Kerle, was die Zeit vergeht: FÜNF lange Jahre habe ich Blackberry Smoke nicht mehr gesehen. Allerdings - zu meiner Ehrenrettung - lag dies in erster Linie an Terminproblemen meinerseits bzw. den teilweise astronomischen Entfernungen zu den Auftrittsorten. In dieser Zeit ist diese Band nicht nur gereift, sondern hat sich zu einem wahren Top-Act im Southern Rock weiterentwickelt. Wenn man bedenkt, dass die Jungs aus Atlanta seinerzeit noch vor rund 60 Leutchen spielten, wird dies überdeutlich... Die Truppe um Charlie Starr hat mittlerweile sogar abgehalfterte Urgesteine wie Molly Hatchet oder Lynyrd Skynyrd weit abgehängt. Einen letzten Quantensprung (kleiner Schritt - große Wirkung) war die Integration des Hammond-Virtuosen Brandon Still vom reinen Tourbegleiter in das feste Bandgefüge, was mit The Whippoorwill nicht nur das größte Album der Bandhistorie zur Folge hatte, sondern auch mal ganz locker die beste Southern Rock-Scheibe des noch jungen Jahrhunderts markierte. Wenn sich dann obendrein die Gelegenheit zu einem Wiedersehen mit dem bestens beleumundeten Szenekenner und Kollegen Daniel bietet, ist es logisch, dass der Termin im Kölner Luxor ganz fett in meinem Kalender angestrichen wurde! Das verbliebene Drittel der Southern-Fraktion von RockTimes, unser hochgeschätzter Jochen, war leider verhindert und fehlte somit 'entschuldigt' und obendrein sicher etwas bedröppelt-traurig.
Große Freude kam auf, als ich unsere Facebook-Freunde Lisbeth Hagen und Harald Birkner traf - natürlich in vorderster Front, wie es sich für Southern-Junkies gehört! Das musikverrückte Ehepaar war extra aus dem Fränkischen angereist - DAS nenne ich Enthusiasmus. Nochmals: Keep it real, keep it Southern - ihr Lieben!
Als Supportband hatten die Veranstalter von Blackberry Smokes Europatour die nordirische Band Million $ Reload gebucht, alles andere als Unbekannte hierzulande. Deren Hard Rock scheint ja - so jedenfalls mein Eindruck nach einigen Soundschnipseln vorab im Netz - irgendwo zwischen Sleaze- und Glam Rock angelegt. Ob diese Mixtur zum Hauptact passen und der Erwartungshaltung des Publikums entsprechen würde, war eine der Überlegungen im Vorfeld.
'Irisch' klangen Million $ Reload nun wirklich nicht. Vom Habitus wie Sound kamen einem spontan die Gunners in den Sinn: Arschtritt-Attitüde mit einer saftigen Portion Atze/Detze im Stiefel. Optisch lagen die Burschen dagegen eher zwischen (den jungen) Johnny Ramone (Sänger Phil Conalane) und Rory Gallagher (Gitarrist Andy Mack). Hart, schrill, laut, schnell - alle Trademarks des Glam'n'Sleaze bekam das Publikum geboten. Vor allem der Stampfer "Livin' In The City" wusste zu gefallen, allerdings wollte insgesamt der Funke nicht so recht zünden. Fazit: Die Jungs wurden wahrscheinlich etwas unter Wert geschlagen. Kollege Daniel traf den Nagel auf den Kopf, als er meinte, The Cadillac Three (die nur eine Woche zuvor Eric Church in der Kölner Live Music Hall angeheizt hatten) hätten wahrscheinlich besser zu Blackberry Smoke gepasst...
Das Luxor, eine ehemalige Szene-Disco am Rande der Südstadt, liegt mitten im multikulturellen Kölner Herzen. Von der Aufmachung eigentlich sehr sympathisch, entpuppte sich der lange, schlauchartige und vor allem relativ niedrige Club als soundtechnisch eher kompliziert. Der am Mischpult platzierte Daniel beschrieb Blackberry Smokes Sound als ziemlich breiig. Erst gegen Ende - so sein weiterer Eindruck - schien der Mann am Mixer besser mit den ortlichen Gegebenheiten zurechtzukommen. Ich selbst musste mich wegen der eingeschränkten Sichtmöglichkeiten an den linken Bühnenrand, hinter einen der PA-Türme, durchschlagen. Nur so konnte ich das Geschehen auf der kleinen Bühne für einen seriösen Bericht überblicken. Allerdings bekam ich hier lediglich den Stage-Sound um die Ohren, der aber offenbar - die Schilderungen von 'Dangerous Dan' berücksichtigend - um Einiges angenehmer als der Geräuschpegel im Saal war.
Leider wurde der Pit von einem 'Gorilla' aus Blackberry Smokes Crew - wahrscheinlich der Busfahrer, haha - bewacht. Keine Fotos, die Miene ließ Diskussionsversuche bereits im Keim ersticken - extrem uncool und alles andere als 'Southern'! Da das Luxor seit Wochen bis auf den letzten Platz ausverkauft war, blieb die Suche nach Alternativen aussichtslos. Sehr schade, dass im Vorfeld keine Fotopässe ausgegeben worden waren.
Der Bühnenchef hüllte nach dem Abschluss der Umbauarbeiten erstmal schamanenmäßig alle Instrumente, Amps und Mikros mit Rauchschwaden ein - und ich garantiere Euch: Es war KEIN 'Blackberry Smoke'... »Hoka Hey!!« Wäre der Saal höher gewesen, hätte man (wie in mediterranen Kathedralen) zur transzendenten Stimulation auch ein mit feinstem Afghanen befülltes, dampfendes Weihrauchfässchen durch die Zuschauerreihen schwenken können. Doch die etwa fünfhundert Blackberry Smoke-Jünger waren ganz offensichtlich auch ohne diesen Stimulus schon kurz vor Konzertbeginn in metaphysischen Zuständen. "Leave A Scar", "Like I Am", "I'd Be Lyin'" und "Six Ways To Sunday - so ging es los: zweimal rief die 'Nachtschwalbe', zweimal das Dixie-Schnittchen, aus denen das Set größtenteils zusammengestellt war. Besser kann man seine Anhänger wohl kaum auf Betriebstemperatur bringen... Schade war allerdings, dass mit dem prächtig aufgenommenen Scare The Devil lediglich ein älterer Song gebracht wurde. Wie wäre es bspw. mit der zauberhaften Country-Ballade "Another Chance" oder dem Southern-Epos "Normaltown" gewesen? Auch ein traditionelleres Stück aus den HonkyTonk Bootlegs, vielleicht "Livin' Hell" in der 'schmutzigen Version', wäre als ziemlich cooler Gag aufgefasst worden.
Auch in Köln spielte Blackberry Smoke das obligatorische Cover - Skynyrds wohl schönste Ballade "Tuesday's Gone". Der eigene 'Schmachtfetzen', "The Whippoorwill", stand diesem Klassiker allerdings in nichts nach. Neben dem Publikumsfavoriten "Up In Smoke" waren dies sicherlich die Highlights des Abends, zumindest für mich.
Die Spielfreude der beiden Gitarristen, Charlie Starr und Paul Jackson, war teilweise überschäumend. Man merkte ihnen an, dass sie einfach gerne für die deutschen Fans (auch einige 'BeNeLuxer' waren anwesend) spielen. Auch der etwas knurrige Bassist Richard Turner ließ sich im Lauf der Show von den beiden infizieren. Eine 'Back Line' von edlen Orange-Amps sorgte bei den dreien für einen richtig satten Ton (wie schon gesagt: wenigstens im Bühnensound). Einzig Brandon Stills Keyboards klangen etwas synthetisch. Die organischeren Sounds einer Hammond oder eines Wurlitzers lassen sich eben nicht von einem Nord E2 oder einer Korg CX3 - bei all deren unbestreitbaren Qualitäten - ohne weiteres reproduzieren. Aber Still ist natürlich ein richtig Guter, wie man auf der DVD problemlos nachvollziehen kann.
Nach knapp 75 Minuten hatten die fünf Mannen aus Atlanta noch keineswegs ihr Pulver verschossen. Eine Zugabe war noch drin: Zunächst der neue, noch unveröffentlichte Track "Livin' In The Song", den ich persönlich besser im regulären Set platziert gesehen hätte. Nach minutenlangem, lautstarken Gejohle der nach Zugaben schmachtenden Fans, wäre ein richtiger Knaller wie "Scare The Devil" vielleicht angebrachter gewesen. Und da der hymnische, mit Double Leads gespickte "Freedom Song" auch eher in die Midtempo-Ecke gehörte, ging der Abend mit Blackberry Smoke dann doch etwas besinnlicher als vorab vermutet zu Ende. Knapp 90 Minuten (feinster) Southern Rock ist ganz okay, allerdings auch nicht mehr - dafür reicht die Puste der Altmeister von Skynyrd sogar ohne Sauerstoffzelt. Zwei, drei 'Nachschläge' hätten ruhig noch draufgepackt werden können...
Leider war dies bereits der dritte von nur vier Deutschlandterminen von Blackberry Smoke in diesem Jahr. Die Qualität der Burschen hat sich herumgesprochen - ausverkaufte Clubs, wie in Köln, belegen dies. Entweder dehnen die Verantwortlichen im kommenden Jahr die Tour erheblich aus oder man bucht größere Locations. Das Luxor bewies es: Blackberry Smoke sind dieser Größenordnung bereits deutlich entwachsen!!
Hat mal wieder Spaß gemacht, die derzeit beste Southern Rock-Band der gesamten Szene zu sehen. Kleinere Unannehmlichkeiten konnten den positiven Gesamteindruck jedenfalls nicht nennenswert schmälern.
Mein Dank geht an Lisa Schwartz von Wizard Promotions für die völlig unkomplizierte Akkreditierung.
Line-up Million $ Reload:
Phil Conalane (vocals)
Andy Mack (guitar, backing vocals)
Kie McMurray (bass, backing vocals)
Davy Cassa (drums)
Setlist Million $ Reload:
01:Under Your Skin
02:Can't Tie Me Down
03:Wicked
04:Tattoos & Dirty Girls
05:Goodnight New York
06:Livin' In The City
07:Down To The Wire
08:Bullets In The Sky
Line-up Blackberry Smoke:
Charlie Starr (lead vocals, guitars)
Paul Jackson (guitars, backing vocals)
Brandon Still (keyboards)
Richard Turner (bass, backing vocals)
Brit Turner (drums)
Setlist Blackberry Smoke:
01:Leave A Scar
02:Like I Am
03:I'd Be Lyin'
04:Six Ways To Sunday
05:Good One Coming On
06:Pretty Little Lie
07:Scare The Devil
08:Sleeping Dogs
09:Everybody Knows She's Mine
10:The Whippoorwill
11:Shakin' Hands With The Holy Ghost
12:Up In Smoke
13:Ain't Got The Blues
14:Tuesday's Gone [Skynyrd-Cover]
15:Restless
16:One Horse Town
17:Ain't Much Left Of Me
Encores:
18:Livin' In The Song
19:Freedom Song
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