Ich weiß, ich weiß - Musiker hören es nicht gerne, wenn sie mit berühmten Kollegen verglichen werden, was man gut nachvollziehen kann. Im vorliegenden Fall ist es allerdings garantiert nicht despektierlich gemeint!! Das Jam-Trio W.I.N.D. gehört schließlich seit jeher (seit der Gründung 1995, um genau zu sein) zu den besten europäischen Jam-, Southern- und Blues-Bands, was von keinem Szenekenner bestritten werden kann!
Was die Norditaliener aber mit ihrem neuen Album "Temporary Happiness" abliefern, ist der pure Gov't Mule-Sound - aber sowas von lupenrein und hochkarätig!! Wer den spröden Charme meiner Lieblingsband zu Woodys Zeiten liebt, bekommt auf W.I.N.D.s [kann mir mal einer die Bedeutung dieser Abkürzung verraten??] sechstem Album die absolute Vollbedienung. Bei Fabio Drusins knurrig-prägnanten Bassläufen denkt man unweigerlich an das kantig-kauzige Urviech Allen Woody [R.I.P. in Deinem 'Jacky'-Fass, Du für immer geliebte alte Socke!!], dem Ur-Bassisten des Maultieres. Wenn man den mit souligen Bläserattacken und gospelartigen Chören gespickten Titelsong oder später gleichermaßen bei "Stand For Your Brother" hört, kommt man zudem kaum umhin, an das kleine Meisterwerk der Warren Haynes Band zu denken.
"Temporary Happiness" ist das zweite Album in der neuen Besetzung. Bereits beim grandiosen Vorgänger Walkin' In A New Direction hatte Fabio Drusin sein 'Baby' komplett umformiert. Wer geglaubt hatte, die Abgänge von Jimi Barbiani und Sandro Bencich könnten unmöglich kompensiert werden, sah sich satt getäuscht. Gitarrist Anthony Basso und Schlagwerker Silver Bassi standen den beiden Ausnahmemusikern nicht nur in Nichts nach, sondern "Walkin' In A New Direction" war auch gleich noch das bis dahin beste Album W.I.N.D.s geworden!
Diesmal gibt es zwar keine Keyboardeinlagen von Glauco Venier, trotzdem setzt man den Aufbruch 'in neue Richtungen' durchaus konsequent fort. Will heißen: W.I.N.D. klingen deutlich rockorientierter als früher. Zudem ist auffällig, dass die Songs, obwohl nahezu alle über der magischen Fünf-Minuten-Marke, bei allen jammigen Grundzügen unglaublich griffig und kompakt wirken.
Ein Allen Woody-Gedächtnislauf eröffnet "Sun Shines Through The Rain", das seine Inspiration ganz tief beim Großmeister bezieht. Anthony Basso kann hier (wie im Folgenden) seine enge musikalische Bindung an den Magier der Neuzeit nicht verleugnen. Eines der schönsten Stücke von "Temporary Happiness" folgt sogleich. Obwohl es etwas anders klingt, atmet "More Than Myself" den Geist von Beautifully Broken/When Doves Cry ein und aus. Was für ein bärenstarker Song! Göttlich - zum erfurchtsvollen Niederknien zwingend!!
Sehr sphärisch, mit einem winzigen Funken orientalischer Mystik gespickt, eröffnet "Social Paranoia" das rumpelige "Waiting For Next Friday", das in seiner erbarmungslosen Härte und Trio-Orientierung an die Zeppeline erinnert - allerdings spiegelt sich mehr Rodgers als Plant in Drusins famosem Gesang.
Obwohl zumeist ordentlich auf die Tube gedrückt wird, sind es gerade die Balladen "The Lonely Place Inside" und "In The Winter Times", die 'an den Eiern packen'. Wohl auch, weil man beiden Nummern extrem viel Zeit zur Entfaltung lässt, was einen angenehm warmen, stimmungsgeladenen Jam-Charakter entwickeln lässt. Getoppt wird das aber alles von dem glutvoll-dynamischen Southern-Rocker "Born To Ride". Mit diesen Monster-Riffs im Ohr sollte man umgehend die Harley satteln und erlebt völlig neue Kurvenlagen, in denen man schlichtweg zu fliegen glaubt...
Unser 'Ultra' im Forum darf sich freuen: "Temporary Happiness" bietet 'Vintage-Rock', der sich ganz tief an den fetten Fleischtöpfen der goldenen Siebzigern bedient. Hier findet nicht nur Doc Rock, was seit 43 Jahren zumeist entbehrt werden musste: Klassischen (Hard-)Rock mit gaaanz viel Blues- und jammig aufgeblasenen Psychedelic Rock.
Ein Wahnsinnsalbum ist hier Fabio Drusin und seinen kongenialen Konsorten gelungen - ein ganz heißer Anwärter auf das Album des Jahres!!
Line-up:
Fabio Drusin (lead and backing vocals, bass, percussion)
Anthony Basso (guitars, lead and backing vocals)
Silver Basso (drums)
Additional Musicians:
Mauro 'Otto' Ottolini (trumpet, trombone - #1,7)
Daniele D'Agaro (tenor and baritone saxophone - #1,7)
FVG Gospel Choir (backing vocals - #1,4,7)
Tracklist |
01:Temporary Happiness (5:07)
02:Sun Shines Through The Rain (4:42)
03:More Than Myself (9:28)
04:Dreaming My Life Away (6:12)
05:Social Paranoia (1:04)
06:Waiting For The Next Friday (4:47)
07:Stand For Your Brother (8:12)
08:The First Day Of The Rest Of My Life (5:34)
09:The Lonely Place Inside (7:50)
10:Born To Ride (8:38)
11:In The Winter Time (6:43)
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Externe Links:
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