Der Blues-Jam-Rock-Wind wehte letzten Sommer auf dem
Burg Herzberg Festival aus südlicher Richtung, denn die Turiner
W.I.N.D. - vielmehr ein Orkan - kamen nach Germany, um die unter der sengenden Juli-Sonne leidenden Alt-Hippies im milchig-honigsüßen Hessen zu unterhalten. Man schnitt diese Show mit - unglücklicherweiseweise verschwand der erste Set des Konzertes irgendwo im technischen Nirwana (vielleicht wird sie in 2345 noch von einem Blues-Archäologen entdeckt), so dass nur etwas mehr als eine Stunde übrig blieb.
Aber die hat es in sich! Hier gibt es in einem direkten Live-Sound das volle Heavy-Blues-Jam-Rock-Power-Trio-Brett auf die Ohren, wie von den Italiern gewohnt. Auch ohne ihren Freund
Johnny Neel, der sie auf der letzten CD
Groovin' Trip noch als Keyboarder und Sänger tatkräftig unterstützte, schicken sich
W.I.N.D. an, die europäische Konkurrenz von
Gov't Mule zu werden, ohne ganz die Weltklasse der amerikanischen Vorbilder zu erreichen - auch weil
Fabio Drusin in die Annalen der Bluesgeschichte nicht als der beste Sänger aller Zeiten eingehen wird. "Dance With The Devil" erinnert einen an das Frühwerk von
Warren Haynes & Co, gespickt mit einer unglaublich melodiösen Gitarrenfigur, die wiederkehrt und um psychedelische Improvisationen ergänzt wird. Das Bassspiel von
Fabio Drusin scheint auch vom 2000 verstorbenen
Allan Woody inspiriert zu sein.
Aber auch traditionellere Blues-Töne werden geboten. Beim Opener "Dust My Broom" lädt die Slide zum Mitlallen ein, auch
Elmore James hätte wahrscheinlich seine Freude daran gehabt - meine Lieblingsversion bleibt allerdings die von
Grinderswitch (R.I.P.
Dru Lombar). "Lucky Man" wurde vom Rockpalast als einzige Nummer des
W.I.N.D.-Sets gesendet, ist aber beileibe nicht die beste des Trios. "Fake It" mit dem orientalisch-psychedelischen Einschlag überzeugt mehr. "Bad Luck Blues" ist ein Slow-Blues, den die Musiker von forte über piano und zurück zu forte schicken, inkl. einer Gesangseinlage von
Drusin ohne Mikro, erlebt man exkl. nur auf dem Herzberg.
Dann sind die ganz großen Helden der Rockgeschichte dran: zunächst die
Allmans mit einer harten Version von "Whipping Post" (allerdings ohne die zweite Gitarre) und dann
Hendrix (zurecht mit dem Zusatz "Jam"). Hier darf
Jimi Barbiani singen, der das recht gut macht. Als Gitarrist erreicht er nicht die Klasse eines
Stevie Ray Vaughan, der diesem Klassiker Anfang der 80er Jahre seinen ganz eigenen Stempel aufdrückte. Eigentlich ist "Voodoo Chile Jam Return" nur neun Minuten lang, aber bei etwa 9:50 wird das Ende des ansonsten verloren gegangene "Moon Blues" eingeblendet. Eine kleine Weihnachts-Überraschung am Ende einer mehr als gelungenen CD. Die Referenz für
W.I.N.D.-Neueinsteiger bleibt aber weiterhin "Groovin' Trip".