Der heiße (Konzert)-Herbst beginnt ...
Langsam fängt es draußen an wieder ungemütlich zu werden, wir gehen im Dunkeln zur Arbeit und kommen im Dunkeln zurück. Jeden Morgen beim Verlassen des Hauses ist es ein Glückspiel zu wissen, welche Kleidung man braucht, wenn man wieder auf dem Heimweg ist.
Hätten wir nicht in wärmeren Gefilden aufwachsen können? Aber was hilft es, freuen wir uns lieber darauf, was der Herbst und kommende Winter an netten Überraschungen in den Konzerthallen für uns bereit hält.
Die Saison der Open Air-Veranstaltungen ist nun, wie der mäßige Sommer, vorbei und das musikhungrige Publikum darf sich wieder in engen, stickigen Hallen drängeln, um seinen Idolen für rund zwei Stunden nahe zu sein, damit der alltägliche Stress für eine kurze Zeit aus den Köpfen verschwinden kann. Wohl dem, der Musik erfunden hat und gut, dass sich diese ständig weiter entwickelt.
Was bietet sich also in den kommenden Wochen auf den Bühnen der Republik? Einige Bands sind mit Neuerscheinungen am Start und viele begnügen sich mit einer Best Of-Tour. Dabei stechen verschiedene Top-Stars besonders hervor. Peter Frampton ist mit einem ganz alten Schinken unterwegs, dem erfolgreichsten Live-Album aller Zeiten: "Frampton Comes Alive". Wer erinnert sich nicht gerne daran, und nun macht sich der Meister in die Spur, um die komplette Show erneut aufzuführen. Sicherlich einen Besuch Wert ist das Gemeinschaftskonzert von Saga und Marillion. Saga, wieder in Originalbestzung, werden mit Sicherheit ihre Klassiker zum Besten geben und da Marillion vergangenes Jahr im Vorprogramm von Deep Purple mit ihrer Prog Rock-Show extrem gepunktet haben, freue ich mich darauf, beide Bands in voller Länge zu erleben. Gedanklich habe ich dabei noch die Ereignisse von vor 30 Jahren im Kopf, und ich erinnere mich sehr gerne daran, da es super Konzerte waren.
Die Altmeister von BAP um Wolfgang Niedecken werden auch wieder unterwegs sein. Dieses Mal, oder eigentlich so wie immer, mit mindestens drei Stunden Musik aus allen Jahrzehnten ihres Schaffens. Heavy Metal-Urgestein Lemmy tourt gleich im Doppelpack durch die Lande. Natürlich, wie jedes Jahr, mit Motörhead und nun auch mit seiner Hobby-Band, den Heatcats, um seine Ambitionen im Rock'n'Roll auszuleben. Rammstein haben ebenfalls nichts Neues auf der Pfanne, die Konzerte sind trotzdem schon seit Wochen ausverkauft. Tastenvirtuose Jean-Michel Jarre, der ja im Sommer einen Riesenauftritt bei der Hautevolee in Monaco hatte, klammert sich auch wieder an bisher Dagewesenes, einzig und allein spektakulär ist dabei seine Light-Show. Amy Lee ist mit neuer CD und neu formierter Band Evanescence endlich wieder unterwegs und ich kann es kaum abwarten, ihre bezaubernde Stimme zu hören.
Was nebenbei so in den lokalen Klubs abläuft, wird mit Sicherheit bei der kommenden, kalten Jahreszeit auf reges Interesse stoßen, ist es doch immer schön warm und gemütlich in so mancher Location. Natürlich werde ich bei vielen Konzerten anwesend sein, bei großen wie bei den kleinen. Mein persönlicher Musikgeschmack geht dabei, je nach Lust und Laune, in verschiedene Richtungen. Mit einigen Ausnahmen höre ich alles von zart bis hart und lasse meine Finger hauptsächlich vom monotonen 'Bumm, Bumm' welches aus Techno-Boxen dröhnt. Ich kann auch nach vielen Jahren der Musikanalyse nicht verstehen, was Menschen daran finden können, aber jedem das Seine.
In meiner Freizeit bin ich in ein Musik-Projekt involviert, bei dem ich als Schlagzeuger fungiere und für Musikschüler den Takt halte. Natürlich unterhalte ich mich mit den jungen Leuten darüber, welche Musik sie bevorzugen, zu welchen Konzerten sie gehen und was bei ihnen in den Regalen gesammelt wird. Erstaunlicherweise treten beim Nachwuchs immer mehr Bands aus der guten alten Zeit des Rock in den Vordergrund und ich bin jedes Mal erstaunt, welches Fachwissen dabei an den Tag gelegt wird. Bestes Beispiel war ja in der letzten Folge des Dauerbrenners "Wetten, dass...?" zu erleben, als ein sympathischer Knabe namens Hagen die Bude so unglaublich gerockt hat, das selbst ein alter Hase wie Peter Maffay mit offenen Mund neben ihm stand und große Mühe hatte, mit dessen Gitarrenkünsten mitzuhalten. Kleiner Tipp, bei YouTube ist die Nummer zu sehen und es lohnt sich mal einen Blick auf Hagen zu werfen.
Während der vergangenen Jahre hatte ich immer mehr das Gefühl bei meinen Konzertbesuchen, speziell was jüngere Bands angeht, von den anwesenden Jugendlichen mit schrägen Blicken gemustert zu werden. Von wegen 'was will denn der Opa hier?' Aber zu meiner Freude fragen mich doch viele Leute, wie die alten Bands damals so auf der Bühne waren, und wenn ich dann meine Geschichten herauskrame, ohne unbedingt damit anzugeben, wen ich schon alles gesehen habe, erfüllt es mich mit Stolz, zu sehen, wie mich die heutige Jugend akzeptiert. Andererseits frage ich mich im gleichen Atemzug, woher das Taschengeld für die zum Teil unverschämt teuren Tickets kommt. So habe ich erst vor ein paar Tagen meine Ticketsammlung durchgeblättert und Vergleiche zu den aktuellen Preisen gezogen, dabei festgestellt, dass selbst Superbands wie Pink Floyd, Deep Purple und Led Zeppelin zu Spottpreisen zu sehen waren und Nachwuchsbands heute Kurse jenseits von Gut und Böse aufrufen. Dass es dabei oft an Gegenleistungen mangelt, sei nur am Rande erwähnt.
In unserer Redaktion hatten wir eine ausgedehnte Debatte über die Rechtfertigung von hohen Preisen und haben uns dabei am Beispiel von Sir Paul McCartney orientiert. Ruft doch der Ex- Beatle die stolzen Tarife von knapp 60 bis 160 €uro für normale Tickets (VIP Tickets ab 200, es kursieren sogar Gerüchte von Preisen bis 600 €uro) aus, um sich auf der Bühne darzustellen und huldigen zu lassen. Sein Kollege Ringo Starr kostete dagegen in Berlin lächerliche 60 €uro, obwohl seine Begleitband wesentlich hochkarätiger besetzt war und er selbst nicht minder an der Musikgeschichte mitgeschrieben hat. Natürlich kommt jetzt von den Lesern das Argument, Sir Paul könnte ja das letzte Mal in Deutschland gewesen sein. Aber das sagen die Rolling Stones schon seit zwanzig Jahren und die halten den Ball noch einigermaßen flach und bieten eine wesentlich bessere Show als Paul, der zum x-ten Mal "Hey Jude" anstimmt und damit fast 10 Minuten das Publikum langweilt.
Trotz alledem stehen die alten Recken bei der heutigen Jugend hoch im Kurs, weil vermutlich die Meisten festgestellt haben, dass man Musik auch per Hand machen kann und nicht durch Knöpfchendrücken und Reglerdrehen am PC. Schockrocker Alice Cooper, der im November durch die deutschen Hallen tobt, bedient sich sogar Kinderstimmen, um in Berlin im Radio auf seine Show hinzuweisen, die, wie man weiß, keinesfalls jugendfrei ist. Meine Wenigkeit wird auch vor Ort sein, um dem 'Meister des Grauens' die Ehre zu erbieten und zum wiederholten Male werde ich versuchen zu ergründen, wie seine Tricks funktionieren.
Da ich auch ein Liebhaber handgemachter Musik bin, hat mich der vergangene Monat überwiegend in die kleineren Klubs der Hauptstadt geführt und ich hatte unter anderem die Ehre Arthur Brown dem »God Of Hellfire« die Hand zu schütteln und beizuwohnen, wie ein 69-jähriger Mann akrobatische Kunststücke auf der Bühne vollführt und dabei mit der Stimme eines Jünglings ins Mikrofon röhrt. Ebenso durfte ich der Janis Joplin des 21. Jahrhunderts, Meena aus Österreich, zuhören, als sie dem Publikum den Blues im Berliner Quasimodo gab. Im krassen Gegensatz standen die Guano Apes, die wie schon erwähnt für ihren Preis einfach zu wenig geboten haben und sogar um Einspieler vom Band nicht herumgekommen sind. Die Fans im Saal hat es auch nicht gestört für, noch nicht einmal 90 Minuten 40 Okken auf den Tisch zu blättern und tat der Stimmung in keiner Weise Abbruch. Bei dieser Erkenntnis wird mir also nicht Bange, dass es den Bands schlecht gehen könnte oder sie in Zukunft die Live-Auftritte reduzieren.
Die immer als computer- oder handysüchtige Jugend scheint also auch süchtig nach guter Musik zu sein und ist durchaus in der Lage sich so zu begeistern, um selbst ein Instrument in die Hand zu nehmen und es ihren Idolen nachzumachen. Das gibt nicht nur mir die Hoffnung, auch in Zukunft mit guter Musik unterhalten zu werden. Was ich allerdings zu bezweifeln wage, ist die Vermutung, dass sich die Bands, welche sich in den vergangenen 10 Jahren gebildet haben, in weiteren 25 Jahren noch am Markt sind.
Ausnahmen wird es sicherlich immer geben, aber in den meisten Fällen wird außer einem kurzen Erfolgserlebnis wohl nicht viel übrig bleiben. Ist es also sinnvoll, sich als Fan solcher Formationen zu outen, und mehr als den Preis für CDs oder Konzerttickets zu investieren? Wenn ich in diesem Zusammenhang einen Blick auf die derzeitig angelaufene Castingshow "X-Factor" werfe und sehe, welchen Hype diese Verheizung von Talenten auslöst, wird mir Angst und Bange. Zum einen tun mir die 'Möchte-gern-Künstler' leid, wie sie gnadenlos ausgebeutet werden, und zum anderen kann ich die Menschen nicht verstehen, die dieses auch noch unterstützen. Welches geistige Niveau dabei an den Tag gelegt wird, ist eine Schande, und sind wir mal ehrlich, welcher dieser Castingshow-Gewinner hat es jemals zu irgendetwas gebracht und kann von sich selbst behaupten ein wahrer Superstar zu sein? Diesen Ausdruck zu definieren bedarf es schon einiges und das ist vor allem eine über viele Jahre andauernde, konstante Leistung in seinem Genre.
Wir, das Team von RockTimes, sind deshalb ständig bemüht, für euch nach solchen Musikern Ausschau zu halten, die nicht nur in den Hitparaden stehen oder die sich durch ominöse Fernsehshows profilieren, sondern wir gehen auch in die kleinen Klubs und schauen in die Nischen der Musikwelt und haben dabei bereits so manche Stilblüten gefunden, die es immer wert sind euch präsentiert zu werden.
In diesem Sinne
euer Holgi
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