Nach zweieinhalbmonatiger Konzertpause stand für mich an diesem Samstag mal wieder ein Gig von zwei deutschen Bands auf der Agenda, die schon vor vier Jahrzehnten die Rockszene kräftig aufmischten und sich damals an die Spitze der einheimischen Gruppen setzen konnten. Jahrelang gehörten die veröffentlichten Studio-Alben von Birth Control und Jane zu den Topsellern in unseren Breitengraden, und auch auf der Bühne galten die beiden Formationen sehr schnell als Garanten für geile Konzerte. So verwundert es nicht, dass Mitte der Siebziger mit Live und Live At Home zwei Konzertmitschnitte fast gleichzeitig für Furore sorgten, die bis heute zu den besten Live-Scheiben gehören, die die deutsche Rockmusik je hervorgebracht hat.
Doch dann unterschied sich der weitere Werdegang der Truppen zusehends. Während sich Birth Control ständig weiterentwickelte und sich auch durch Schicksalsschläge wie den Tod von Gitarrist Bruno Frenzel (†21.09.1983) nicht oder nur kurz aus der Bahn werfen ließ, gab es bei Jane immer häufiger Streitigkeiten unter den Bandmitgliedern, was zu zahlreichen Umbesetzungen führte und nun, in der Gegenwart, zur Folge hat, dass inzwischen gleich drei Formationen aktiv sind, die unter der Bezeichnung Jane, jede allerdings mit einem Zusatz im Bandnamen, firmieren. Traurig, aber leider auch kein Einzelfall in der Historie der Rockmusik.
An diesem Abend stand nun Mother Jane auf der Bühne des Musikzentrums in Hannover. Die Band also, die von Klaus Hess aus der Taufe gehoben wurde. Durch etliche CD-Veröffentlichungen in der letzten Zeit zeigten die Jungs ein erhebliches Maß an Kreativität und belegen gleichzeitig, dass sie sich vom klassischen Jane-Sound der Vergangenheit verabschieden wollen. Allein schon die fehlenden Keyboards und der Einsatz einer zweiten Gitarre deuten auf eine Hinwendung zum härteren Rock hin. Teilweise gehen die neuen Songs sogar schon in den Metal- bzw. Grunge-Bereich hinein. Doch auch die alten Klassiker kommen in den kompromissloseren Versionen von Mother Jane gut rüber, was auf dem Live-Album Hungry 4 Live Part Two prima herauszuhören ist.
Als die Band fast pünktlich um 20.00 Uhr begann, bestätigte sich diese Einschätzung sofort. Die präzisen Drums von Lucas Quentin donnerten nur so aus den Boxen und Bassist/Sänger Kai Schiering machte vom ersten Ton an klar, dass er sich bei diesem Gig voll reinknien würde. Wie ein Derwisch sprang er über die Bühne und machte richtig Alarm. Selbst beim Gesang, der ja bekanntlich schon immer ein Problem bei allen Jane-Formationen ist, schnitt er ganz gut ab. Gitarrist Jens Betjemann wirkte unauffällig, hatte aber einen großen Anteil an dem Powersound, den Mother Jane hier auf die Bühne zauberte. Da ging die Post aber mal so richtig ab.
Doch natürlich wurden die alten Klassiker am meisten abgefeiert. "Lady", "Daytime", "Hangman","All My Friends" und wie sie alle heißen, diese Meisterwerke sorgten immer wieder für spontanen Applaus des Publikums. Auch in diesen straighten Versionen hörten sich die Titel richtig gut an, zumal das Gitarrenspiel von Klaus Hess aber auch gar nichts von seiner Faszination verloren hat. Seine Soli kamen gestochen scharf und auf den Punkt genau.
Einziger Wermutstropfen der Show war allerdings der ziemlich schlechte Sound. Ein total übersteuerter Bass drängte die Hess-Gitarre doch ziemlich in den Hintergrund, was sich natürlich besonders bei den alten Songs negativ bemerkbar machte. Da hatte der Mann am Mischpult wohl nicht seinen besten Tag erwischt.
Trotzdem lieferten Mother Jane eine überzeugende Leistung ab und boten 90 äußerst kurzweilige Minuten auf der Bühne ab.
Die wichtigste Frage vor dem Auftritt von Birth Control war natürlich, wie 'Nossi' drauf war, der gesundheitlich mal kurz etwas geschwächelt hatte, was einen Krankenhausaufenthalt einschließlich Operationen zur Folge hatte. War er wieder voll hergestellt? Doch man konnte sofort Entwarnung geben. Der Kult-Drummer war in allen Belangen topfit. Stimmlich ist er voll da, und auch bei der Bearbeitung seines Schlagzeugs gab es absolut nichts auszusetzen. Schön zu sehen, wie ein sichtlich gut gelaunter Bernd Noske launige Ansagen machte und dann punktgenau bei seinen Songs zuschlug. Die über vier Jahrzehnte auf der Bühne scheinen absolut spurlos an ihm vorüber gegangen zu sein.
Das zweite Fragezeichen des Abends stand hinter dem neuen Gitarristen der Band. Konnte Martin Ettrich aus dem großen Schatten heraustreten, den Peter Engelhardt hinterlassen hatte? Sicher keine leichte Aufgabe. Doch auch hier gab es keinerlei Grund zu Beanstandungen. Sein Zusammenspiel mit dem Rest der Band war perfekt, und seine solistischen Fähigkeiten sind schon enorm. Er scheint die Titel alle schon absolut verinnerlicht zu haben und sich voll mit den Stücken zu identifizieren. Außerdem ufern seine Soloeinlagen nie aus. Da gibt es keinen Schnörkel zu viel, jeder Ton sitzt genau am rechten Fleck. Dieser Mann könnte genau der richtige sein, um Birth Control weitere produktive Impulse zu geben.
Auch Hannes Vesper und Sascha Kühn, beide inzwischen lange Jahre im Line-up der Band, wirkten sehr souverän und spielten die Show routiniert runter. Trotzdem sah man ihnen die Spielfreude förmlich an. In dieser Truppe scheint die Chemie absolut zu stimmen. Dieser schwere Orgelsound, schon immer ein Markenzeichen von Birth Control, ist immer wieder ein Genuss für die Ohren und bringt die Zuhörer ein ums andere Mal in Wallung. Zudem kommt auch das Zusammenspiel von Orgel und Gitarre sehr gut rüber, was bei dieser Art von Songs ganz wichtig ist. Auch das ist ein sicheres Zeichen von der großen Qualität dieser Musiker.
Der Gig bot songmäßig keine großen Überraschungen, was aber auch nicht verwunderte, ist doch das neue Album erst in der Entstehungsphase. So gab es die erwarteten Klassiker, ohne die ein Gig von Birth Control auch gar nicht möglich wäre. Wer will schon auf "The Work Is Done", "She's Got Nothing On You" oder "Back From Hell" verzichten. Auch der "Trial Trip" vom Album "Plastic People" und das damals nur als Single erschienene "Hope" sind inzwischen Standard bei Birth Control-Auftritten, genau wie der Titelsong des letzten Studio-Albums Alsatian. Außerdem spielte die Band auch noch den Titel "Plastic People", ein Stück, das ich persönlich allerdings nicht unbedingt gebraucht hätte. Irgendwie habe ich noch nie einen Zugang zu diesem Song gehabt. Aber das ist natürlich eine reine Geschmackssache.
Highlight des Abends aber war natürlich, wie sollte es auch anders sein, der Überflieger schlechthin. "Gamma Ray" ist und bleibt das Kernstück eines jeden BC-Gigs. Diesmal in einer Version von schlappen 28 Minuten, wobei der Percussion-Part mal wieder im Mittelpunkt stand. Klasse, wie alle Bandmitglieder in Bewegung waren und so für einen unheimlich dichten Rhythmus sorgten. Da bebte das Musikzentrum, und man sah nur noch verzückt tanzende Menschen vor der Bühne. Dieser Song ist einer der Titel, bei dem die einzigartige Atmosphäre eines Live-Konzertes am Besten zur Geltung kommt. Zweifellos ein zeitloses Meisterwerk der Rockmusik, mit dem vielleicht nur noch "In A Gadda Da Vida" von Iron Butterfly mithalten kann.
Nach 100 Minuten war dann Schluss des Abends und eine Veranstaltung zu Ende, die allen Fans der alten deutschen Rockmusik (um den Begriff 'Krautrock' zu vermeiden) ein hohes Maß an Unterhaltung und Spaß bescherte.
Line-up Mother Jane:
Klaus Hess (guitar, vocals)
Kai Schiering (bass, vocals)
Jens Betjemann (guitar, backing vocals)
Lucas Quentin (drums)
Line-up Birth Control:
Bernd 'Nossi' Noske (drums, vocals, percussion)
Martin Ettrich (guitar, voice box, backing vocals, percussion)
Hannes Vesper (bass, backing vocals, percussion)
Sascha Kühn (keyboards, percussion)
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