RockTimes:
Hallo Phil, danke, dass du dir vor eurem Auftritt hier in Wiesbaden für RockTimes Zeit nimmst. Mit In Focus seid ihr mit eurem dritten Studio-Album am Start. Wann wird es etwas Neues von Alias Eye geben?
Phil: Ganz sicher im nächsten Jahr. Wir schreiben schon neue Songs und wir werden uns nach dem heutigen Konzert im Probenraum verschanzen und es dann im Frühjahr hoffentlich aufnehmen. Und dann müssen wir schauen, bei welchem Label das Album unterkommen wird. Das Label QuiXote ist ja für "In Focus" weiterhin zuständig, aber wir müssen halt sehen, was alles möglich ist. Es gibt da mehrere Alternativen und wir gehen momentan davon aus, dass das neue Album dann im Herbst 2008 auf den Markt kommt.
RockTimes:
Ich habe den Eindruck, dass ihr auf "In Focus" gegenüber den Vorgängeralben den Härtegrad in eurer Musik etwas angezogen habt. Habt ihr schon Vorstellungen, in welche Richtung das neue Material gehen soll?
Phil: Man hat zwar seine Vorstellungen, aber so richtig planen kann man es eigentlich nicht. Es soll auf alle Fälle wieder etwas progressiver werden, mit viel Orgel und Klavier. Es soll wieder längere und ausladende Songs geben und wir haben auch vor, wieder etwas mit meinem Vater zu machen.
[ Anm. der Redaktion: Vater Martin Griffiths war Sänger der Prog Rock-Band Beggars Opera. Auf dem Debüt-Album Field Of Names von Alias Eye findet man bereits ein Duett von Vater und Sohn.]
Wir würden auf dem neuen Album gerne den melancholischen Grad von "Field Of Names", aber auch den Härtegrad von "In Focus" behalten. Unser Gitarrist Matze Wurm kam ja erst zu Alias Eye, als die Stücke für "In Focus" bereits geschrieben waren. Und wir sind bis zu diesem Zeitpunkt natürlich noch von einer anderen Gitarre ausgegangen. Der neue Härtegrad hat unserer Musik richtig gut getan, es ist einfach Matze seine Art, so zu spielen.
RockTimes:
Auf "In Focus" kombiniert ihr eine Menge und präsentiert sehr unterschiedliche Songs. Ihr spielt u.a. Balladen, aber es wird auch kräftig gerockt. Es gibt also eine ziemlich große Bandbreite auf diesem Album zu hören. War sich die ganze Band darin einig, welche Stücke auf das Album sollten?
Phil: "Books" ist zum Beispiel ein ganz alter Song, den schleppen wir eigentlich schon seit unserem Beginn mit uns rum. Die Hauptsongwriter waren unser ehemaliger Keyboarder Vitas Lemke und ich, aber die anderen haben unsere Ideen absolut mitgetragen. Wir hatten eher das Problem, etwas zu reduzieren. Auf unserem "A Different Point Of View"-Album passiert so viel, das ist so dick und darauf hatten wir zu diesem Zeitpunkt einfach keinen Bock mehr. Für jeden Musiker gibt es auf "In Focus" eigentlich Stücke, die jedem Einzelnen etwas mehr oder weniger bedeuten. Mir persönlich gefällt "In Denial" eigentlich am besten, weil es so richtig groovt, und ich finde, dass "Hold On" eine wirklich herausragende Ballade geworden ist.
RockTimes:
Was sind denn die Haupteinflüsse der einzelnen Musiker von Alias Eye?
Phil: Ich höre sehr gerne klavierlastige Sachen aus dem melodiösen Bereich und ich bin immer weiter auf der Suche nach guter Musik. Mir gefällt aber auch die neue Scheibe von Sieges Even sehr gut. Sie ist druckvoll, rockig und melodiös. Ansonsten ist Matze natürlich in der Gitarrenwelt sehr verwurzelt, obwohl er gar nicht viel frickelt. Gefrickelt wird, wo gefrickelt werden muss, und er hat ja in Amerika studiert und dort gelernt, dass man nicht immer an jeder Stelle etwas spielen muss. Das Prinzip ist, in einem Song den einen oder anderen Glanzpunkt zu setzen, aber ansonsten den Track fett zu machen. Der eine oder andere Musiker kommt aber auch aus dem Hard Rock-Bereich, wie z.B. Black Sabbath, Led Zeppelin, Deep Purple, aber auch Iron Maiden.
RockTimes:
Im Jahr 2004 wart ihr schon mal als Support mit Saga auf Tour. Wo stehen Alias Eye in deinen Augen heute? Seid ihr zufrieden oder gab es einen Rückschritt?
Phil: Es ist im Zeitalter von MP3s und Downloads insgesamt für alle Bands schwierig, aber wir sind trotzdem in der glücklichen Lage, recht frei musizieren zu können. Wir stehen wirklich so da, dass wir keine großen Probleme haben.
RockTimes:
Dann frage ich mal anders. Wo wollt ihr denn mit der Band hin, was wollt ihr erreichen?
Phil: Der Status soll natürlich ausgebaut werden, aber das kommt auch auf das jeweilige Album drauf an. Wir hoffen, das Bestmögliche aus der Band heraus zu holen. Es sind natürlich auch immer Steigerungen in der Promotion drin. Unser Hauptmarkt ist nach wie vor ganz klar Deutschland, aber auch Benelux und Amerika laufen sehr gut. Die letzten Alben sind auch in Russland veröffentlicht worden, wir können uns also wirklich nicht beschweren. Und dann darf man auch nicht vergessen, dass wir im nächsten Jahr unser zehnjähriges Bandjubiläum feiern. Und wir haben alle den Drive, genau wie früher, noch mal richtig loszulegen.
Durch das Downloading im Internet wird man zudem auch bekannter, und man könnte sich eigentlich auch darüber freuen, wenn die CD z.B. in Taiwan runtergeladen wird. Denn mal ehrlich, dort würde ansonsten wohl kaum einer Kenntnis von Alias Eye erhalten. Es hat alles seine Vor- und Nachteile. Ich bin mir aber auch sicher, dass wir im Bereich der kleinen Labels einiges Negatives erfahren werden, weil sie durch die zurückgehenden Verkaufszahlen einfach nicht mehr die Möglichkeiten wie bisher haben werden.
RockTimes:
Du kommst aus einer sehr musikalischen Familie. Deinen Vater hast du ja bereits angesprochen. Erzähl uns ein wenig über die Hintergründe.
Phil: Ich hatte die Band Beggars Opera selbst ja gar nicht mehr mitbekommen. Mein Vater war viel unterwegs und ich habe das Ganze eigentlich erst richtig mitverfolgt, als er solo mit seiner Akustikgitarre unterwegs war und aufgetreten ist. Ich habe bei meinem Vater Gitarrenunterricht genommen und unsere Stimmen sind sich sehr ähnlich. Es ist für mich auch überhaupt kein Problem, damit in Verbindung gebracht zu werden und ich bin eher stolz, wenn man mich durch meinen Vater mit Beggars Opera in einem Atemzug nennt. Ich finde ihn nach wie vor sehr gut.
RockTimes:
Bei Alias Eye komponierst du selbst mit. Aber du hast ja auch noch das Nebenprojekt Poor Genetic Material. Wie sieht deine Beteiligung dort genau aus?
Phil: Also der Gesang ist ja Teil der Musik und in dem ich die Gesangsharmonien bei Poor Genetic Material selbst ausarbeite, schreibe ich in diesem Sinne natürlich die Songs mit. Die Grundideen kommen allerdings immer von Stefan Glomb und Philipp Jeahne. Die beiden schreiben das Instrumentale und schicken es mir dann zu. Das ist für mich sehr angenehm. Bei Alias Eye hingegen ist es so, dass wir gemeinsam im Probenraum sitzen und jeder seine Ideen einbringt, also auch von mir im instrumentalen Bereich und so stecke ich da viel mehr im kreativen Entstehungsprozess mit drin.
RockTimes:
Und es bleibt dabei, dass Poor Genetic Material ausschließlich ein Recording-Projekt ist und nicht live gespielt werden wird?
Phil: So ist es, niemals live!!! Das geht auch nicht. Ich könnte diese Sachen live gar nicht singen und ich glaube auch nicht, dass man die anderen Jungs für ein Livekonzert zusammentrommeln könnte. Poor Genetic Material ist und bleibt ein Studioprojekt - es geht darum, Ideen im Studio zu verwirklichen und dann ein Album zu veröffentlichen.
So funktioniert die Band am besten. Die Stücke von Alias Eye beherrsche ich hingegen.
RockTimes:
Man attestiert dir immer wieder eine vollkommen eigene Art zu singen, in deiner eigenen Stimmlage und einen besonders prägnanten Wiedererkennungswert deiner Stimme. Macht dich das besonders stolz?
Phil: Das macht mich natürlich stolz und ich mache ja auch noch andere Sachen, wie zum Beispiel Jazz und Swing. Einzig, die anderen sagen immer, dass ich auf der Bühne einfach viel zu laut singe. Ich freue mich sehr darüber, wenn ich so ein Lob bekomme.
RockTimes:
Kannst du dir vorstellen, noch in weiteren Projekten zu singen?
Phil: Das muss ich ehrlich gesagt gar nicht. Alias Eye ist mein Baby und hier ich finde ich eigentlich alle Stile. Pop, Rock, Funk, Jazz, Metal usw. .
RockTimes:
Ihr werdet im Grunde genommen dem Progressive Rock zugerechnet. Wie siehst du überhaupt die Chancen des Prog?
[Anm. der Redaktion: An dieser Stelle meldet sich Gitarrist Matthias Wurm auch zu Wort].
Matze: Der Zusatz 'Prog' wird in Musikerkreisen natürlich besonders gerne gesehen. Da heißt es immer: »Die müssen gut sein«, aber das ist natürlich auch ein Problem der Stilrichtung. Prog ist in Deutschland definitiv Underground. Und es kommen einfach wenig Leute zu den Prog-Konzerten. Unser Problem ist vielleicht, dass wir den Prog-Stempel haben, wobei "In Focus" definitiv keine Prog-Scheibe ist. In den USA ist das anders. Da kommen die Leute einfach zu den Konzerten und dabei ist es egal, ob es sich um Prog, Blues oder Metal handelt. Sie sind einfach interessiert und kommen zu den Events. Und wenn es ihnen gefallen hat, kaufen sie auch die CD.
Phil: Aber natürlich ist Deutschland für die Prog-Musiker auch sehr wichtig. Nicht umsonst kommen die ganzen Bands immer noch nach Deutschland um hier zu spielen. Der deutsche Markt ist schon noch sehr wichtig. Uns persönlich liegt nicht viel am Prog-Stempel. Wir nennen unsere Musik selbst Artrock. Die Prog-Szene selbst hat uns aber natürlich auch geholfen. Sie ist klein, aber sie ist vorhanden. Im normalen Rock-Bereich ist keine Gemeinschaft in diesem Sinne da, aber wie gesagt, wir sind mit unserer Musik bei Weitem nicht so komplex, wie es im Prog eigentlich üblich ist. Wir vermischen die verschiedenen Stilrichtungen und unsere Songs sind bedeutend kürzer. Obwohl unsere zukünftigen Tracks teilweise wieder etwas länger werden sollen, finde ich es oftmals komisch, wenn sich die Musiker hinsetzen und einen Prog-Song schreiben wollen, der dann 15 Minuten oder länger andauert. Beim Hören findet man dann doch sehr viele Auffüller, in dem mehrere Minuten gejamt wird. Also das gibt mir nicht so viel.
Matze: Wichtig ist uns, dass unsere Songs nicht nur von guten Musikern gerne gehört werden. Wir wollen Arrangements und gute Melodiebögen, die jedermann Spaß machen, sich diese anzuhören. Das ist uns einfach viel wichtiger. Interessant sind auch diese Labelkäufer. Wenn da eine Scheibe bei InsideOut erscheint, da muss dann Prog drauf sein und dann wird das aus diesem Grunde gekauft. Und die Underground-Szene ist da offensichtlich auf ein paar Labels spezialisiert und kauft das einfach. Und dadurch ist es für so manche Band natürlich besonders reizvoll, bei so einem Label anzudocken, weil dann ein gewisser Absatz bereits vorprogrammiert ist.
RockTimes:
Was macht ein Phil Griffiths privat außer Musik?
Phil: Ich betreue meine eigenen Kinder. Das beansprucht eigentlich den größten Teil meiner Freizeit.
RockTimes:
Und was wünschst Du Dir für das kommende Jahr 2008?
Phil: Ein gutes Album, danach dann hoffentlich gute Konzerte, dass sich Neal Morse mit der nächsten CD mehr Zeit lässt und dass die Leute von diesem Extremkonsum wegkommen, nämlich dass sie wieder mehr CDs kaufen, anstatt zu downloaden, kurz reinzuhören und die Musik dann wieder verschwinden zu lassen. Und ich hoffe, dass die Musikindustrie im Prog-Bereich überlebt und die Labelstruktur nicht wegbricht, denn ich befürchte, dass die nächsten Jahre schwer werden.
RockTimes:
Hast du wirklich die Hoffnung, dass sich das illegale Downloaden selbst reguliert?
Phil: Nein, das glaube ich nicht. Es wird immer da sein, aber Bands und Labels müssen auf diese Situation reagieren. Das geht nur, indem man die CD wieder attraktiver macht, günstig aber nicht zu günstig, damit nicht der Eindruck entsteht, es würde sich um irgendeinen Ramsch handeln. Aber wir haben in der letzten Woche noch mal unsere Alben zu einem Preis von EUR 7,50/Stück angeboten und das ist noch mal richtig gut gelaufen. Da merkt man, dass die Leute einfach nicht mehr bereit sind, 14 - 15 Euro für eine CD auszugeben. Es ist eine berechtigte Frage des Preises. Das Problem dabei sind natürlich die Produktionskosten, und auf Grund derer kannst du deine Alben eigentlich nicht für 7,50 verkaufen. Da bleibt dann nichts mehr übrig.
RockTimes:
Es gibt doch aber inzwischen so viele Indie-Labels. Und auch die typische und gewohnte Labelarbeit, in dem man die kompletten Produktions- inkl. Studiokosten übernimmt, anschließend sogar noch eine Tour für die Band organisiert, gibt es so in dieser Form nicht mehr. Es gibt auch kaum noch finanzielle Vorschüsse. Ist es nicht viel mehr so, dass es inzwischen viel zu viele kleine Labels gibt, die viel zu viele Bands zeichnen, so dass ein Überangebot entstanden ist und eben nur noch max. 500 - 1000 Einheiten verkauft werden. Wer soll das alles kaufen, was da auf den Markt kommt?
Phil: Also ich möchte es mal ganz vorsichtig formulieren. Meine persönliche Meinung ist, dass einfach zu viel Schlechtes auf den Markt kommt. Es gibt heute einfach die Möglichkeit, zu Hause am PC aufzunehmen, selbst zu mischen und dann haust du es raus. Das ist dann ein Release, der in allen gängigen Magazinen rezensiert wird. Wie sollen denn die Leute da überhaupt noch einen Überblick behalten? Der gesamte Level in Bezug auf die Aufnahmequalität wird dabei auch noch gesenkt. Es werden also Maßstäbe berührt. Und ich denke schon, dass eine Art von Gesundschrumpfen unausweichlich ist. Ich sehe darin eine Chance, denn wenn weniger schlechte Produkte auf den Markt strömen, hat man auch wieder eine reellere Chance, gehört und gekauft zu werden. Auch Alias Eye ist derzeit eine Band, die ihre neue Sachen zusammen mit vielen Tausend anderen heraus bringt.
Das andere Problem liegt einfach darin, dass, wenn ein kleines Label ein sehr gutes Album auf den Markt wirft, dennoch kaputt geht, weil diese Scheibe illegal gedownloadet anstatt gekauft wird. Es ist also durchaus nicht so, dass nur die, die es verdient haben, verschwinden werden. Aber wie gesagt, es ist meine subjektive Meinung. Es werden diejenigen überleben, denen es gelingt, den neuen Markt richtig zu interpretieren, die Konsequenzen zu ziehen und so möglicherweise richtig auf die Probleme einzugehen. Denn das, was Radiohead mit ihrem neuen Album gemacht haben, in dem sie es zum kostengünstigen Download bereit gestellt haben, soll auch nicht so besonders gelaufen sein.
Letztlich konnte ich schon bei der Saga-Tour 2004 erkennen, dass unsere Musik für eine breite Masse sehr gut geeignet ist. Aber wir erreichen diese breite Masse nicht. Oder schau dir die Radiolandschaft an. Selbst mit einer zwei- bis drei-Minuten-Ballade bekommst du heute kein Airplay mehr. Das Problem ist also: Wie schaffst du es, dass die Leute deine Musik hören? Prog-Fans sind oftmals nicht mehr die Jüngsten und die ganzen Saga-Fans, die ich hier mal als Beispiel nennen möchte, sind halt auch nicht oft im Internet online. Die stöbern nicht ständig in den ganzen Online-Magazinen rum. Sie gehen zu Saga, zu Genesis und zu den Bands, die sie von früher kennen, aber ich bin mir sicher, dass es ihnen bei uns auch gefallen würde.
RockTimes:
Phil, wir danken für das offene Gespräch und wünschen dir und der Band weiterhin Erfolg und alles Gute.
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