Wenn es in der Rock- und Bluesmusik einen Menschen gab, auf den der Begriff 'Anti-Star' im wahrsten Sinne des Wortes zutrifft, dann war das mit Sicherheit Alan Christie Wilson.
Nachdem sich die Popularität der von ihm und Bob 'The Bear' Hite im Jahr 1966 gegründeten Blues- und Boogie-Band Canned Heat rasend schnell entwickelte und zu gefeierten Auftritten beim Monterey Pop Festival (1967) und Woodstock (1969) führte, waren für Wilson solche Menschenaufläufe ein absolutes Gräuel. Während der Rest der Band ihren Ruhm in jeder Beziehung genoss und nichts aber auch gar nichts in Sachen Drogen, Alkohol und Groupies ausließ, verzog sich der schüchterne und hochsensible Gitarrist, Sänger und Harpplayer viel lieber hinaus in die Natur und ließ die Ruhe und Abgeschiedenheit auf sich wirken. Wann immer es möglich war, schlief er im Freien und als er von den anderen Bandmitgliedern einen Van geschenkt bekam, war sein persönliches Glück in dieser Richtung vollkommen.
Selbst vor Live-Konzerten konnte es passieren, dass Alan vorher noch Pflanzen und Blätter sammelte und mit voll gestopften Hosentaschen und durch Waldboden vollkommen verdreckt auf die Bühne kam, weil er mal wieder die Zeit vergessen hatte, und dann seine Songs vortrug, in denen er fast ausschließlich nachdenkliche und düstere Texte verarbeitete, die sich sehr oft mit der Zerstörung der Natur und anderer Katastrophen beschäftigten. Doch seine stetig wachsende Sorge um die Umwelt und der gleichzeitige Erfolg von Canned Heat trieben Wilson in immer tiefere Depressionen, sodass er mehrfach versuchte, sich das Leben zu nehmen, was ihm dann schließlich am 3. September 1970 auch gelang. Kurz nach einem Klinikaufenthalt in einem psychiatrischen Krankenhaus fand ihn der Canned Heat-Manager Skip Taylor tot in seinem Schlafsack auf dem Grundstück von Bob Hite im Topanga Canyon. Neben ihm lagen eine Flasche Gin und etliche Barbiturate. Da Alan Wilson als nicht drogensüchtig galt, wurde ein Suizid angenommen, obwohl es keinen Abschiedsbrief gab. Auch eine versehentliche Überdosis war nicht ganz ausgeschlossen. So wurde auch Alan Wilson ein Mitglied des 'Club 27', in dem sich inzwischen etliche Tote der Rockmusik befinden.
Alan 'Blind Owl' Wilson (den Beinamen bekam er aufgrund seiner extrem starken Brillengläser von John Fahey verpasst) wurde am 4. Juli 1943 in Boston, Massachusetts geboren und studierte an der Boston University Musik. Nach seinem Abschluss als Master widmete er sich vorwiegend den alten Blueslegenden und erwarb sich sehr schnell einen Ruf als einer der bedeutendsten Blues-Historiker. Zu seinen Großtaten zählte die Reaktivierung von Son House, dem er half, seine inzwischen vergessenen Songs aus den dreißiger und vierziger Jahren wieder zu spielen und so auf die Bühne zurückzukehren. Aber auch mit Sunnyland Slim, Fred Neil, John Fahey und John Lee Hooker machte er Aufnahmen und unterstützte sie nach Kräften.
Anlässlich seines bevorstehenden siebzigsten Geburtstages erscheint nun erstmals ein Sampler mit den von Alan Wilson gesungenen Titeln, die er mit Canned Heat aufgenommen hat. Dabei sind die Alben "Canned Heat" (1967), "Boogie With Canned Heat" (1967), "Hallelujah" (1969) und "Future Blues" (1970) mit je vier Titeln am stärksten vertreten. Außerdem gibt es mit "Mean Old World" einen erst im Jahr 1994 auf "Uncanned - The Best Of Canned Heat" veröffentlichten Song, sowie die letzte Studioaufnahme von Alan Wilson ("Human Condition"), die auf der gleichen Compilation erschienen ist, auf die Ohren.
Auch zwei Live-Aufnahmen sind auf dem Silberling vertreten. Zum einen ist das legendäre Slide-Intro zum "Woodstock Boogie" zu hören, das sich auch schon auf den Boogie House Tapes 3 befindet, und als zweiten Mitschnitt gibt es den "Pulling Hair Blues" vom Album Live In Europe. Alle Songs bieten, neben der hohen Tenorstimme, die das Markenzeichen von Alan Wilson war, auch einen Überblick, was dieser Mann auf der Harmonika und an der Gitarre zu leisten imstande war.
Im Booklet gibt es neben einem Abriss des kurzen Lebens von Alan Wilson auch weitere Infos zu jedem einzelnen Song, beides von Skip Taylor verfasst, und auch auf die depressiven und teilweise ziemlich hoffnungslosen Texte der Wilson-Songs wird eingegangen.
Man kann also durchaus von einer gelungenen Erinnerung an einen ganz besonderen Musiker sprechen, die hier aufgelegt wurde, auch wenn für meinen Geschmack noch einige wichtige Aufnahmen fehlen, wobei ich in erster Linie an Live-Mitschnitte denke, von denen es doch noch einige gibt. Allein "Going Up The Country" vom Woodstock-Festival hätte hier unbedingt dabei sein müssen, denn das war schließlich DIE Hymne der 'Mutter aller Festivals'. Und Platz genug wäre auch noch gewesen…!
Line-up:
Alan Wilson (vocals, rhythm and slide guitar, harmonica)
Henry Vestine (lead guitar)
Larry Taylor (bass)
Adolfo de la Parra (drums and percussion)
Harvey Mandel (lead guitar - #10,13-15,17)
Frank Cook (drums - #2,18)
Dr. John (piano - #2,3,14,15)
Tony de la Barreda (bass - #19)
Tracklist |
CD 1:
01:On The Road Again (4:58)
02:Help Me (3:11)
03:An Owl Song (2:44)
04:Going Up The Country (2:50)
05:My Mistake (3:19)
06:Change My Ways (2:50)
07:Get Off My Back (5:13)
08:Time Was (3:23)
09:Do Not Enter (2:51)
10:Shake It And Break It (2:31)
11:Nebulosity/Rollin' & Tumblin'/Five Owls (5:01)
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CD 2:
12:Alan's Intro (1:26)
13:My Time Ain't Long (3:46)
14:Skat (2:40)
15:London Blues (5:26)
16:Poor Moon (3:23)
17:Pulling Hair Blues (9:28)
18:Mean Old World (3:26)
19:Human Condition (5:25)
20:Childhood's End (1:10)
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Externe Links:
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