Manchmal geschehen tatsächlich noch Zeichen und Wunder. Ich hätte nie damit gerechnet, noch einmal ein Konzert in Goslar live zu erleben. Ewig sind die Zeiten vorbei, als in der alten Kaiserstadt die legendären 'Goslarer Rockpalastnächte' vor der Kaiserpfalz stattfanden und tausende von Zuschauern anzogen, bei denen sich Hochkaräter wie Joe Cocker, Alex Oriental Experience, BAP oder auch der Der König von Deutschland, um nur einige zu nennen, die Ehre gaben. Um das Verhältnis der Nordharzmetropole zur Rock- und Bluesmusik noch deutlicher zu machen: In den zehn Jahren des Bestehens unseres kleinen Magazins brachten wir es auf insgesamt vier(!!!) Konzerte, von denen das letzte von Henrik Freischlader auch schon wieder fast fünf Jahre her ist. Goslar und moderne Musik: Zwei Welten treffen aufeinander!
Und nun stießen wir, mehr oder weniger zufällig, auf eine Konzertankündigung von Abi Wallenstein & BluesCulture in einer Location, die sich Kubik nennt und uns erstmal gar nichts sagte. Erst nach einigen Recherchen kamen wir dahinter, dass sich der Laden auf dem Gelände der ehemaligen Feuerwache befindet, in dem sich vorher schon so einige Gaststätten, wie zum Beispiel das Alte Brauhaus, befanden. Seit August 2014 ist dort also - unter der Leitung von Bernhard Wedde - der Kubik Event- und Music Club beheimatet, mit dem man nun versucht, die ziemlich tote Rock- und Blues-Szene in Goslar wiederzubeleben. Sicherlich ein ziemlich gewagtes Unterfangen, zu dem wir dem Team viel Erfolg und Glück wünschen. RockTimes wird jedenfalls alles dafür tun, um den Club irgendwie anzuschieben.
Nun stand also an diesem Freitag unser Premierenbesuch an, zu dem sich der 'Vater der Hamburger Bluesszene' angesagt hatte. Abi Wallenstein, der am Ende dieses Jahres seinen siebzigsten Geburtstag feiert, steht seit 1966 auf der Bühne und spielte schon mit so bekannten Musikern wie Joja Wendt, Inga Rumpf und Vince Weber zusammen. Außerdem trat er erfolgreich als Support für Größen wie Joe Cocker, Fats Domino, Robben Ford und Johnny Winter auf. Er ist auf zahlreichen Alben namhafter Bands zu hören und nahm auch mehrere CDs unter eigenem Namen auf, von denen Blues Culture und "Step In Time" mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet wurden. Des Weiteren gewann er von 2010 bis 2014 vier Mal hintereinander den German Blues Award. Der in Jerusalem geborene Musiker ist also bei weitem kein unbeschriebenes Blatt in der deutschen Bluesszene.
Wie schon weiter oben erwähnt, tourt Abi seit etlichen Jahren mit BluesCulture durch die Lande. Dahinter verbergen sich neben Wallenstein noch Steve Baker, der wohl zur Zeit bekannteste Bluesharp-Spieler in Deutschland. Der gebürtige Engländer ist durch sein eigenwilliges Spiel auf dem kleinen Instrument weltweit genau so geschätzt, wie durch seine hochgelobten Fachbücher, von denen "The Harp Handbook" als Kultbuch unter den Mundharmonika-Playern gilt.
Dritter Mann im Bandgefüge ist der Deutsch-Schwede Martin Röttger. Er ist auch schon seit 1979 als Schlagzeuger unterwegs und spielte, ähnlich wie Abi, mit einer Reihe von bekannten Musikern zusammen. Außerdem gilt er als einer der Pioniere am Cajon, einem peruanischen Schlaginstrument, das Röttger in die Blues- und Boogie-Musik einfließen ließ und damit faszinierende Klänge erzeugte. Man sieht also, hier sind drei absolute Hochkaräter zusammen auf der Bühne, die ein richtig gutes Konzert versprachen.
Und genau so kam es dann auch. Als die Band gegen viertel nach neun die Bühne betrat, tummelten sich so circa hundert Zuhörer in der gemütlichen Location. Und gleich mit den ersten beiden Songs, "Don't Start Cryin'" und "Drive Me Crazy" zeigte das Trio, zu was für einer Power und Dynamik sie fähig waren. Der fehlende Bass fiel gar nicht ins Gewicht. Dazu kam das sparsame aber exzellente Fingerpickingspiel von Abi Wallenstein sowie seine markanten Vocals. Diese Stimme ist nicht unbedingt als schön zu bezeichnen, passt aber gerade deshalb so perfekt zu dieser Musikrichtung, die sich zwischen Country Blues, Boogie und Roots Music bewegt. Und wenn er das Slide-Röhrchen überstreift, dann bleibt sowieso kein Auge trocken. Optimal abgestimmt und eingespielt kam dann das Harmonikaspiel Bakers dazu. Egal, ob ruhige und gefühlvolle Songs oder treibende Boogie-Kracher angesagt waren, ob die Harp klagend weinte oder totalen Druck machte, Steve ist einfach ein Meister seines Fachs.
Wie schon auf seinen Studioalben zu hören ist, gab es auch live eine wohldosierte Mischung aus eigenen Songs und Coverversionen. Die allerdings total umarrangiert, sodass sie perfekt ins Soundgefüge der Band passten. Es ist schon hochinteressant, Abis Version von "All Right Now" zu hören. Und auch der CCR-Schmuseklassiker "Long As I Can See The Light" törnte mächtig zum Mitsingen an, wovon auch ausgiebig Gebrauch gemacht wurde. Dazu waren auch starke Soloeinlagen von allen drei Musikern in der Show enthalten, die natürlich ebenfalls stürmisch abgefeiert wurden. Ehre wem Ehre gebührt!
Höhepunkt des Gigs war für mich der Boogie-Knaller "The Hip Shake". Herrlich lang auseinandergezogen ließen Canned Heat an allen Ecken und Enden grüßen. Ein großartiger Song!
Im etwa zwanzigminütigen Zugabenteil war dann nochmal Mitsingen angesagt, als nacheinander der Blues Brothers-Klassiker "Everybody" und die Prince-Ballade "Kiss" aus den Boxen gehauen wurden. Ein richtig guter Abschluss eines saustarken Konzertes. Das waren zwei äußerst unterhaltsame Stunden voll von großartiger Bluesmusik. Der 12-Takter mit seinem enormen Feeling kommt nicht nur aus Übersee. Dank Leuten wie Abi Wallenstein & BluesCulture ist er auch bei uns zu Hause!
Wir danken Nico Baker und Bernhard Wedde für die problemlose Akkreditierung und die nette Betreuung.
Line-up:
Abi Wallenstein (guitar, lead vocals)
Steve Baker (harmonica, background vocals, percussion)
Martin Röttger (cajon, drums, percussion)
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