Wenn ich mich nur an meine Schulzeit und den damit verbundenen Musikunterricht denke, graust es mich. Vor allem meine Einsätze an der Querflöte waren so prägnant 'schön', dass ich mir locker eine gute Note hätte erpressen können, wenn ich alles andere getan hätte - nur nicht die Querflöte zu 'vergewaltigen'. Allein schon deshalb bin ich derart vorbelastet, dass ich gegen Flöten jeglicher Form normalerweise panisch allergisch reagiere.
Doch es gibt wenige Ausnahmen von musikalischen Künstlern, die mich mit dem Blasinstrument beeindrucken können, so wie zum Beispiel Tulls Legende Ian Anderson oder aktuell Francis Tobolsky von der Dresdner Kapelle Wucan. In der Tat, was die Frau aus ihrem Instrument an herrlichsten Tönen heraus zaubert, kann ich nur mit absoluter Spitzenklasse bewerten. Dazu ist sie im Besitz einer sagenhaften ausdrucksstarken Stimme, die mir beim Hören des Silberlings für zahlreiche, wohlige Rückenschauer sorgt.
Wie hatte mein geschätzter Kollege Steve bereits vor fast einem Jahr bei seiner Vikarma-Rezension festgestellt? Ich zitiere: »Akustische Gitarren, Querflöten, gelegentlich eine schwindsüchtig röchelnde Hammond - da kann schon ein gewisses Woodstock-Feeling aufkeimen.« Recht haste Steve. Dein Feedback kann ich zu einhundert Prozent unterschreiben. In der Tat, wenn ich es nicht besser wüsste, könnte man meinen, dass hier eine Oldieplatte aus den Siebzigern durch meine Ohrmuscheln wandert.
Das Bandkonzept, alles auf ihre Frontfrau auszurichten, geht voll auf. So ist es Frau Tobolsky, die glasklar im Zentrum von "Sow The Wind" steht. Allerdings lohnt es sich, die Lauscher genaustens zu spitzen, denn was Tim George an seiner Stromklampfe an spielerischen Finessen zelebriert, ist ebenfalls von hoher Qualität. Passend dazu sorgen die Rhythmiker Patrik Dröge (Bass) und Leo Vaessen (Schlagzeug) für ein grundsolides Klangfundament, auf dem sich die sechs Songs prima aufbauen lassen. Deshalb sage ich: Auch wenn die Frontfrau die meisten Akzente setzt, ohne ihre musikalischen Mitstreiter geht's nicht.
Als Anspieltipp empfehle ich "Face In The Kraut" und den Schlussakt "Wandersmann". Vor allem der Finalsong hat was. Eine Mischung aus Märchenerzählung, Psychedelic-, Blues- und Kraut Rock. Hat Francis Tobolsky vorher alle Lieder in Englisch gesungen, trägt sie den "Wandersmann" als einziges Lied in Deutsch vor. Warum auch nicht? So demonstrieren die Elbstädter viel Flexibilität in ihrer Songarchitektur und scheinen nach allen Stilrichtungen der Rockmusik offen zu sein. Trotzdem scheint sich die Combo, zumindest bei ihren ersten beiden Platten, im Woodstock-Gewand am wohlsten zu fühlen. Dementsprechend haben sie das Album auch im Sound der 70er eingespielt, was sich erstklassig aus den Boxen widerspiegelt.
Fazit: Auch wenn ich bei meinen Freunden als 'Flötenhasser' bekannt bin, hat es Francis Tobolsky durch ihr 'Quergebläse' geschafft, bei mir reichlich positive Adrenalinschübe zu erzeugen. Letztlich ist es aber das stimmige Wucan-Gesamtpaket, welches mich veranlasst, der Band ein exzellentes Zeugnis auszustellen und wer auf anspruchsvolle Musik steht, der wird hier bestimmt fündig. Somit halte ich ein Reinhören nicht nur für unabdingbar, sondern kann getrost eine Kaufempfehlung aussprechen.
Line-up:
Francis Tobolsky (Gesang, Querflöte, Akustik-Gitarre)
Tim George (Gitarre)
Patrik Dröge (Bass)
Leo Vaessen (Schlagzeug)
Tracklist |
01:Father Storm (3:57)
02:Owl Eyes (5:50)
03:Looking In The Past (5:43)
04:Face In The Kraut (4:16)
05:King Korea (7:04)
06:Wandersmann (15:45)
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