Mit Daniel Welbat alias WellBad ist ein Act aus Hamburg zurück, der auf seiner neuen Platte ganz erstaunlich amerikanisch klingt. Aber was heißt 'zurück', er war ja nie weg. Es hat lediglich dreieinhallb Jahre gedauert, bis wir euch nach dem Debütalbum nun sein zweites Werk, "Judgement Days", vorstellen dürfen. Zwischendurch konnten wir dem Bandleader im RockTimes- Interview nochmal ein bisschen auf den Zahn fühlen. Und selbst, wenn es schon sehr oft durch den Blätter- sowie Onlinewald ging: Man ist - wie einst bei Tom Waits - immer wieder erstaunt, dass diese dunkle raspelige Reibeisenstimme von einem Mittzwanziger stammt.
Apropos Tom Waits: Mit dieser Koryphäe hat der Hansestädter unglaublich viel gemeinsam, um es mal gelinde auszudrücken. Tief verwurzelt in der amerikanischen Roots- und Blues-Musik mit einem deutlichen Hang zum Voodoo von New Orleans (allerdings meistens ohne Bläser) kommen die meisten Songs daher. Hier und da schwebt auch mal der Geist des seligen Willy DeVille über den Tracks, aber der Haupteinfluss ist ganz deutlich Waits. Bei Stücken wie etwa "Three Legged Dog" scheint man sich in irgendeiner schwülen, schlecht belüfteten Bar irgendwo in der amerikanischen Steppe (wahlweise New Mexico oder Arizona) wiederzufinden, an einem Ort, wo jeder Windhauch mit Jubel begrüßt wird und ein umfallender Sack Reis so etwas wie das große Ereignis des jeweiligen Tages darstellt.
Aber um erst gar keine Zweifel aufkommen zu lassen, das ist schon großartig gemacht. Die doch eher spartanische Instrumentierung schafft es grandios, eine sehr dichte Atmosphäre zu kreieren, die für den eindringlichen Gesang von Daniel Welbat wie gemacht ist. Das weckt umgehend die Lust, WellBad mal mitten in der Nacht in irgendeinem kleinen verräucherten Club auf der Bühne erleben zu dürfen und mit Hilfe dieser Songs (sowie etwas Whiskey) seinen eigenen Dämonen mal wieder so richtig den Garaus zu machen.
Die insgesamt elf Stücke sind durch die Bank abwechslungsreich, was sowohl Melodieführung als auch die Tempi betrifft. Und - nicht zu vergessen - das Songwriting ist auch alles andere als von schlechten Eltern. Ein kleiner Ausreisser im Vergleich mit dem restlichen Material ist ausgerechnet der Opener "A Little Pain", der von der gezupften Akustischen und Welbats hier eher gemäßigt rauem Gesang bestimmt wird. Ein klasse Track, der aber hinsichtlich der anderen vertretenen Titel scheinbar etwas in die Irre führen will.
Für die Nummer "Coffin For Two" hatte sich der Hamburger die Blues-Chanteuse Jessy Martens ins Studio eingeladen. Was die beiden bei diesem Song abliefern, ist eine beschwingte jazzige Nightclub-Ballade vor dem Herrn, von der Anlage her nicht unähnlich dem Tom Waits-Stück "I Never Talk To Strangers", das dieser damals (1977 auf dem Album "Foreign Affairs") im Duett mit Bette Middler brachte. Gesanglich sind beide Akteure hier in Topform, aber auch die Band zeigt eindrucksvoll, wie vielfältig sie tatsächlich ist.
Im Prinzip kann man "Judgement Days" von WellBad also eigentlich nur ein dickes Lob aussprechen. Sehr stark eingespielt, gesungen und produziert, dazu wirklich gutes Songwriting. Wenn... ja, wenn da nicht diese überdeutliche Bedienung bei Tom Waits vorhanden wäre. Das geht von der Stimme und der Intonation über (clever eingesetzt) gewolltes Lispeln, dem bereits angesprochenen Duett bis hin zu einem Song ("Rockin' Chair"), bei dem mir der inspirierende Song (mit anderem Titel) direkt vor Augen bzw. Ohren schwebt. Das nimmt dann leider einiges von der eigenen Identität und im Zweifelsfall legt man sich eher doch lieber ein Waits-Original aus den Siebzigern auf.
Eigentlich sehr schade, da "Judgement Days" ansonsten ein richtig starkes Album ist.
Line-up:
Daniel Welbat (acoustic & electric guitars, harps, banjo, organ, percussion, Jaws-Harp, Kazoo, lead guitar - #6, lap steel solo - #2, organ solo - #4, lead & background vocals)
Stephan Gade (harmonica & organ - #1, baritone guitar & keyboard - #4, percussion - #5, baritone guitar - #6, orchestration - #7, bass, keyboards & percussion - #9, lap steel, baritone guitar & percussion - #10)
Victor Schüttfort (lead & rhythm guitars)
Simon Andresen (keyboards, piano)
Stefan Reich (double bass, electric bass)
Sebastian Meyer (drums)
Mit:
Jessy Martens (vocals - #3)
Philipp Kacza (trumpet - #3)
Tracklist |
01:A Little Pain
02:Judgement Day
03:Coffin For Two
04:Good World
05:Poor Mary
06:Three Legged Dog
07:Rockin' Chair
08:One Kiss Too Late
09:Compliment
10:Talking French
11:Don't Go Back To The Coal Mine
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