Nachdem ich damals den Konzertbericht las, dachte ich, dass ich das verlockend klänge und dass ich da vielleicht etwas verpasst habe. Vor allem als Tobias Sammet ankündigte, mit Avantasia aufzuhören. Zum Glück hat er es sich doch anders überlegt und 2013 erschien The Mystery Of Time, eine Scheibe, die ich mittlerweile vielleicht schon als die beste der Band ansehe. Als ich "Black Orchid" gehört habe, war es dann soweit: sofort Tickets bestellt, denn dieses Mal wollte ich in Fulda dabei sein.
Das war also mein erstes Mal in der Esperantohalle, die sich als professionelle Messehalle entpuppte. Großzügig angelegt, mit Rängen und Innenraum, Vorraum etc. - der Raum war gut gefüllt, nicht zu voll, genau richtig. Tobi konnte zufrieden sein, nun, er hatte ja auch ein Heimspiel. Er meinte allerdings, der Verkauf für Berlin würde schlecht laufen, ob nicht ein Teil des Publikums da auch noch mal hinwollte… nee, zumindest mir ist doch etwas weit, über 160 km reichen… aber dafür haben wir ja auch RockTimer dort vor Ort… wobei Holger später Tobis Aussage bestätigen sollte.
Was man etwas kritisieren könnte, ist die relativ niedrige Bühnenhöhe, was dann für Zuschauer, deren Größe eher Richtung Zwerg oder Hobbit geht, nicht so gute Sicht bedeutet. Der Sound hingegen war gut und angenehm, hätte vielleicht noch etwas differenzierter sein können. Die Lightshow war jedoch großartig und entschädigte dafür, nicht immer alle Musiker auf der Bühne sehen zu können…
Als riesiges Backdrop gab es das Cover der aktuellen CD, "The Mystery Of Time", ein sehr schönes Rodney Matthews-Motiv. Hätte ich auch gerne als Shirt mitgenommen, doch 25 Euro ist jenseits meiner Toleranzgrenze, das unterstütze ich nicht (in diesem Fall schon etwas schweren Herzens).
Eine dreistündige Show ohne Vorgruppe wurde versprochen. Mit leichter Verspätung setze das Intro ein, "Also sprach Zarathustra" von Richard Strauss, vielen bekannt als Score aus "2001 - Odyssee im Weltraum". Gute Wahl, höre ich immer wieder gerne.
Danach folgte der Opener "Spectres" von aktuellen Album. Auch die nächsten beiden Songs waren neu: "Invoke The Machine" und "Black Orchid". So früh schon mein Favorit von der CD, gefiel mir live ebenso gut. Gehört zusammen mit "Twisted Mind" von der The Scarecrow (darauf musste ich viel länger warten) zum Besten, was Avantasia bisher geschrieben haben, wobei solche Meinungen natürlich Ansichtssache sind.
Neben mehreren Tracks von 2013 (wenn es die "Mystery World-Tour" ist, liegt logischerweise der Schwerpunkt auf dieser Scheibe) kamen erstaunlich viele vom Debüt "The Metal Opera Part 1". Die ganze 13-jährige Bandgeschichte wurde abgedeckt, wobei es natürlich schwer ist, jeden Wunschtitel zu spielen. Mir persönlich hat "The Toy Master" gefehlt, dafür gab es etliche andere Highlights. Wenn ich nicht alles gleich stark fand, mag dies ebenfalls Geschmackssache sein. Dennoch gab es immer wieder kleine Durchhänger - was bei der wirklich überdurchschnittlichen Spielzeit jedoch zu verschmerzen war und kein Grund zum Meckern sein soll.
Lediglich die Vorstellung der Live-Besetzung hätte kürzer ausfallen können, was allerdings nichts Neues ist. Tobi hatte schon immer die Neigung dazu, stellenweise etwas zu viel zu labern, was aber zeigt, dass er Spaß hat und dadurch sympathisch wirkt. Natürlich hatte er auch wieder einige Gastsänger dabei, darunter Amanda Somerville, Eric Martin, Bob Catley und Michael Kiskes, der laut Tobi der Grund war, warum er mit dem Singen anfing, also sein großes Vorbild. So manche Aussagen von Michi in Interviews mögen umstritten sein, aber seine Qualifikation als Sänger kann man nicht anzweifeln. An diesem Abend soll er erkältet gewesen sein, was jedoch kaum zu merken war und dass er trotzdem auftrat, ist echt lobenswert. Das gibt Bonuspunkte auf sein Konto, sozusagen, und wertet meine Meinung über ihn auf.
Ebenfalls positiv herausheben will ich Oliver Hartmann, vor allem für sein tolles Gitarrenspiel. Auch die anderen Mitstreiter, die ich jetzt nicht namentlich erwähne, trugen dazu bei, eine im besten Sinne professionelle Show zu bieten, die trotzdem nicht steril oder leblos wirkte. Okay, man mag darüber diskutieren, wen man lieber dabei gehabt hätte oder wen man nicht so toll fand - aber ehrlich, das ist Jammern auf hohem Niveau. Es gab Spaß, Stimmung, gute Musik(er) - was will man mehr. Ach ja, die bereits erwähnte, wirklich sehr gut abgestimmte Lightshow war eine wunderschöne Ergänzung dazu. Highlight dabei: "The Great Mystery". Richtig toll. Auch der Rest war audiovisuell beeindruckend. Zeigte, wie man eine gelungene Kombination aus symphonischen Momenten, Metalelementen und Lichteffekten machen kann. Oder um es anders auszudrücken, es gelang, die Idee hinter Avantasia auf die Bühne zu bringen und mit Leben zu erfüllen. In diesem Sinne:
»We are the power inside, we bring you fantasy.
We are the kingdom of light and dreams,
gnosis and life: Avantasia! «
Damit übergebe ich an Berlin:
( Andrea)
Avantasia bedeutet ein gutes Stehvermögen oder ein ausgeprägtes Sitzfleisch zu haben, je nachdem, ob sich der Fan ins Getümmel vor der Bühne stürzen möchte oder sich das Mammutwerk der "Mystery World Tour" im Rahmen ihrer aktuellen CD "The Mystery Of Time" von den Rängen aus ansieht. Ich habe mich entschlossen, die drei Stunden und fünfzehn Minuten lange Show - nach einem anstrengenden Arbeitstag - im Sitzen zu genießen. Der Veranstalter hat auch gut daran getan, den Beginn auf 19.00 Uhr festzulegen, so kommt es den Besuchern entgegen, den ersten Tag der Woche nicht endlos erscheinen zu lassen. Leider sind diesem Angebot nicht sehr viele gefolgt. Das Tempodrom ist mit ca. einem Drittel nur spärlich gefüllt. Natürlich fällt das auch dem Hauptakteur und Mastermind von Avantasia, Tobias Sammet, auf und in der ersten musikalischen Pause versucht er auf seine bekannt direkte, aber charmante Art zu erläutern, weshalb das Berliner Publikum oft von Heavy Metal-Bands gemieden wird. »Zieht euch doch mal den Stock aus dem Arsch» ist sein Kommentar zu den bis dahin etwas verhaltenen Fans im Innenraum. Nachdem dann auch noch die Presse ihr Fett weg bekommen hat, ging endlich die Post ab. Übrigens: Tobi, ich kann Dich beruhigen, Du hast in den Songpausen nicht zu viel gequasselt.
Die Besetzungsliste ist hochkarätig. Zwar entspricht sie nicht ausschließlich denen, die auf der aktuellen CD "The Mystery Of Time" vertreten sind, aber da das Programm aus mehr als nur diesem Werk besteht, benötigt Sammet Musiker und Sänger, die auch die älteren Songs bestens spielen und performen können. So sehen die Fans leider nicht Biff Byford von Saxon am Mikrofon und auch nicht Uriah Heep-Drummer Russel Gilbrook, aber spätestens nach dreißig Minuten sind diese aus den Gedanken gestrichen, denn die anwesenden Akteure sind perfekt für die Show.
Tobias Sammet hat sich gleich fünf Sänger und eine Sängerin an seine Seite geholt. Ihn selbst kann man aber nicht als den Hauptvokalisten bezeichnen. Gleichermaßen werden alle Songs gerecht verteilt und Tobi verlässt sogar öfter die Bühne, um den anderen die Show zu überlassen. Die Zeit, die er selbst dort verbringt, nutzt er wie gewohnt in vollen Zügen. Da das Tempodrom in Berlin über eine sehr breite und tiefe Bühne verfügt, wird diese für einen Marathonlauf genutzt. Ständig wechselt er von der einen zur anderen Seite, ist dabei gekleidet, als wenn immer noch Winter herrscht, und singt sich die Seele aus dem Leib. In mir keimt das Gefühl auf, dass er sich mit Avantasia mehr verbunden fühlt, als mit seiner Band Edguy. Mit dieser habe ich ihn bereits mehrmals 'on stage' gesehen, aber heute gefällt er mir am Besten. Trotz der mangelhaften Besucherzahlen sprühen er nebst Band sowie seinen Gastsängern nur so vor Spielfreude.
Bereits nach einigen Songs ist der Funke auf die Fans übergesprungen. Jede kleine Pause wird mit Sprechchören für die Protagonisten genutzt. Die kleine Ansage von Sammet zu Beginn zeigt ihre Wirkung. Den Rest erledigt die mitreißende Musik. Gleich zu Beginn einigt er sich mit dem Publikum darauf, seine Ansagen in Englisch zu formulieren, da viele ausländische Gäste im Saal sind, wie man an den Bannern und Fahnen erkennen kann.
Langeweile ist an diesem Abend Fehlanzeige. Ebenso wie die Vermutung, dass unter den vielen Liedern einige dabei sind, die nicht ins Konzept passen. Die drei Stunden ohne Pause, die bis zum Zugabenblock gespielt werden, vergehen im Nu. Nicht zuletzt deswegen, weil die Sänger ständig wechseln und es somit immer wieder den Anschein hat, dass eine andere Band auf der Bühne steht. Die Tonlagen der Vokalisten reichen von tief und heavy bis in die höchsten Ebenen. Duette werden in absoluter Harmonie dargeboten. Ausgerechnet dem Perfektionisten Sammet passiert dabei ein Texthänger, der von ihm witzig überspielt und im selben Atemzug von Ronnie Atkins, seinem momentanen Duettpartner, ausgeglichen wird. Aller Achtung wert und im höchsten Maße professionell.
Während unter den Sängern das Mikrofon wie ein Staffelstab weitergereicht wird, werden diese von der Band vorwärts gepowert. Die Saitenakrobaten Sascha Peath, Oli Hartmann (der auch mehrere Parts singen darf) sowie Bassist André Neygenfind duellieren sich ständig mit ihren Äxten. Auch sie sind überall auf der riesigen Bühne zu finden und ergänzen sich hervorragend. Ihnen beim Spielen zuzusehen, ist schon beeindruckend. Etwas zurückhaltend ist dagegen Keyboarder Michael Rodenberg. Meistens spielt er abseits vom Scheinwerferlicht und nur als die wie eine Walküre gekleidete Amanda Somerville im Solo neben ihm ihre Stimme erhebt, steigt er zeitweise in den Gesang mit ein und steht somit kurzzeitig im Mittelpunkt. Über allem thront Edguy-Drummer Felix Bohnke. Auf den Punkt genau sorgt er für den nötigen Druck von hinten. Er muss kein Solo spielen, um heraus zu ragen.
Im weiteren Verlauf des Abends hält sich Tobias immer mehr zurück und überlässt das Feld und den Gesang seinen hervorragenden Gästen. Diese strotzen nur so vor Selbstsicherheit. Jeder von ihnen ist ein Entertainer erster Güte und versteht es, das Publikum an sich zu bannen. Der Abend kann als vollständig gelungen eingestuft werden. Vielleicht haben sich viele unter einer Rockoper etwas anderes vorgestellt und sind deshalb fern geblieben. Ich kann nur sagen, dass die Show absolut sehenswert ist und mit einer Rockoper recht wenig zu tun hat. Es ist eine gesunde Mischung aus Hard Rock und Heavy Metal, gemixt mit einer Prise Melodic, die in den wenigen ruhigen Musikstücken für den Entspannungsfaktor sorgt.
Nach einer kurzen Verschnaufpause beginnt man mit dem Zugabenblock, bestehend aus drei Songs - das große Finale. Tobias stellt seine Musiker vor und bittet nacheinander alle Vokalisten auf die Bühne. Im Chor werden die beiden letzten Werke vorgetragen und im Scheinwerfergewitter verabschiedet sich die Besetzung von ' Avantasia 2013' auf ihrer "Mystery World Tour". Sammet verspricht, beim nächsten Mal wieder in der Hauptstadt zu spielen, woraus man schließen darf, dass es auf jeden Fall eine Fortsetzung geben wird. Seine Schlussworte richten sich mit Dank an die vielen Fans aus dem Ausland, die im Saal sind. So sind neben unseren Nachbarn aus Polen auch Norweger und Schotten anwesend.
Vielen Dank an das Concertbuero Zahlmann und Go-On Promotion für die Akkreditierung.
(Holger)
Line-up:
Tobias Sammet (vocals)
Michael Kiske (vocals)
Eric Martin (vocals)
Bob Catley (vocals)
Ronnie Atkins (vocals)
Thomas Rettke (vocals, backing vocals)
Amanda Somerville (vocals, backing vocals)
Sascha Paeth (guitars)
Oli Hartmann (guitars, backing vocals)
Michael Rodenberg (keyboards, backing vocals)
André Neygenfind (bass, backing vocals)
Felix Bohnke (drums)
Setlist
01:Intro - Also sprach Zarathustra (Theme From: 2001 - A Space Odyssey)
02:Spectras
03:Invoke The Mashine
04:Black Orchid
05:Reach Out For The Light
06:Breaking Away
07:The Story Ain't Over
08:The Great Mystery
09:Scales Of Justice
10:What's Left Of Me
11:Promised Land
12:Sleepwalking
13:The Scarecrow
14:Stargazers
15:Farewell
16:Shelter From The Rain
17:In Quest For
18:The Wicked Symphony
19:Lost In Space
20:Savior In The Clockwork
21:Twisted Mind
22:Dying For An Angel
Encore:
23:The Seven Angels
24:Avantasia
25:Sign Of The Cross
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