Es waren erst knapp zwei Wochen vergangen, seit ich mit meinem Kollegen Holger Oli Brown in unserem geliebten 'Musikzimmer', dem Quasimodo, angeschaut hatte. Nun hieß es, dem Club einen weiteren Besuch abzustatten, denn für diesen Abend hatte sich der australische Blues Rocker Michael Vdelli angesagt.
Leider stand die Veranstaltung harten Umständen gegenüber, denn der verregnete Abendhimmel öffnete sämtliche Schleusen, um uns und weiteren Fans vorab eine Volldusche zu verabreichen. Dabei war Holger die ärmste Sau unter uns, denn er hatte weder eine Regenkutte noch ein Basecap zur Hand, die ihn vor groben 'Wasserschäden' hätten bewahren können. Hauptsache unser technisches Equipment konnte trocken gehalten werden, denn um 21:00 Uhr stand uns der stämmige Vdelli für ein Interview zur Verfügung. Wie verabredet nahm uns Vdellis Tourbegleiter Marc Raner in Empfang - mehr dazu in einem gesonderten Bericht.
Dass ausgerechnet an diesem Abend Ruhrpotts Gesangsgranate und Nuschelkönig Herbert Grönemeyer die Waldbühne füllte, zeitgleich viele Berliner Musikfreunde der härteren Gangart Spandaus Zitadelle aufsuchten, um sich Soundgarden reinzuziehen, sowie das 'wichtige' Testspiel des Titelaspiranten auf die Fußi-EM gegen Israel im TV übertragen wurde, waren vermutlich die Gründe, die dafür sorgten, dass der Schuppen nur zu knapp einem Viertel gefüllt war. Für uns von RockTimes ergab sich dadurch enorm viel Platz und so konnten wir zahlreiche Bilder und Clips völlig ungestört einfangen. Trotzdem ist es mir ein Rätsel, dass es bei einer knapp Vier-Millionen-Metropole wie Berlin nicht möglich ist, etwa vierhundert Anhänger des Blues Rocks zu mobilisieren, um solch außergewöhnlichen Gästen die Ehre zu erweisen und dem Kult-Club ein 'Ausverkauft' zu bescheren.
Sei es wie es sei - die, die sich entschließen konnten (fast immer die selben Gesichter) läppische fünfzehn Euro an der Abendkasse abzudrücken, wurden letztlich mit einem Konzert der Extraklasse belohnt. Dafür war der glänzend aufgelegte Gitarren-Champion nicht nur allein verantwortlich, denn seine aktuellen Bandmitglieder, Bassist Leigh Miller und Drummer Ric Whittle, bereiteten ihrem Boss einen fehlerfreien Klangteppich, auf dem sich der Edelklampfer völlig sorgenfrei austoben konnte. So entwickelte sich ein Blues-Abend, der - ob Slide-Einlagen, Boogie, Slow-Blues, wilde Gitarrensoli oder ein respektables Schlagzeugsolo - heftigen 'Funkenflug' erzeugte und eigentlich alle Finessen des Blues-Genres abdeckte. Kaum ein Wunsch blieb offen! Und wenn doch, war es am ehesten der, dass die kurzfristig gekippte letzte Zugabe, bei der er normalerweise seiner älteren Gibson nacheinander alle Saiten aus den Verankerungen reißt, bis diese wie Weihnachtsbaumlametta durch die Lüfte wirbeln, doch noch nachgeschoben würde. Dafür schüttelte er mit Carl Mackey, einen aus Perth stammenden Saxophonisten einen Joker aus dem Ärmel, der auch gleich zustach. Für zwei Songs begleitete er die Band, setzte umgehend tolle Bläser-Akzente, deren einziges Manko war, dass der Sound im Verhältnis leider zu leise war. Ansonsten gab es nichts zu meckern, denn welcher Fan lässt sich nicht gern von solchen unerwarteten Showeinlagen überraschen?
Doch ich vermute, dass Michael Vdelli schon ein wenig enttäuscht über die geringe Resonanz bei den Zuschauern war und es ihm nach gut zwei Stunden der Verausgabung doch etwas an Motivation fehlte, um seine letzte Patrone auch noch zu verschießen. Wir konnten seine Entscheidung gut nachvollziehen und waren auch nicht böse, denn letztlich wurden wir mit einem Gig belohnt, der eine komplette Zeitreise seiner bisher veröffentlichten Alben beinhaltete und in der die Band ihre tolle Eingespieltheit demonstrierte. Dabei setzte jeder für sich mehrere Ausrufezeichen, zeigte Tieftonexperte Miller zu welch genialem Bassisten er herangereift ist. Er bewegte sich mit viel Dynamik über die Bühne und konnte mit seinem Bon Scott-Shirt bei uns (vor allem bei mir als bekennendem AC/DC-Fan) sehr viel Sympathiepunkte einheimsen. Auch Whittle an seiner 'Muckibude' wusste nicht nur mit eigenartiger Stickhaltung zu überzeugen, sondern ließ sein ganzes Können bei seinem starken Solo aufblitzen. Respekt Mister Ric Whittle!
Apropos Können: Ich halte es an dieser Stelle für wenig angebracht, weiteres über die Qualitäten von Michael Vdelli zu schreiben - darüber wurde in unserem Magazin schon sehr oft berichtet. Nur soviel: Er ist und bleibt ein toller, sympathischer Musiker, der nicht nur an diesem Abend mit seiner Klampferei zu überzeugen wusste, sondern auch mit seinen sehr ausgeprägten Stimmbändern hervorragend umzugehen verstand. Dass uns noch ein blondes Pärchen - vermutlich Vater und Tochter - uns vor dem Konzert ansprachen und unser Magazin mit viel Lob überschütteten, sorgte bei mir nicht nur für eine gesunde Gesichtsfarbe, sondern rundete einen nahezu perfekten Konzertabend ab, der wie üblich in den ersten Morgenstunden des darauf folgenden Tages endete.
Und zu guter Letzt sollen wir - von der Band extra ausdrücklich gewünscht - meinen Namensvetter aus Wanne-Eickel grüßen, den wahren Vdelli-Experten in unseren Reihen: Mike Schröder!
Line-up:
Michael Vdelli (vocals, guitar)
Leigh Miller (bass, backing vocals)
Ric Whittle (drums)
Guest:
Carl Mackey (saxophone)
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