Schnitt ins 21. Jahrhundert. Die großen Gigs sind rar und vor allem zu teuer geworden. In der sanierungsbedürftigen Hofer 'Freiheitshalle' gastieren der 'Musikantenstadl ', 'Wetten Dass', Abba-Revival-Bands und im zweijährigen Turnus In Extremo. Peter Maffay gibt alle Zeiten mal ein Open Air in Bayreuth oder sonstwo und wird dann in der Presse tagelang als Volksheld gefeiert.
In Lichtenfels bietet die Stadthalle in größeren Abständen vorwiegend Schwermetall-haltiges. Bamberg hat das neue 'Forum ' mit einem dichtgedrängten, sehr gemischten Programm, das für Rockfans durchaus mal was bietet. Ansonsten produzieren dort die Basketball-Fans von 'GHP Bamberg' kollektive Adrenalin-Orgien. Coburg lädt im Sommer zum Open Air auf dem Schlossplatz ( Deep Purple, Status Quo, Sting, Die Toten Hosen, Joe Cocker, Nena, Bryan Adams), in Kulmbach treten Haindling, das 'Irish Folk Festival' oder Blackmore´s Night auf der Plassenburg auf.
Aber es gibt eine Reihe guter lokaler Bands, viele stehen regelmäßig auf diversen Bühnen und spielen, was die eigenen Ansprüche oder Fähigkeiten hergeben. Für ein dafür durchaus dankbares Publikum. Reine Amateurcombos, deren Anlagen grad mal für den Oldies-Abend in einem mittleren Wirthaussaal ausreichen oder engagierte Semiprofis, die oft mit größeren Eigenmitteln ihrer künstlerischen Entfaltung auch auf eigene Rechnung frönen. Und dann die, die Wochenend für Wochenend für ein partygeiles Jungvolk mit aufwändigen Covershows den Soundtrack zur Bedröhnung liefern. Letztere mit gemieteten PAs und Lightshows (und den entsprechenden Gagen im hohen fünfstelligen Euro-Bereich), die bei jeder durchschnittlichen internationalen Rockband in den Achtziger Jahren für blanken Neid gesorgt hätten. Das ist, bei aller zugestandenen Qualität und großem Zuspruch, aber hier nicht das Thema. Ich will diesmal aktuelle Bands und Initiativen vorstellen, die zwar auch die Rockmusik nicht neu erfunden haben, sie aber mit viel Herzblut originell interpretieren und mit eigenen Produktionen über den lokalen Bereich hinaus bekannt sind. Sie gehören zur festen Szene in Oberfranken, die uns Rock-Fans den dringend erforderlichen "Stoff" für unsere Livemusic-Süchte liefern.
Bekanntester Export aus Oberfranken sind die Southern Rocker Flatman (den RockTimes-Lesern sicher keine Unbekannten), deren Mitglieder aus dem Raum Hof - Münchberg stammen.
1997 als reine Lynyrd Skynyrd-Coverband gestartet, ist die Truppe um die Kossmann-Brüder Stefan (voc., git) und Thorsten (git.) mittlerweile zu einer der besten des Genres in Deutschland geworden. Durch reichlich Gigs hat sie neben professioneller Bühnenerfahrung auch eine ansehnliche Fangemeinde erworben. Mit ihrer fulminanten Liveshow begeistert Flatman auch in Nachbarländern wie Italien oder der Tschechei
Zum weiteren Line Up der mittlerweile personell etablieren Band gehören Emil Renner (git.), Matthias Popp (bs), Michael Schneiderbanger (dr) und die Background-Sängerinnen Sabine Kossmann sowie Kathrin Saalfrank.
Beide selbst produzierten CDs "A Bottle Of Booze (2002)" und Hell Bent On Glory (2004) sind schon rechte Kracher mit astreinem Sound, was auch das einschlägige deutsche 'Halycon-Label' veranlasste, das jüngste Werk unter eigenem Vertrieb herauszugeben. Mein erster Eindruck von der Band war aber keineswegs euphorisch.
Bei einem kleinen, vereinsorganisierten Festival in meinem Nachbarort Silberstein 2001 zerlegte sie beinahe das Sportheim mit ihrer Lautstärke. Die wenigen Songs, die ich vor dem drohenden Gehörsturz anhören konnte, machten jedoch Lust, Flatman mal unter besseren Bedingungen zu erleben.
Im letzten Juni hatte ich dann dazu die Gelegenheit. Als Co-Act beim 'Woodstock Open Air' in Seulbitz (s.u.) erwischte die Band am Nachmittag einen kräftigen Regenguss. Das Wasser sammelte sich zwar bedenklich auf dem behelfsmäßigen Zeltdach, aber: "So here we are and we´re ready to rock. Don´t you now we are hell-bent on glory" - genau so, Flatmänner!
Selbst Drummer Mimi klopfte unbeirrt seine Achtel auf dem Becken, auf das es genau durch ein Loch schiffte. Über den Steinbruch donnerten (mit diesmal durchaus verträglichen Phonstärken) SR-Klassiker und die eigenen Songs der Band. Dazu heizten die drei Gitarreros und Basser Gummi den Fans, die im Regen tanzten (gell, Petra und Thomas ...), auch mit sehenswertem Posing kräftig ein.
Nur über die Rolle der beiden Girls auf der Bühne wurde ich mir nicht recht klar. Die sangen zwar regelmäßig mit, zu hören waren sie aber nicht. Ein knappes halbes Jahr später stand dann der nächste Gig im Schwarzenbacher 'Rockkeller'an, zu dem mich Stefan als Fotograf gebeten hatte. Auch in der wieder recht beengten Lokalität zogen Flatman eine affenstarke Show ab, nach der die internationalen Gäste W.I.N.D. und Johnny Neel ein bestens vorgeglühtes Fan-Publikum vorfanden. Der Ritterschlag für Stefan kam ebenfalls im letzten Jahr, als er zusätzlich das Mikro von Lizard übernahm und sofort von den Fans akzeptiert wurde.
Auch auf der nächsten Voodoo Lake - CD ist er mit einem Song ("Son of the Witch") vertreten. Binnen Jahresfrist habe ich die Band beim SR-Mailinglisten-Treffen Burg/Schlepzig nun zum dritten Mal erlebt und auch die beiden CDs laufen regelmäßig in meinem Player, wenn ich gut drauf bin. An meiner Begeisterung hat sich nichts geändert, Flatman ist eine starke Truppe mit viel Live-Power. Klar, da ist noch Potential, das Songwriting ist verbesserungsfähig und auch der Bühnen-Sound muss ausgewogener und stabiler werden. Aber die allseits gute Resonanz hat sie sich wirklich verdient und wir werden hoffentlich noch viele geile SR-Nächte mit den Flatmännern feiern.
Zwar noch nicht international, aber auch in anderen Bundesländern tourt die 2004 gestartete Revue A Night Of Woodstock Musik von 'Livekultur - das Liveprojekt'. Dabei handelt es sich um eine Initiative von Jürgen Fein aus Hof an der Saale, der seit drei Jahren Themenprojekte aus der Rock-Historie auf die entsprechend dekorierte Bühne bringt.
Absolut gekonnt, aber mit dem leicht nostalgischen und mitunter auch satirischen Blick des 'Zu-Spät-Geborenen', was dem Ganzen eine erfreuliche Lockerheit gibt. Bei den bisherigen drei gab es einen festen Stamm von Musikern und Mit-Machern, neben Fein (git, voc) Peter Wrobel (bs, sax) und Rolf Deutschendorf (key).
Auch die späteren aktiven Bandmitglieder Thomas Mohr (git, voc) und Harry Tröger (dr, voc) waren schon als Light- bzw. Soundmischer bei der ersten Show mit an Bord. Hinzu kamen Gäste für das jeweilige Tour-Programm.
Das erste Projekt 2003 nannte sich A Night Of Guitars und coverte hauptsächlich die Zwillingsgitarren von Wishbone Ash, mit ergänzenden Soundtracks von Deep Purple und Led Zeppelin. Als Fein´s Partner an der zweiten Lead glänzte Musikdozent Martin Spörl aus Bad Steben, ansonsten griff der Maestro auf die Kollegen seiner anderen Band Granny´s Pearl zurück. Bereits vorab hatte die Tour-Besetzung eine CD aufgenommen, später gab´s dann noch einen unbearbeiteten Live-Mitschnitt für die Hardcore-Fans. Schon bei dieser ersten Folge (und dann auch bei allen späteren) war die Publikumsresonanz mehr als erfreulich, fast alle Gigs in kleinen Clubs und mittleren Hallen waren ausverkauft..
Die erste 'Allstar-Band' kam bei A Night Of Woodstock Music 2004 zusammen. Neun Musiker aus fünf verschiedenen Stammformationen (+ diversen Nebenprojekten) erwiesen sich auf der Bühne als furiose Truppe, die ein tolles 'Woodstock'-Revival abzog. Neben altgedienten Bühnenhasen mit Profierfahrungen kamen auch relative junge und 'unbeleckte ' Gesichter dazu, die bisher in ganz anderen Bereichen Musik gemacht hatten.
Neu war Achim Weller, der auf die längste Karriere als Semiprofi zurückblicken konnte. Er war der perfekte Opener mit seinem Auftritt als zappelnder Joe Cocker, der dem Original auch stimmlich nichts schuldig blieb. Er übernahm dann noch die Gesangsparts von Grateful Dead und Santana.
Aus dem Gospellager stammten gleich drei Akteure, die gemeinsam auch den Background-Chor bildeten. Harald Gebhardt war für die Gesangsparts der CCR-, Who- und Hendrix-nummern zuständig. Sandra Stail wippte im halbdurchsichtigen Fummel als Grace Slick über die Bühne und das sorgte mit ihrem unterkühltem Timbre für erotische Spannung.
Die Entdeckung war jedoch Janina Färber aus meinem Heimatort Nordhalben, die bald nur noch Janis genannt wurde. Die kleine Einundzwanzigjährige ist mit derselben (s)explosiven Stimme und Bühnenenergie geladen, wie ihr legendäres Vorbild. Spätestens bei ihrem Auftritt flippten die eh schon begeisterten Fans restlos aus.
Fein bot in allen Stilrichtungen beste Gitarrenkunst, vor allem als Carlos Santana und Jimi Hendrix.
Drummer Harry Tröger haute dem Publikum in Shouter-Manier "I´m Going Home" auf die Löffel. Neben den außergewöhnlichen Solisten schwang sich auch der Rest der Truppe zu Höchstleistungen auf. Während Deutschendorf und Mohr vor allem für die Füll-Sounds verantwortlich zeichneten, bewies 'Fips' Wrobel (ansonsten als Bläser in der Unterhaltungsmusik tätig) mit seinem Musicman-Bass 1a-Groove-Qualitäten. Für mich war vor allem verblüffend, dass die Akteure nicht nur den Sound, sondern auch das Feeling des 'Summers of Love' so gut rüberbrachten, nachdem die Wenigsten die Zeit schon erlebt hatten.
Klar, dass nach der umjubelten Club-Tour im ersten Jahresdrittel die Fans ein Open Air forderten. Fein organisierte schließlich am Fronleichnamstag 2004 ein Festival auf dem Gelände des aufgelassenen Steinbruchs von Seulbitz, irgendwo auf den Frankenwaldhöhen zwischen Helmbrechts und Münchberg.
Leider verhinderte die herumziehende Gewitterfront größeren Publikumszuspruch. Aber die, die sich nicht schrecken ließen, konnten sich über zwei Vorbands und eine bestens aufgelegte Livekultur-Truppe freuen. Der Auftritt wurde mit Original-Soundeinspielungen von der Hubschrauberankunft und zusätzlichen Songs (Färber als Joan Baez und Weller als Richie Havens) aufgepeppt. Der Erfolg sprach sich dank der Fanpropaganda schnell herum und aus dem Woodstock-Projekt wurde eine feste Band, die auf einschlägig bekannten Rockbühnen wie dem Nürnberger 'Hirsch', der 'Linde ' in Affalter vor 700 begeisterten Sachsen oder beim 'Zweiten Hessischen Woodstock Revival' ihre Show abzog. Neben einer Promo-CD veröffentlichte das Team eine Live-CD vom Auftritt im Bürgersaal Helmbrechts am 13.03.2004, die im bandeigenen Studio professionell produziert wurde. Aktuell stehen heuer noch zwei Shows auf dem Tourplan.
Mit diesem Erfolg im Rücken stürzte sich der hauptberufliche Zoll-Beamte Fein auf seine neuen Projekte. Das nächste Tourprogramm 'The End - A Strange Night Of Rock' nahm die Fans mit auf eine 'bewusstseinserweiternde' Reise durch die experimentierfreudige Zeit um 1970. An einem zunächst 'perfekten Tag' stolpert der Protagonist ( Fein himself) bald durch einen Albtraum, der u.a. von Songs von Led Zep, Cream, Pink Floyd, Yes, Cockney Rebel, Iron Butterfly, Neil Young, Steppenwolf, Fleedwood Mac illustriert wird und in der Apokalypse des Doors-Dramas endet.
Beim Abschlußkonzert in Helmbrechts explodierte der Psycho-Trip in einer beeindruckenden Lightshow, die zwei Spezialisten gekonnt dazu improvisierten. Neben der Stamm-Crew war wieder 'Janis' Färber und erstmals Patrick Busse mit an Bord, die sich zusammen mit 'Meister' Mohr und dem Chef die Leadvocals teilten. Der Abend hatte mit einem vom Band eingespielten Intro des zweiten 2004/05er Werks "SEDNA" begonnen.
Das erste eigenständige 'Livekultur'-Opus, von Mastermind Fein fast im Alleingang komponiert, getextet, arrangiert und im Band-Studio mit Jeffrey Strößner produziert. Die aktuellen Liveprojekt-Mitstreiter wurden bei den Aufnahmen von weiteren Musikern aus dem Hofer Dunstkreis unterstützt. "SEDNA" ist der erst 2003 entdeckte, zehnte Planet unseres Sonnensystems, der nach der Meeresgöttin der Inuit benannt ist und sinnbildlich für den Inhalt der CD steht. Ein Konzeptalbum, das einen Bogen von der Entstehung bis zum Ende der Welt schlägt. Darin eingebettet ist die Saga von verschiedenen Herrschergeschlechtern, die die Geschicke lenken.
Die in deutsch gesungenen Texte werden instrumentiert von den unterschiedlichsten Klangquellen. Neben herkömmlichem Equipment kommen Bläser- und Chorsätze, eine Kirchenorgel und ein Moog-Synthesizer zum Einsatz. Mit einem künstlerisch ansprechend gestalteten Booklet ausgestattet, bietet die CD auch optisch viel, unterscheidet sich aber grundlegend von den rockorientierten Liveprojekten. Das komplexe, stilistisch vielfältige Werk ist eher ein musikalisches Hörspiel aus der Fantasywelt, das zumindest für die härtere Klänge liebenden Fans gewöhnungsbedürftig ist. Zu denen sicher ich zähle und der ich mit der Mischung aus Vangelis, Wishbone Ash, 80er Jahre-Pop und Esotherik-Themen nicht soviel anfangen kann. Andere 'Livekultur'-Freunde, die ich sonst eher im 'Sassern'-Lager treffe, waren jedoch begeistert.
Fein will das Opus auch live auf die Bühne bringen, was sicher ein aufwändiges Unterfangen wird. Aber wie meinte der Mastermind nochmal: "Alles was ich mir bisher vorgenommen hatte, hab ich auch geschafft!"
Ich wünsch es dir, Jürgen und freu mich aber gleichzeitig auf das nächste Tourthema 'Brothers in Arms' - die Story der Anti-Kriegs-Bewegung in der Rockmusik. Dabei sollen "noch weit mehr als bei den früheren Projekten Musik, Bühnenbild und Musicalelemente zu einer mitreißenden Konzertshow verschmelzen". Ich bin gespannt und nimm dich beim Wort, "dass das härter als alle früheren Liveprojekte wird"!
Obwohl die bisherigen Shows qualitativ und quantitativ durchaus für sich hätten stehen können, nahmen die Liveprojektler jeweils andere Bands aus ihrem Umfeld mit auf die Tour. Granny´s Pearl als Vertreter der klassischen Oldies-Coverband, die rockabilly- und twistorientierten Heartbreakers, The Guitar Beat mit ihrem Roots- und Desertrock und Thomas Marek + Stagger Lee aus dem Blueslager konnten sich so einem größeren Fan-Publikum präsentieren.
Zum Abschluß dieser Folge will ich noch eine Konzertreihe ansprechen, die Uli Wich aus dem bereits erwähnten Nachbarort Silberstein (Gemeinde Geroldsgrün) angeleiert hatte. Der beliebte Vereinsfunktionär überzeugte Freunde und Wirte in seinem Umfeld, wechselnde Kneipenkonzerte durchzuführen und veranstaltete auch kleinere Festivals. Über Jahre gab es die unterschiedlichste Rockmusik und auch Kleinkunst zum Spartarif in meist überfüllten Lokalen. Neben den regionalen Gruppen holte er Amateur- und Semiprofi-Bands vor allem aus dem nahen Sachsen und Thüringen in den tiefen Frankenwald, was in der Nachwende-Zeit auch für einen gewissen 'Kulturaustausch' sorgte. Favs waren die SR- und Bluesrocker Crazy Catfish mit mehreren Gigs, die klasse Simon&Garfunkel Revival Band, Reinhard Fißler ( Stern Combo Meißen), das Boogie-Trio Freebird aber auch Ingo Insterburg mit seinem skurrilen Musik-Kabarett. Vor etwa zwei Jahren ging den Konzerten jedoch die Luft aus, sie wurden leider eingestellt. Ich hoffe, Freund Uli hat nur eine Pause eingelegt und bekommt bald Lust 'mal wieder was zu machen'.
Jedenfalls thanx a lot für die tollen Nächte in den verräucherten Silbersteiner und Dürrenwaider Kneipen, über die ich gern in unseren Lokalzeitungen berichtet habe!
Norbert Neugebauer, 17.06.2005
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