Joe Bonamassa / Live At Radio City Music Hall
Live At Radio City Music Hall Spielzeit Blu-ray: 115:26 (Konzert), 41:18 (Bonusmaterial)
Spielzeit CD: 76:06
Medium: Blu-ray, CD

Technik:
Format: Dolby, PAL
Bildseitenformat: 16:9 - 1.77:1

Label: Provogue / Mascot, 2015
Stil: Blues, Blues Rock

Review vom 03.02.2016


Jürgen Hauß
Hatte ich die Rezension zu Muddy Wolf At Red Rocks im vergangenen Jahr damit eingeleitet, dass dies die »gefühlt achtundachtzigste Veröffentlichung des - aus meiner Sicht - genialen Blues-/Bluesrock-Gitarristen in gerade einmal 15 Jahren!« sei, handelt es sich bei dem vorliegenden Mitschnitt "Live At Radio City Music Hall" (ebenfalls aus dem vergangenen Jahr; es lag gerade ein halbes Jahr zwischen den Veröffentlichungsterminen!) konsequenterweise um die 'gefühlt neunundachtzigste Veröffentlichung', und es stellt sich wieder die damals schon aufgeworfene Frage: »Braucht man die wirklich?« Um mein Resumée dieses Mal vorwegzunehmen: Ob 'man' sie braucht, muss jeder für sich selbst entscheiden. M.E. hat aber auch diese ihre Berechtigung!
Eine Besonderheit gegenüber bisherigen Veröffentlichungen von Joe Bonamassa liegt bereits darin, dass man vorliegend nicht die Wahl hat, ob man nur das Tondokument oder nur die Bilddokumentation kaufen möchte (oder aber beides jeweils einzeln kaufen muss, wenn man weder auf das eine noch das andere verzichten möchte). Vielmehr ist der DVD bzw. Blu-ray eine, gegenüber der Bilddokumentation allerdings gekürzte, Ausgabe des Konzerts auf CD bereits beigelegt, so dass man zwar beides nur zusammen kaufen kann, dies jedoch - wenn man bedenkt, was man alles bekommt - insgesamt zu einem durchaus günstigen Preis. Erster Bonus-Punkt!
Radio City Music Hall - natürlich in New York - ist schon ein besonderer Veranstaltungsort, und wenn man insbesondere die Bilder von der Bühne hinab ins Publikum (bzw. hinauf auf die Ränge) sieht, kann man nachvollziehen, dass es nicht nur für Bonamassa und seine Mitmusiker ein Traum war, in dieser eindrucksvollen Location zu spielen. Dies wird an mehreren Stellen insbesondere der Bilddokumentation deutlich.
Das Konzert selbst ist, wie viele Bonamassa-Konzerte in der jüngeren Vergangenheit, musikalisch zweigeteilt: Zunächst ein Akustik-Teil; anschließend erfolgt - zudem mit überwiegend anderen Musikern - der elektrische Teil. So betrachtet könnte man die Sorge haben, dass das Konzert praktisch eine Doublette zu den Konzerten Nr. 3 und insbesondere Nr. 4 der Tour De Force darstellen könnte. Doch weit gefehlt: Das Repertoire von Joe Bonamassa ist mittlerweile so groß, dass Überschneidungen - jedenfalls im Akustik-Teil und soweit ich feststellen konnte - mit jenen Konzerten überhaupt nicht vorkommen ("Dust Bowl" und "Happier Times" wurden seinerzeit jeweils im elektrischen Teil gespielt und sind von daher bereits 'andere Songs', vgl. meine diesbezüglichen Anmerkungen hier). Und auch die Überschneidungen zum, eingangs erwähnten, letzten Live-Album sind mit drei Titeln überschaubar. Deutlich mehr 'Doubletten' gibt es hingegen zum letzten Studio-Album von Joe Bonamassa aus dem Vorjahr Different Shades Of Blue; doch das ist nun wirklich nicht zu kritisieren! Vielmehr gibt es vorliegend sogar zwei gänzlich neue Songs! Daher: Zweiter Bonus-Punkt!
Bild- und Tondokumentation unterscheiden sich nicht nur bei der Anzahl der präsentierten Songs, sondern auch bei deren Reihenfolge. Abgesehen davon, dass die Bilddokumentation eingangs das 'Ankommen' der Musiker im Big Apple beschreibt, wird hier das Konzert, soweit ersichtlich, anschließend in der tatsächlich gespielten Reihenfolge wiedergegeben, also zunächst der Akustik-Teil, anschließend die elektrische Variante. Beeindruckend insbesondere die Überleitung: Mats Wester führt solistisch auf der leicht exotisch anmutenden Nickelharfe in "Never Give All Your Heart" ein, bevor ihn die Band und Joe Bonamassa mit der brachialen Gewalt seiner elektrischen Gibson-Gitarre ablösen.
Die CD beginnt demgegenüber mit vier 'elektrischen' Stücken, dem sich ein längerer Akustik-Block anschließt, um letztlich wieder mit einem 'Elektro-Block' zu enden. Puristen werden jetzt einräumen, das sei dann nicht die korrekte Wiedergabe eines Konzert-Mitschnitts. Für den tatsächlichen Ablauf eines Konzerts ist nur ein Wechsel der Mitspieler und Instrumentierung sicherlich einfacher, von der Musik-Dramaturgie her finde ich diese Aufteilung aber wesentlich interessanter und abwechslungsreicher. Daher: weiterer Bonus-Punkt!
Spiegelt von daher die Tonkonserve eindeutig nicht den tatsächlichen Ablauf des Konzerts wider (auch die Reihenfolge innerhalb der Blöcke ist teilweise eine andere als bei der Bilddokumentation), ist das Hörerlebnis noch aus einem anderen Grund bemerkenswert. Wurden also die Stücke nicht hintereinander weg gespielt, überrascht es nach den Erfahrungen mit früheren Live-Scheiben von Joe Bonamassa, dass vorliegend zwischen den einzelnen Songs keine Pausen zu hören sind; diese sind vielmehr ohne Unterbrechungen aneinander gereiht, so als ob sie tatsächlich nacheinander gespielt und keinerlei Schnitte vorgenommen worden wären. Hat hier etwa die nicht nur von mir geäußerte Kritik an dem ansonsten überzeugenden Produzenten Kevin Shirley Früchte getragen? Klarer Bonus-Punkt!
Ein Review von mir wäre jedoch kein Review von mir, wenn ich nicht doch etwas zu kritisieren hätte! Ist dieses Mal das Tondokument über jede Kritik erhaben, gilt dies nicht uneingeschränkt für die Bilddokumentation. Die Bilder sind grundsätzlich schön gehalten, ruhig anzusehen und sehr beeindruckend. Störend sind allerdings m. E. die zahlreichen 'Split-Screens', auf denen die Bühne zerteilt wirkt und jeweils einzelne Musiker in größeren Ausschnitten gezeigt werden. Man weiß oft gar nicht, wo man hinschauen soll! Was zudem sollen Darstellungen wie beispielsweise bei dem brachialen Neuling "One Less Cross To Bear", bei denen der Percussionist Lenny Castro gleichzeitig von drei Seiten und in einem vierten Fenster der Drummer Tal Bergman während eines ansonsten genial zu bezeichnenden 'Duells' der beiden zu sehen sind? Die Dynamik ihres gemeinsamen Spiels kommt auch bei 'normaler' Sichtweise deutlich zum Ausdruck!
Und noch ein Kritikpunkt zur CD: Warum wurde hier auf die Wiedergabe des grandiosen "Double Trouble" verzichtet? Die Intensität dieser Darbietung wäre auch auf der, rein audiophilen, Wiedergabe rübergekommen - mit Ausnahme der berechtigten 'Standing Ovations' des Publikums am Ende des Songs!
Schließlich möchte ich den Kritikern entgegentreten, die der Meinung sind, Joe Bonamassa würde den Mitmusikern viel zu viel Raum geben. M. E. zeugt es vielmehr von Respekt vor seinen tollen Mitspielern, dass er ihnen eigene Entfaltungsmöglichkeiten überlässt und - wenn überhaupt - vereinzelt in den musikalischen Hintergrund tritt. Zu keinem Zeitpunkt kommt der Gedanke auf, dass "Live At Radio City Music Hall" kein Bonamassa-Album sein könnte, dafür ist der Protagonist bekanntermaßen Egomane genug, um entsprechende Zweifel auszuschließen!
Das umfangreiche Bonusmaterial sowohl auf der Blu-ray als auch in Gestalt eines 40-seitigen, nett gestalteten Booklets verdeutlicht, in welcher angenehmen Atmosphäre das Konzert stattgefunden hat und rundet ein - aus meiner Sicht - rundum gelungenes Album ab. Es macht jedenfalls Appetit auf die anstehende Tournee durch Deutschland in diesem Frühjahr sowie die bereits avisierte neue Studio-CD, wobei es verwundert, dass nach den bisherigen Ankündigungen die bereits angesprochene Bonamassa-Neukomposition "One Less Cross To Bear" wohl nicht drauf sein wird.
Line-up (The Borderline):
Joe Bonamassa (vocals and guitars)
Tal Bergman (drums)
Carmine Rojas (bass)
Reese Wynans (piano, Hammond organ)
Gerry O´Connor (fiddle, mandolin)
Mats Wester (nyckelharpa, mandola)
Lee Thornburg (trumpet, horn arrangements)
Pauly Cerra (saxophone)
Nick Lane (trombone)
Lenny Castro (percussion)
Tracklist
Blu-ray:
01:Bite The Big Apple (titles)
02:Dust Bowl
03:Trouble Town
04:Still Water
05:Different Shades Of Blue
06:The Huckleberries - Introducing the acoustic band
07:Black Lung Heartache
08:Happier Times
09:Never Give All Your Heart
10:Hidden Charms
11:Living On The Moon
12:I Can't Be Satisfied
13:Double Trouble
14:One Less Cross To Bear
15:Love Ain't A Love Song
16:Introducing the Electric Band
17:"Happy Birthday Mom!"
18:I Gave Up Everything For You, 'Cept The Blues
19:So, What Would I Do?

Bonus-Material:
Joe Bites The Big Apple
Behind The Scenes
CD:
01:I Can't Be Satisfied (4:46)
02:One Less Cross To Bear (5:38)
03:Living On The Moon (5:04)
04:I Gave Up Everything For You 'Cept The Blues (6:08)
05:Dust Bowl (5:44)
06:Trouble Town (5:20)
07:Still Water (4:37)
08:Different Shades Of Blue (5:05)
09:Happier Times (6:30)
10:Never Give All Your Heart (8:11)
11:Hidden Charms (3:39)
12:Love Ain't A Love Song (5:42)
13:So What Would I Do (9:44)
Externe Links: