II" ist nicht minder beeindruckend für prog-jammige Instrumentalisten - die Bass-Brummeleien lassen einem die Kinnlade aus dem Kiefer koppeln. Mit ein paar Stücken von kürzerer Spieldauer fährt die Band ein wenig runter. "Le Petit Prince" besteht nur aus akustischer Gitarre, Synthies und ein bisschen klingelndem Percussion-Beiwerk und erinnert mich ein wenig an verschiedene Momente auf Rushs "A Farewell To Kings"-Album. "Through My Heart" ist eine wehmütig-wunderschöne A-cappella-Performance Lena Anderssons - das einzige Stück mit Text; der ist auf Englisch und erklingt mit zuckersüßem schwedischen Akzent. Für Lena ist übrigens der Applaus am größten.
Die zäh-melancholisch klimpernde Keyboardnummer "Fragrance" hätte man sich als Abschluss vielleicht schenken können und stattdessen noch Must-haves wie "Diesel Engine" berücksichtigen können - Platz wäre auf der CD ja noch gewesen. Sei's drum - "Live! - The Melody, The Beat, The Heart" ist ein Juwel für jedes CD-Regal: Eine akustische Zauberstunde für alle Erinnerer - ein Geheimtipp für Akustikforscher. Dass es überhaupt solch wundersame Schätze gibt, die so wenige Leute kennen ... Welt - hör' da mal rein!
Line-up:
Gideon Andersson (bass, electric guitar)
Josef Rhedin (piano, synthesizers)
Pierre Moerlen (rums, vibraphone)
Lena Andersson (timpanis, tubular bells, percussion, vocals)
Nina Andersson (vibraphone, xylophone, percussion, saxophone, flute, synthesizer, vocals)
Dag Westling (electric & acoustic guitar, synthesizer, vocals)
Ake Ziedenlead (electric guitar, bass, piano)
Tracklist |
01:Make A Move (9:00)
02:Pioneers (8:59)
03:Boogieman [incl. drum solo] (8:43)
04:Scottish Mystery (4:45)
05:Icebreaker (5:12)
06:Part II (5:04)
07:Le Petit Prince (2:38)
08:Through My Heart (1:59)
09:New Views [Finale] (5:27)
10:Fragrance (2:55)
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