Nach dem 2008er- Geschenk unter dem Weihnachtsbaum wird jetzt das Who-Osterei 2009 gelegt.
Hartnäckig halten sich die Gerüchte, dass nicht verkaufte Schoko-Weihnachtsmänner großtechnisch zu Osterhasen umgemodelt werden.
In diesen Tagen bringt man das Album "Live At The Isle Of Wight Festival 1970" ebenfalls als neu geformten Weihnachtsmann auf den Markt. Wohl gemerkt, überarbeitet kommt das Werk auf den Ladentisch, wenn man es denn will.
Hoffentlich gibt es keinen Glaubenskrieg der Who-Fans oder anderer Anhänger. Kaum »Glaubenskrieg« geschrieben, vernehme ich zwischen den Zeilen das gesprochene Wort: »Ich habe "Live At Leeds" und gut ist…«
Wenn man von diesem Album spricht, ist der Mensch natürlich auf dem 'Special Edition'-Trip. Ist dem so, hätte kein weiteres je veröffentlichtes Live-Album aus dieser Who-Generation eine Chance in die Plattensammlung zu wandern.
"Live At The Isle Of Wight..." müsste geradezu vor Ehrfurcht erstarren und schließlich kann man, wegen der "Live At Leeds"-Übermacht kein gutes Haar an vorliegendem Doppeldecker lassen.
Schon interessiert es den Who-Sympathisanten nicht mehr, ob sich die Tracklists der CDs gleichen, in welcher Reihenfolge die Setlisten gespielt wurden? Dort findet man das eine, an anderer Stelle das andere und identische gibt es zuhauf.
Welchen Sinn machen Tommy-Songs ohne den unmittelbaren Zusammenhang zu ihren Nachbar-Tracks des Originals? Andersherum: Können auch Kompositionen aus der Rock-Oper isoliert voneinander gehört und genossen werden?
Letztendlich eine Frage des guten Geschmacks und wie die vier Musiker drauf waren, an diesem 29.08.1970.
The Who stehen für puren Rock'n'Roll der energiegeladenen Art. Da darf auch schon einmal ein Ton nicht auf den Punkt getroffen werden, oder die Backing Vocals nicht ganz so himmlisch klingen. Natürlich hatten die Konzerte aus dieser Zeit ein großes "Tommy"-Ausrufezeichen auf dem Plan und so war es auch bei diesem Festival. Fast der gesamte Zyklus wurde nach einigen für sich stehenden Kompositionen, unter anderem John Entwistles "Heaven And Hell", der das ganze zweistündige Treiben eröffnet, gespielt.
Nach einem guten "I Can't Explain" kommt es mit "Young Man Blues", im Original von Mose Allison zu einem krachenden Blueser mit einem heftig pumpenden Entwistle-Bass, aber wann ist der nicht so. Das Stück hat einen frei schwebenden Part, der toll rüber kommt und dann ist Pete Townshend mit einem überdreht verzerrten Solo dran. In seinem Schlepptau scheint sich die Band selber überholen zu wollen.
Dann wird ein Track angekündigt, der auf dem neuen Album erscheinen sollte. Dieses war nicht "Lifehouse", mit dem man schon »half way through« war, sondern bekanntlich das Megateil "Who's Next". "I Don't Even Know Myself" findet man auf einigen Who-Samplern. Roger Daltrey spielt zu Beginn einen kurzen Schnipsel Harp und der Song rockt sehr gut, hat feine Breaks und ruhigere Intermezzi.
Das Stück "Water" wurde zu Woodstock-Zeiten geschrieben und ist ein zehnminütiger Aufgalopp zur folgenden "Tommy"-Revue. Irgendwie wirkt die Nummer wie Stückwerk, mit dem man wenig anfangen kann. Klingt wie The Who auf einem Improvisationstrip.
"Overture": Instrumental werden verschiedene "Tommy"-Themen angestimmt.
Die kurze Feststellung "It's A Boy" (hier stimmen die Backing Vocals) leitet über zu "1921" in fast identischer Länge zum Studio-Album. Zusammen mit "Amazing Journey" sowie "Sparks" alles sehr gut vorgetragen. So kann der Hörer die Live-Performance der Band genießen.
Was sich mit "Eyesight To The Blind" von Sonny Boy Williamson fortsetzt.
CD-Wechsel… die "Tommy"-Kracher folgen.
Die rund 600.000 Zuschauer sind schon bei den ersten Tönen aus Townshends Gitarre mit einem Jubel zur Stelle. "Pinball Wizard", das ist ein Song, den man immer auch als Einzelstück hören kann und hier sind The Who richtig gut dabei.
Ob die folgenden Shorties als Live-Aufführungen Sinn machen, lasse ich mal dahingestellt. "Tommy Can You Hear Me?" muss erwähnt werden, denn die gesamte Vocal-Vorstellung stimmt.
"There's A Doctor"… überflüssig. "Go To The Mirror!"… essentiell, wegen der geilen Townshend-Riffs. Ebenso "Smash The Mirror". Über die unwesentlichen vierzehn Sekunden "Miracle Cure" kann man ebenfalls hinwegsehen, denn das großartig gespielte "I'm Free" mit einem hervorragend aufgelegten Daltrey folgt.
Was Entwistle sowie Townshend in dem fast zehnminütigen "We're Not Gonna Take It" abliefern ist fantastisch.
Ein grandioser Abschluss der "Tommy"-Runde und auch wenn in abgeänderter Tracklist gespielt... es ist keinen Deut schlechter als bei der Sonderausgabe von "Live At Leeds".
Danach gibt es nochmals großen Rock'n'Roll, denn die echten Klassiker werden gespielt: "Summertime Blues", immer wieder gerne gehört, und, klar dürfen "Substitute" sowie "My Generation" nicht fehlen.
Das Triple-Medley nach dem "Summertime Blues" ist toll und "Magic Bus", wieder mit Daltrey an der Harp, bildet den krönenden Abschluss eines klasse Gigs.
Dieser Doppeldecker mit wirklich gutem Klang gehört zum The Who-Nachlass und man sollte ein solches Erbe nicht ausschlagen.
Line-up:
Roger Daltrey (vocals, harp)
Pete Townshend (guitar, backing vocals)
John Entwistle (bass, backing vocals)
Keith Moon (drums)
Tracklist |
CD 1:
01:Heaven And Hell (5:41)
02:I Can't Explain (2:46)
03:Young Man Blues (6:07)
04:I Don't Even Know Myself (6:11)
05:Water (10:53)
06:Overture (6:03)
07:It's A Boy (0:39)
08:1921 (2:28)
09:Amazing Journey (5:38)
10:Sparks (2:52)
11:Eyesight To The Blind (1:58)
12:Christmas (3:27)
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CD 2:
01:The Acid Queen (3:42)
02:Pinball Wizard (2:50)
03:Do You Think It's Alright? (0:23)
04:Fiddle About (1:16)
05:Tommy Can You Hear Me? (0:59)
06:There's A Doctor (0:22)
07:Go To The Mirror! (3:32)
08:Smash The Mirror (1:16)
09:Miracle Cure (0:13)
10:I'm Free (2:25)
11:Tommy's Holiday Camp (1:02)
12:We're Not Gonna Take It (9:40)
13:Summertime Blues (3:24)
14:Shakin' All Over/Spoonful/Twist & Shout (6:27)
15:Subtitute (2:11)
16:My Generation (7:16)
17:Naked Eye (6:32)
18:Magic Bus (4:40)
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Externe Links:
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